Parlamentskorrespondenz Nr. 867 vom 06.07.2017

Bundesrat: Ärztliche Primärversorgungszentren können starten

Ministerin Rendi-Wagner will rasche Umsetzung; weiterhin Bedenken bei der Opposition

Wien (PK) – Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Neugestaltung der heimischen Grundversorgung wurden heute in der Länderkammer gebilligt. Geplant sind 75 Primärversorgungszentren bis 2021 als Erstanlaufstelle zur Entlastung von Spitalsambulanzen. Zugestimmt haben SPÖ und ÖVP, die Opposition kritisiert u.a. die mangelnde Anstellungsmöglichkeit von ÄrztInnen durch ÄrztInnen und befürchtet ein Ende des Hausarztes. Geht es nach Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner, wird es durch das neue Primärversorgungskonzept im Gegenteil zu einer Attraktivierung des Allgemeinmediziner-Berufs kommen. Es handle sich dabei um eine gute, moderne und notwendige Versorgungsform, die nun rasch umgesetzt und systematisch ausgebaut werden müsse. "Es ist kein Totalersatz des alten Systems, sondern eine intelligente Ergänzung", versicherte sie. Die große Zufriedenheit bei den PatientInnen als auch beim Versorgungspersonal in den zwei bereits bestehenden Pilotprojekten in Wien und Enns würde für sich sprechen.

Insbesondere die Freiheitlichen befürchten mittel- bzw. langfristig das Ende des Hausarztes, wie Gerd Krusche (F/St) für seine Fraktion im Bundesrat geltend machte. Das Ende der Hausbesuche sei mit dem Gesetz jedenfalls besiegelt. Unverständlich sei außerdem, warum keine Anstellungsmöglichkeit von ÄrztInnen durch ÄrztInnen vorgesehen sind. "Man will die Ärzte in ein quasi staatliches Gesundheitssystem à la DDR zwängen", so Krusche. Effizienter wäre es aus seiner Sicht, das bewährte System an die Herausforderungen der Zeit anzupassen.

Die Idee der Primärversorgung sei zwar gut und wichtig für PatientInenn, die Erwartungen, die damit verknüpft seien, würden vom Konzept der Gesundheitsministerin aber nicht erfüllt, bemängelte Heidelinde Reiter (G/S). Besonders problematisch ist für die Grünen im Bundesrat, dass die Interessen der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe im Primärversorgungs-Gesamtvertrag nicht berücksichtigt werden. "SozialarbeiterInnen, die wir als einen wesentlichen Teil in den Zentren sehen, werden im Gesetz gar nicht erwähnt", bemängelte Reiter.

Die teils massive Kritik seitens der Opposition konnte Renate Anderl (S/W) nicht nachvollziehen. "Ich bin immer wieder verwundert, wie man es schafft, eines der besten Gesundheitssysteme so schlecht zu reden", sagte sie. Anderl zeigte sich davon überzeugt, dass mit dem neuen Primärversorgungskonzept attraktivere Rahmenbedingungen für ÄrztInnen geschaffen werden. Außerdem bleibe die freie Arztwahl für PatientInnen bestehen.

Eine Verbesserung in der Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum, erwarten sich Andreas Köll (V/T) und Gregor Hammerl (V/St) von der Neugestaltung. Das Primärversorgungsgesetz würde bei allen derzeit existierenden Probleme im heimischen Gesundheitssystem ansetzen, bekräftigte Köll. Gegenüber der Oppositionskritik meinte Hammerl, dass die Primärversorgungszentren eine Lücke im medizinischen System schließen, das Hausarztsystem bleibe auch weiterhin eine tragende Säule. Auch er verspricht sich vom neuen Konzept, dass dadurch dem Hausärztemangel entgegengetreten werden kann.

Die Primärversorgungszentren sollen zumindest aus einem Kernteam aus AllgemeinmedizinerInnen und Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe bestehen und können in Form einer Gruppenpraxis, eines selbständigen Ambulatoriums oder – bei mehreren Standorten - eines Netzwerks betrieben werden. Je nach Bedarf sollen auch KinderärztInnen sowie weitere Angehörige von Gesundheits- und Sozialberufen (z.B. Hebammen, PsychologInnen etc.) strukturiert eingebunden werden. Die Zentren sollen gut erreichbar sein und längere Öffnungszeiten haben.

Die Regierung erwartet sich dadurch Vorteile für die PatientInnen im Sinne einer ganzheitlichen und kontinuierlichen Betreuung, eine Entlastung der Spitalsambulanzen sowie eine Aufwertung des Berufsbildes Allgemeinmediziner. Bereits im Rahmen der letzten Finanzausgleichsverhandlungen wurde durch eine Zweckwidmung von 200 Mio. € von Seiten der Länder und der Sozialversicherung die Anschubfinanzierung sichergestellt. (Fortsetzung Bundesrat) keg


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