Parlamentskorrespondenz Nr. 759 vom 20.06.2017

Hammerschmid: Pädagogische Freiheit im Zentrum der Bildungsreform

Unterrichtsausschuss im Lichte der Bildungsreform 2017

Wien (PK) – SPÖ, ÖVP und Grüne machten die Bildungsreform 2017 im heutigen Unterrichtsausschuss startklar für das Plenum. Nach langen Verhandlungen sind sich die drei Parteien nun einig und geben dem Initiativantrag die notwendige Zweidrittelmehrheit. Die Ausschussdiskussion war von zahlreichen Detailfragen geprägt. Laut Bildungsministerin Sonja Hammerschmid steht die pädagogische Freiheit im Mittelpunkt der Materie. Sie erwartet sich nun eine völlig neue, zukunftsfähige Form der Schule. Die FPÖ war über die kurzfristige Behandlung im Ausschuss empört und stellte einen Antrag auf Vertagung. Außerdem beantragte Wendelin Mölzer eine Ausschussbegutachtung. Beide Anträge blieben in der Minderheit. Im Zuge der Bildungsreform wurden mehrere Initiativen der Oppositionsparteien miterledigt.

Bildungsreform nach langen Verhandlungen geglückt

SPÖ, ÖVP und Grüne haben sich nach intensiven Verhandlungen der letzten Monate auf eine Bildungsreform geeinigt. Zugunsten einer Einigung musste jede der Parteien von ihren Vorstellungen Abstriche machen, so der Tenor im Ausschuss. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid und SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Grossmann zeigten sich dennoch sehr erfreut über das Ergebnis.

Im Zentrum der Bildungsreform 2017 steht die Möglichkeit, Schulen künftig zu Clustern zusammenzuschließen. Außerdem soll nicht nur die Behördenstruktur verbessert werden, sondern auch die Schulautonomie gestärkt und die Besetzung von leitenden Funktionen objektiviert werden. Mehr Flexibilität gibt es beispielsweise bei den Klassengrößen, die künftig frei gestaltet werden können. Einschränkend wirkt dabei jedoch eine Verfassungsbestimmung, die gewährleistet, dass im Durchschnitt pro Bundesland maximal 25 SchülerInnen in der Klasse sind. Entscheidungsfreiheit für die Schulen gibt es auch in Bezug auf die Schulstunden. Während diese bis jetzt 50 Minuten dauerten, können die Schulen künftig autonom entscheiden, wie sie Unterrichtseinheiten zeitlich zusammenfassen. Auch die Öffnungszeiten können flexibler gestaltet werden. So besteht etwa die Möglichkeit, von 7 bis 8 Uhr in der Früh eine Betreuung anzubieten. Zudem erhalten die Schulen Personalautonomie. Die Schule soll entscheiden können, welcher Bewerber bzw. welche Bewerberin den Zuschlag bekommet (2254/A). In der Stärkung der SchulleiterInnen sah Brigitte Jank (V) den zentralen Punkt der Reform. Dadurch hätten die Schulen mehr Gestaltungsspielraum, mit dem sie den Unterricht moderner machen könnten.

Schulen haben künftig die Möglichkeit, sich zu sogenannten Schulclustern zusammenschließen. Bis zu acht Schulstandorte können sich freiwillig dazu bekennen. Ausnahmen gibt es nur bei Schulen mit grundsätzlich wenigen SchülerInnen und sinkenden Schülerzahlen.

Bildungsdirektionen lösen die Landesschulräte ab und übernehmen sowohl Bundes- als auch Landesagenden. Die Zuständigkeit erstreckt sich über alle LehrerInnen, egal ob diese dem Bund oder den Ländern zuzuordnen sind. Statt den bisherigen amtsführenden PräsidentInnen leiten künftig BildungsdirektorInnen – bestellt von Bildungsministerin und den jeweiligen Landeshauptleuten - die Direktionen. Die Funktion eines Vizepräsidenten bzw. einer Vizepräsidentin wird abgeschafft und durch einen Ständigen Beirat aus VertreterInnen der LehrerInnen, SchülerInnen und Erziehungsberechtigten ersetzt.

Modellregionen bedürfen Überzeugungsarbeit

Durchsetzen konnten sich die Grünen mit ihrer Forderung nach einer Ausweitung der Modellregionen. Zur Erprobung der Gesamtschule können künftig alle in einer Region wohnhaften schulpflichtigen Kinder unter denselben organisatorischen und pädagogischen Rahmenbedingungen in einer gemeinsamen Schule zusammengefasst werden. Die Bedingungen dafür waren bis zuletzt strittig. In dem von SPÖ, ÖVP und Grünen eingebrachten Antrag ist nun vorgesehen, dass bis zu 15 Prozent aller Schulen der fünften bis achten Schulstufe die Gesamtschule erproben können. Pro Modellregion dürfen höchstens 5.000 AHS-UnterstufenschülerInnen betroffen sein. Dies ermöglicht Modellregionen, welche kleinere Bundesländer, beispielsweise - wie von den Grünen gewünscht - Vorarlberg, umfassen. LehrerInnen und Eltern müssen dafür stimmen. Bei den LehrerInnen ist eine einfache Mehrheit in der Lehrerkonferenz, bei den Eltern eine doppelte Mehrheit (einfache Mehrheit bei der Abstimmung und mindestens ein Drittel aller Abstimmungsberechtigten) erforderlich.

