Parlamentskorrespondenz Nr. 946 vom 07.09.2017

Österreich hat noch weiten Weg zur Innovationsführerschaft vor sich

Rat für Forschung und Technologieentwicklung zieht kritische Zwischenbilanz der FTI-Strategie der Bundesregierung

Wien (PK) – Mit der 2011 beschlossenen FTI-Strategie der Bundesregierung soll Österreich bis 2020 in Forschung, Technologie und Entwicklung zur Gruppe der Länder mit höchster Innovationskraft aufschließen. Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (FT-Rat) begleitet die FTI-Strategie als unabhängiges Beratungsorgan, gibt Empfehlungen zu einzelnen Gesetzesvorhaben ab und verfasst Berichte und Studien. Seinen Tätigkeitsbericht für die Jahre 2015 und 2016 hat der Rat als umfassende Mid-Term-Review der FTI-Strategie angelegt. Diesen Bericht hat Verkehrsminister Jörg Leichtfried nunmehr dem Nationalrat vorgelegt (III-425 d.B.).

Die bisher zur Verbesserung des österreichischen Innovationssystems gesetzten Maßnahmen zeigten zwar ihre Wirkung, stellt der Rat fest. Diese in verschiedenen Ressorts gesetzten Einzelmaßnahmen reichten aber für sich allein noch nicht aus, um das erklärte Ziel, Österreich bis 2020 an die Gruppe der "Innovation Leader" heranzuführen, zu erreichen. Ziel müsse daher ein Gesamtkonzept zur Umsetzung der FTI-Strategie sein. Ausgehend von seiner Analyse der bisherigen Schritte gibt der Rat daher eine Reihe von Empfehlungen ab, wie die Dynamik der Strategie gesteigert werden kann.

FT-Rat: Innovationsführerschaft erfordert umfassendes Reformpaket

Aus Sicht des Rates ist die Zielorientierung der FTI-Strategie nach wie vor gültig, und einige Trends zeigen in die richtige Richtung. Das reiche aber noch nicht, um mit der Entwicklungsdynamik der führenden Länder mithalten zu können, folgert der FT-Rat. Der Abstand Österreichs zu den Innovation Leaders wird sich bei gleichbleibendem Trend vergrößern. In den verbleibenden Jahren müsse daher viel intensiver an der Umsetzung der Strategie gearbeitet werden, denn sonst werde Österreich im Jahr 2020 nicht nur kein Innovation Leader sein, sondern auch gegenüber anderen Ländern zurückfallen.

Falls die Bundesregierung weiterhin am Ziel, Innovationsführerschaft zu erreichen, festhalten wolle, so erfordere das eine neue Phase der Politikgestaltung, heißt es im Bericht des FT-Rats. Die Politik müsse dabei den Themen Bildung, Forschung, Technologie und Innovation als zentralen Zukunftsfaktoren für Österreich einen höheren Stellenwert einräumen als zuletzt. Anstelle der bisherigen bruchstückhaften Einzelmaßnahmen sei ein Paket an Reformschritten umzusetzen, das auf das gesamte FTI-System abzustimmen ist. Der Reformprozess müsse von der höchsten politischen Ebene getragen werden. Der FT-Rat spricht dabei von der Notwendigkeit einer "Reformagenda FTI" unter Leitung des Bundeskanzleramtes und in Kooperation mit allen für FTI verantwortlichen Ministerien. Diese Reformagenda müsse mit verbindlichen politischen Zielen sowie klaren Aufträgen an die Task Force FTI versehen werden.

Reformen im Bildungssystem konsequent vorantreiben

Der FT-Rat fokussierte sich in seiner Mid Term Review auf fünf prioritäre Handlungsfelder, in denen laut ihm die FTI-Strategie konkreter ausgestaltet werden muss. Der erste Bereich ist das Bildungssystem einschließlich der tertiären Bildung an Hochschulen und Universitäten. Hier stellte sich der Rat hinter umfassende Reformen zur Modernisierung des Bildungssystems unter den Stichworten Stärkung der Schulautonomie, Bereinigung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sowie einem Bekenntnis zur gemeinsamen, ganztägigen Schule im Bereich der Sekundarstufe I bei gleichzeitiger Leistungsdifferenzierung und Talententfaltung. Intensiviert werden müsse auch die frühkindlichen Förderung, befindet der Rat. Als wichtige Maßnahmen sieht er auch die Erhöhung der Anzahl mehrsprachiger PädagogInnen sowie die bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Schulen mit besonderen Herausforderungen aus.

