Parlamentskorrespondenz Nr. 784 vom 22.06.2017

Sozialversicherungen zahlen teilweise immer noch hohe Sonderpensionen

Empfehlungen des Rechnungshofs wurden nur zum Teil umgesetzt

Wien (PK) – Der Rechnungshof hat im Jahr 2012 das Pensionsrecht der Bediensteten der Sozialversicherungen genauer unter die Lupe genommen und dabei festgestellt, dass viele der vor dem Jahr 1996 aufgenommenen MitarbeiterInnen trotz mehrfacher Reformen weiter mit großzügigen Zusatzpensionen rechnen können. Insgesamt hat er ein Einsparungspotential von 1,4 Mrd. €, bezogen auf den Zeitraum 2012 bis 2050, errechnet. Heute standen im Rechnungshofausschuss des Nationalrats die Ergebnisse der Ende 2014 durchgeführten Follow-up-Prüfung zur Diskussion. Geändert hat sich demnach nur wenig, gerade einmal 12,6% des Einsparungspotentials wurden gemäß den Modellrechnungen des Rechnungshofs durch weitere Reformschritte im Jahr 2014 ausgeschöpft.

Der stellvertretende Generaldirektor des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger Bernhard Wurzer lässt die Kritik allerdings nicht gelten. Einige Empfehlungen des Rechnungshofs würden im Falle einer Umsetzung verfassungsrechtlich und europarechtlich nicht halten, bekräftigte er und verwies in diesem Zusammenhang auch auf eine mittlerweile vorliegende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Zudem habe man bei den bestehenden Pensionen kostendämpfende Maßnahmen gesetzt, die zusätzliche Einsparungen von 150 Mio. € bis 160 Mio. € bringen. Sozialminister Alois Stöger machte geltend, dass die Kritik des Rechnungshofs nur Altfälle betreffe: Für Neueintritte ab 1996 werde auch bei den Sozialversicherungen eine normale ASVG-Pension – plus Pensionskasse – gezahlt.

Gemäß dem Follow-up-Bericht (III-229 d.B.) hat der Hauptverband der Sozialversicherungsträger von den sechs im Jahr 2012 vom Rechnungshof ausgesprochenen Empfehlungen nur zwei vollständig umgesetzt. Drei Empfehlungen wurde gar nicht, einer zumindest teilweise Rechnung getragen. So ist etwa nach wie vor ein Verlustdeckel bei den Zusatzpensionen vorgesehen. In einzelnen Fällen ergaben die Modellrechnungen der Rechnungshofprüfer sogar höhere Gesamtpensionsleistungen als vor der 2014 vorgenommenen Reform.

Außerdem gibt der Rechnungshof zu bedenken, dass die geltende Dienstordnung nach wie vor einen vorzeitigen Pensionsantritt begünstigt, da die Abschläge bei der ASVG-Pension großteils durch eine höhere Zusatzpension kompensiert werden. Ein Maturant mit Geburtsjahrgang 1968 muss bei einem Pensionsantritt mit 62 demnach trotz Abschlägen von 22% bei seiner ASVG-Pension nur mit einem Minus bei seiner Gesamtpension von 6% rechnen. Festgehalten wird im Bericht außerdem, dass der Empfehlung zur Anhebung der Pensionssicherungsbeiträge für die Zusatzpension 2012 zwar teilweise Rechnung getragen, diese Reform im Rahmen des Sonderpensionenbegrenzungsgesetzes 2014 zum Teil aber wieder rückgängig gemacht wurde.

Auch jetzt wären nach Berechnungen des Rechnungshofs noch Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe möglich, wie Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker im Ausschuss betonte. So regt der Rechnungshof weiter den Entfall des Verlustdeckels und eine allgemein geltende Obergrenze von 80% des Letztgehalts für die Gesamtpension an. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter der Beschäftigten bei den Sozialversicherungen stieg laut Bericht zwischen 2010 und 2014 bei Männern von 59,9 auf 60 Jahre, bei Frauen von 55,7 auf 57. Im gleichen Zeitraum kletterte der Aufwand für die Zusatzpensionen von 295 Mio. € auf 329 Mio. € (+11,5%).

Verfassungsrechtliche und europarechtliche Schranken für Einsparungen

Im Namen des Hauptverbandes gab Wurzer zu bedenken, dass es verfassungsrechtliche und europarechtliche Schranken für Einsparungen gebe. So habe der EuGH etwa festgehalten, dass es sich bei den Leistungen der Dienstordnung nicht um Pensionsleistungen im engeren Sinn, sondern um Dienstgeberleistungen handle. Abschläge für Männer, die in Korridorpensionen gehen, würden demnach eine Geschlechterdiskriminierung darstellen und somit erst dann machbar sein, wenn das Frauenpensionsalter 62 Jahre erreicht.

Darüber hinaus betonte Wurzer, dass im Sinne der Empfehlungen des Rechnungshofs durchaus ambitionierte Maßnahmen gesetzt wurden. Da sich Eingriffe in Anwartschaften durch die höchstgerichtliche Judikatur als schwierig erwiesen hätten, habe man kostendämpfende Maßnahmen bei bestehenden Pensionen vereinbart, die zusätzliche Einsparungen von 150 Mio. € bis 160 Mio. € bewirken. Demnach werden die Pensionen bis zum Jahr 2020 teilweise gar nicht oder nur um einen minimalen Prozentsatz erhöht. Auch die vom Rechnungshof geforderte 80%-Grenze sei teilweise umgesetzt worden. Zu wenig Beachtung geschenkt hat der Rechnungshof nach Meinung von Wurzer außerdem der seinerzeitigen großen Reform, die 1 Mrd. € an Einsparungen gebracht habe.

Auch Sozialminister Alois Stöger wies auf die Notwendigkeit hin, bei Altfällen den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz zu beachten. Der Umstand, dass es sich bei der Dienstordnung sowohl um einen Kollektivvertrag als auch um eine Verordnung handelt, mache die Sache schwierig. Wesentlich ist für den Minister, dass für Neueintritte ab 1996 keine Sonderpensionsleistungen in den Sozialversicherungen mehr gezahlt werden. Somit würden mittlerweile bereits für zwei Drittel der Beschäftigten bei den Sozialversicherungen die ASVG-Regelungen gelten. Der Stichtag sei auch früher angesetzt worden als bei den BeamtInnen. Wie viele Personen in den Sozialversicherungen vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz betroffen sind, konnte Stöger Abgeordneter Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) nicht sagen.

Gerald Loacker (N) zeigte sich überzeugt, dass gewisse weitere Anpassungen der Dienstordnung sehr wohl möglich wären, würde man das wollen. Er vermisst aber entsprechende Ambitionen. Auch seitens anderer MandatarInnen wurde der geringe Grad der Ausnutzung des vom Rechnungshof empfohlenen Einsparungspotentials hinterfragt. Judith Schwentner pochte namens der Grünen auf ein einheitliches Pensions- und Krankenversicherungssystem für alle Beschäftigten in Österreich. Elmar Mayer (S) stößt sich insbesondere an Privilegien bei den Beamtenpensionen.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. Gleiches gilt für die Berichte des Rechnungshofs III-213 d.B., III-391 d.B., III-392 d.B und III-371 d.B. Die Beratungen über die Berichte III-393 d.B. (Risikomanagement in der Finanzverwaltung, Follow-up) und III-394 d.B. (Strukturreform der Bezirksgerichte, Follow-up), die aus Gründen der Fristwahrung aufgenommen worden waren, wurden vertagt. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) gs