Parlamentskorrespondenz Nr. 708 vom 12.06.2017

Neu im Verfassungsausschuss

Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz, Verwaltungsstrafrecht, BDG-Novelle, NEOS-Antrag für weisungsfreien Bundesstaatsanwalt

Wien (PK) – Die Koalitionsparteien haben in der letzten Nationalratssitzung zahlreiche gemeinsame Initiativanträge eingebracht. Dazu gehören auch ein neues Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz, eine Novelle zum Beamten-Dienstrechtsgesetz und eine Novellierung des Verwaltungsstrafgesetzes. Künftig soll es auch im Verwaltungsstrafrecht möglich sein, eine Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit zu vermeiden. Zudem drohen für fremdenfeindliche und rassistische Propaganda hohe Verwaltungsstrafen. Die NEOS drängen auf die Schaffung einer weisungsfreien Bundesstaatsanwaltschaft.

NEOS fordern weisungsfreien Bundesstaatsanwalt

Die NEOS haben eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes beantragt. Geht es nach Abgeordnetem Nikolaus Scherak, sollen die staatsanwaltschaftlichen Behörden künftig nicht dem Justizminister, sondern einem unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt unterstehen (2222/A). Er erwartet sich davon positive Auswirkungen auf das Funktionieren der Strafverfolgung und auf das Image der Strafjustiz.

Gewählt werden soll der Bundesstaatsanwalt dem Antrag zufolge vom Nationalrat nach einer öffentlichen Ausschreibung und einem öffentlichen Hearing im Hauptausschuss. Als Funktionsperiode sind sechs Jahre, mit einer einmaligen Möglichkeit der Wiederwahl vorgesehen. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen mit 1. Jänner 2018.

Der Hypo-Untersuchungsausschuss habe gezeigt, wie defizitär das österreichische Rechtssystem bei der Strafverfolgung ist, hebt Scherak in der Begründung des Antrags hervor. Trotz umfangreichen Beweissubstrats seien in mehreren Fällen Anklagen unterblieben. Ähnliche Erkenntnisse würden sich für den Eurofighter-Untersuchungsausschuss abzeichnen. Knackpunkt ist für Scherak die bestehende Weisungskette, die der Regierung bzw. dem Justizminister Einflussnahme auf die Ermittlungstätigkeit der Strafjustiz ermöglicht. Den von Justizminister Wolfgang Brandstetter eingerichteten beratenden Weisungsrat hält er für unzureichend.

Eigenes Gesetz für verfassungsändernde Staatsverträge

SPÖ und ÖVP schlagen vor, sämtliche Staatsverträge, die als Verfassungsgesetz gelten bzw. Verfassungsbestimmungen enthalten, künftig in einem eigenen Bundesverfassungsgesetz aufzulisten (2236/A). Unter anderem betrifft das etwa die Europäische Menschenrechtskonvention, Teile des Staatsvertrags von 1955 sowie einzelne Bestimmungen des Statuts zur Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs, der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords oder des internationalen Übereinkommens gegen Doping im Sport. Staatsverträge, die nicht im Gesetz angeführt sind, verlieren ihren verfassungsrechtlichen Charakter, selbst wenn sie als verfassungsändernd gekennzeichnete Bestimmungen enthalten.

In den Erläuterungen wird darauf hingewiesen, dass Verfassungsrecht seit dem Jahr 2008 nicht mehr durch Staatsverträge geändert oder erlassen werden kann. Vielmehr müssten diese durch gesonderte gesetzliche Bestimmungen in Verfassungsrang gehoben werden. Das soll künftig durch die Aufnahme in das Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz erfolgen. Das erste Abkommen, das gemäß diesen Bestimmungen neu in das Gesetz aufgenommen werden soll, ist das Protokoll Nr. 15 über die Änderung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (15. ZPEMRK). Dafür wird mit dem vorliegenden Gesetz bereits eine Rechtsgrundlage geschaffen.

Verwaltungstrafrecht: Gemeinnützige Arbeit statt Ersatzhaft

Mit einem weiteren Gesetzesantrag der Koalitionsparteien sollen das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen und das Verwaltungsstrafgesetz geändert werden (2242/A). Unter anderem ist vorgesehen, die Verbreitung rassistischer und fremdenfeindlicher Propaganda unter Strafe zu stellen und Verwaltungsstrafverfahren effizienter und bürgerfreundlicher zu gestalten. Zudem soll es künftig auch im Bereich des Verwaltungsstrafrechts die Möglichkeit geben, Ersatzfreiheitsstrafen für nicht bezahlte Geldbußen durch gemeinnützige Arbeit zu vermeiden. Das Delikt der "Winkelschreiberei" wird hingegen aus dem Strafkatalog gestrichen.

Wie aus den Erläuterungen hervorgeht, besteht die Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzugs einer Ersatzfreiheitsstrafe im Bereich des gerichtlichen Strafvollzugs bereits seit dem Jahr 2008. 2013 wurde sie für den Bereich des Finanzstrafrechts eingeführt. Nun soll sie auch auf das Verwaltungsstrafrecht ausgedehnt werden. Ziel ist es, kurze Freiheitsstrafen zu vermeiden und damit auch den Verwaltungs- und Vollzugsaufwand zu reduzieren. Für einen Hafttag sind vier Stunden gemeinnützige Leistungen zu erbringen, wobei die Wahl zwischen Freiheitsstrafe und gemeinnütziger Arbeit dem Bestraften obliegt. Zeiten des Strafaufschubs sind nicht in die Vollstreckungsverjährung einzurechnen.