Zudem empfahl der Rat, das im Regierungsprogramm verankerte Ziel einer Steigerung der Hochschulausgabenquote auf 2% des BIP als Minimalziel zu definieren und die jährlich notwendigen Mehrausgaben von durchschnittlich 400 Mio. € für den tertiären Sektor bereitzustellen. Außerdem sprach er sich dafür aus, bei der Umsetzung der gesetzlichen Schritte zur Studienplatzfinanzierung vor allem Maßnahmen zur Verbesserung der Studienbedingungen und insbesondere zur Steigerung der AbsolventInnen in den MINT-Fächern zu forcieren.

Grundlagenforschung stärken

Unabdingbar ist laut FT-Rat auch eine stärkere Fokussierung auf die Grundlagenforschung. Der Rat empfahl hier dringend eine substanzielle und nachhaltige Anhebung der kompetitiv vergebenen Mittel für die Grundlagenforschung, um die Spitze der exzellenten Forschung in Österreich zu verbreitern und die Forschungsbedingungen des Wissenschaftsstandorts zu verbessern. Andernfalls wäre nicht nur die gestiegene Qualität der Forschungsleistung, sondern auch die Attraktivität des Standorts Österreich ernsthaft gefährdet.

Unternehmensgründungen und innovative Jungunternehmen fördern

Besonderes Augenmerk müsse auch auf die Frage von Unternehmensgründungen und Wachstum sowie auf die Förderung innovativer Jungunternehmen gelegt werden, meinte der Rat. Notwendig sei auch die Optimierung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen und –wachstum. Der Rat empfahl hier, die Rahmenbedingungen zur Förderung des Gründungsgeschehens im wissens- und technologieintensiven Bereich durch die Implementierung innovativer Konzepte und unterstützender Fördermodelle weiter zu optimieren. Außerdem sollte die Anwendbarkeit internationaler Modelle steuerlicher Begünstigungen junger sowie kleiner wissens- und technologiebasierter Unternehmen für Österreich erneut geprüft werden.

Der Rat sprach sich auch für die Entwicklung von Finanzierungsmöglichkeiten für innovative JungunternehmerInnen und KMU aus. So sollte die Palette von Crowdfunding, inklusive Peer-to-Peer-Lending und Crowdinvesting, durch einen effektiven und effizienten Rechtsrahmen gefördert und in eine wettbewerbsfähige Gesamtstrategie für Unternehmenswachstum integriert werden. Begrüßt wurden in diesem Zusammenhang die Crowdfunding-Initiativen der Bundesregierung, insbesondere das Alternativfinanzierungsgesetz. Weiters sollten die Schaffung des Business-Angels-Freibetrags zur Eigenkapitalstärkung und Erleichterungen bei Lohnnebenkosten für Startups und forschungsaktive Unternehmen angedacht werden.

FTI-Strategie auf Regierungsebene bewusst vorantreiben

Als viertes Themenfeld nennt der Bericht die notwendige Verbesserung der Governance-Strukturen zur Umsetzung der FTI-Strategie. Der Rat empfahl hier, einen aktiven und umfassenden FTI-politischen Reformprozess zu initiieren, um die Umsetzung der Strategie entschiedener voranzutreiben, der auf der höchsten politischen Ebene getragen wird. Für einen solchen Prozess ist aus Sicht des Rates eine "Reformagenda FTI" unter Leitung des Bundeskanzleramtes und in Kooperation mit allen für FTI verantwortlichen Ministerien erforderlich. Die Reformagenda sollte in den Vorhaben der Bundesregierung verankert und mit politisch verbindlichen sowie konkreten und quantifizierbaren Zielvorgaben versehen werden. Aus diesen Vorgaben wiederum müssten sich klare Aufträge an die bestehende "Task Force FTI" ableiten, die aus Sicht des FT-Rats ihre Steuerungsfunktion für den Umsetzungsprozess der FTI-Strategie verstärkt wahrnehmen muss.

Anteil privater F&E-Mittel erhöhen

Schließlich sprach sich der Rat für eine Forcierung der Maßnahmen zur Erhöhung des privaten Anteils der F&E-Finanzierung aus. Dies könne beispielsweise durch verbesserte Rahmenbedingungen für philanthropische Zuwendungen und Spenden, für das Stiftungsrecht oder für private Risikofinanzierung erreicht werden. Wesentlich dabei ist für den FT-Rat, dass der Einsatz öffentlicher Mittel sich darauf konzentriert, eine Hebelwirkung im Sinne eines stärkeren Anreizes für mehr private F&E-Ausgaben und einer Hebung des privaten Finanzierungsanteils zu erzielen. (Schluss) sox