Laut Elmar Mayer (S) wird viel Überzeugungsarbeit notwendig sein, um die erforderlichen Abstimmungsergebnisse zu erzielen. Auch Matthias Strolz (N) ortet Widerstand und pocht auf mehr Freiwilligkeit. Die Gesamtschule müsste in einem inklusiven Prozess umgesetzt werden, sagte er. Sigrid Maurer (G) will Schritt für Schritt für eine Weiterentwicklung des Bildungssystems kämpfen. Es gebe nun eine reelle Chance auf die Einführung von Modellregionen, zeigte sie sich erfreut. Erwin Preiner (S) sah die Modellregionen als zukunftsweisend an. Die Cluster funktionieren gut, informierte er über die Modellregion im Südburgenland.

Umfangreiche Ausschussdiskussion zu technischen Details

Die Diskussion im Ausschuss war von zahlreichen Detailfragen geprägt. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid bemühte sich alle Fachfragen zu beantworten. Ja, man habe aus den Erfahrungen aus der Neuen Mittelschule gelernt, sagte sie in Richtung Elmar Mayer (S). Viele Schulen würden noch nicht wissen, in welche Richtung die Entwicklung gehen werde. Die Qualität stehe im Mittelpunkt der Reform. Besonderen Mehrwert bringe die neue Transparenz über LandeslehrerInnen. Der Bund wüsste erstmals darüber Bescheid, wieviele LandeslehrerInnen beschäftigt würden und welche Fächer sie unterrichten. Durch Clusterbildung würden die Schulen von Verwaltungstätigkeiten entlastet.

Seitens der ÖVP machte sich Karlheinz Töchterle dafür stark, Gymnasien trotz Gesamtschule weiterhin zu erhalten. Harald Walser (G) hielt dem entgegen, dass sich das Gymnasium in seiner Entstehungsgeschichte mehrfach verändert habe. Laut Walser würden die Cluster als Impulsgeber unterschätzt. Elisabeth Grossmann (S) lenkte die Aufmerksamkeit auf medial weniger verbreitete Elemente der Reform, beispielsweise auf die digitale Grundbildung, den Ausbau der schulärztlichen Betreuung und die Möglichkeit, als Frühchen geborene Kinder später einschulen zu lassen. Franz-Joseph Huainigg (V) erkannte einen Fortschritt darin, dass Beratungsangebote künftig an den Bildungsdirektionen statt an den Sonderschulen angeboten würden.

Kritik gab es seitens der FPÖ, die gegen die Gesamtschule in Form von Modellregionen eintrat. Wendelin Mölzer hinterfragte auch die Regelung zu Schulclustern. Robert Lugar vom Team Stronach konnte den Kompetenzregelungen bei der Bestellung der BildungsdirektorInnen nichts abgewinnen.

Obwohl die NEOS mit weiten Teilen der Reform d'accord gehen, gaben sie der Initiative keine Zustimmung. Bildungssprecher Matthias Strolz begründete dies mit dem weiterhin starken Einfluss der Landeshauptleute. Die Besetzung der Bildungsdirektionen würde weiterhin parteipolitisch erfolgen, bemängelte er. Auch Bildungsministerin Hammerschmid sah den Einfluss der Länder weiterhin gegeben. Es handle sich dabei um eine Materie, in der sowohl Bund als auch Länder zuständig seien. Durch die gesetzliche Verankerung der Qualifikationskritierien der BildungsdirektorInnen und dem Auswahlprozess werde aber der Parteipolitik entgegengewirkt.

Forderungen der Opposition miterledigt

In den von den Oppositionsparteien eingebrachten Initiativen ging es neben der von Harald Walser (G) geforderten Abschaffung der VizepräsidentInnen der Landesschulräte (592/A(E)) auch um die von den NEOS vorgeschlagenen Modellregionen zur Gemeinsamen Schule (131/A(E)). Mit zwei weiteren Initiativanträgen wollte Walser Änderungen im Schulpflichtgesetz (1356/A) und im Schulorganisationsgesetz (1357/A) anstoßen. Der erste Novellenvorschlag hat zum Ziel, Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren den Besuch einer Polytechnischen Schule zu ermöglichen, auch wenn sie über keinen Abschluss der Pflichtschule verfügen. Die zweite Gesetzesänderung soll eine unbefristete Verlängerung der Sprachförderkurse für außerordentliche SchülerInnen bewirken. Die derzeit laufenden Förderungen an Pflichtschulen und AHS-Unterstufen für SchülerInnen mit unzureichenden Kenntnissen der Unterrichtssprache würden nämlich schon Ende dieses Schuljahres auslaufen, zeigte Walser auf. Alle vier Initiativen wurden miterledigt. (Fortsetzung Unterrichtsausschuss) gro


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