Laut Antrag haben im Jahr 2015 insgesamt 7.452 Personen eine Ersatzfreiheitsstrafe gemäß Verwaltungsstrafgesetz verbüßt. Die durchschnittliche Haftdauer betrug 15 Tage.

Verwaltungsstrafen für fremdenfeindliche und rassistische Propaganda

Wer rassistische und fremdenfeindliche Propaganda gutheißt und verbreitet, kann gemäß dem Gesetzentwurf künftig mit einer Geldbuße von bis zu 1.090 € bestraft werden. Dieses neue Verwaltungsdelikt ist dabei als Ergänzung zum entsprechenden Straftatbestand im Strafgesetzbuch zu sehen. Während Hass- und Gewaltpropaganda strafrechtlich sanktioniert werden, geht es im Bereich des Verwaltungsstrafrechts um "Diskriminierungspropaganda", wie in den Erläuterungen vermerkt wird. Bestraft werden können etwa Personen, die öffentlich Bilder oder Theorien verbreiten, die Personen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrer Behinderung diskriminieren.

Sicherheitsorgane dürfen künftig "angemessenen Zwang" ausüben

Erleichtert wird mit der Novelle auch das sprengelübergreifende Einschreiten von Sicherheitsorganen. Demnach können die BeamtInnen in Hinkunft auch außerhalb des Sprengels der Behörde, der sie funktionell zugeordnet sind, tätig werden. Bisher war das nur bei Gefahr in Verzug der Fall. Das soll flexiblere und wirksamere Einsätze ermöglichen. Zudem wird den Sicherheitsorganen das ausdrückliche Recht eingeräumt, zur Durchsetzung ihrer Befugnisse angemessenen Zwang anzuwenden, etwa bei Identitätsfeststellungen.

Identitätsfeststellungen sind darüber hinaus künftig nicht nur bei Betreten auf frischer Tat zulässig, sondern auch unmittelbar nach der Tathandlung, sofern die betreffende Person glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt wird oder Gegenstände bei sich hat, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen. Als Beispiel wird etwa der Fall genannt, dass ein Kontrollor mit einem "Schwarzfahrer" aus der Straßenbahn aussteigt und diese die Station zum Zeitpunkt des Eintreffens der Exekutive bereits verlassen hat.

Schwarzfahrer erhalten 14 Tage Zeit, um Strafticket zu begleichen

Auch in einem weiteren Bereich sind "Schwarzfahrer" von der Novelle betroffen. Künftig liegt erst dann eine Verwaltungsübertretung vor, wenn der Fahrpreis samt Zuschlag nicht unverzüglich bzw., im Falle der Feststellung der Identität, innerhalb der gesetzlichen Frist bezahlt wird. Letztere wird dabei von drei auf 14 Tage erstreckt. Damit haben ertappte SchwarzfahrerInnen, die sich ausweisen können, künftig zwei Wochen Zeit, die Schuld zu begleichen.

Einheitliche Deliktskataloge

Im Interesse einer möglichst einheitlichen Strafpraxis und aus Gründen der Gleichbehandlung und der Transparenz ist vorgesehen, dass die jeweils oberste zuständige Behörde künftig einheitliche Deliktskataloge für Strafverfügungen, Anonymverfügungen und Organstrafen festlegt. Überdies wird den Behörden mit der Novelle die Möglichkeit eingeräumt, von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen, wenn der Betroffene irrtümlich einen höheren Betrag als durch eine Anonymverfügung vorgeschrieben bezahlt hat. Das ist derzeit aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht möglich. Beschuldigte erhalten außerdem das Recht, einen erhobenen Einspruch gegen eine Strafverfügung wieder zurückzuziehen.

Um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, soll künftig auf individuelle Ermächtigungsurkunden für Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Einhebung vorläufiger Sicherheiten und für Organe der öffentlichen Aufsicht zur Einhebung von Geldstrafen mit Organstrafverfügung verzichtet werden. Das betrifft etwa Organe der Parkraumüberwachung. Stattdessen ist eine generelle gesetzliche Ermächtigung in Aussicht genommen.

Klargestellt wird schließlich auch, dass Strafverfahren nur dann ohne Anhörung des Beschuldigten durchgeführt werden können, wenn er ohne Entschuldigungsgrund nicht erscheint. Die Mindestdauer einer Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden wird für Jugendliche gestrichen.

BDG-Novelle trägt Strukturreform im Verteidigungsministerium Rechnung

Mit einer von Otto Pendl (S) und Bernd Schönegger (V) beantragten Novelle zum Beamten-Dienstrechtsgesetz wird der Strukturreform im Verteidigungsministerium und beim Bundesheer Rechnung getragen (2247/A(E)). Insbesondere geht es um Änderungen des Richtverwendungskatalogs. Eine klare Aufgabenzuordnung auf allen Ebenen soll die optimierte Zusammenarbeit der militärischen und zivilen Organisationselemente im Verteidigungsressort gewährleisten, heißt es dazu in den Erläuterungen. Auch für die LeiterInnen von Polizei- und Fachinspektionen ist eine neue Zuordnung vorgesehen. (Schluss) gs