Parlamentskorrespondenz Nr. 1028 vom 05.10.2017

Neu im Verfassungsausschuss

ÖVP will Schuldenbremse in der Verfassung verankern und budgetrelevante Gesetzesbeschlüsse in Wahlkampfzeiten unterbinden

ÖVP schlägt Verankerung einer "Schuldenbremse" in der Verfassung vor

Wien (PK) – Die ÖVP schlägt die Verankerung einer "Schuldenbremse" in der Verfassung vor (2323/A). Zwar sind Bund, Länder und Gemeinden schon nach der geltenden Rechtslage verpflichtet, im Zuge ihrer Haushaltsführung ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben, die ÖVP vermisst aber  konkrete verfassungsrechtliche Vorgaben nach dem Vorbild Deutschlands und der Schweiz. Auch die ergänzenden Bestimmungen im Bundeshaushaltsgesetz, wonach das strukturelle Defizit des Bundes grundsätzlich mit 0,35% des BIP pro Jahr zu begrenzen ist, gehen ihr zu wenig weit.

Die nunmehr von den Abgeordneten Wolfgang Gerstl und Gabriele Tamandl vorgeschlagene Verfassungsnovelle lehnt sich an den Bestimmungen des Bundeshaushaltsgesetzes an, geht aber in einigen Punkten darüber hinaus und enthält auch Regelungen für Länder und Gemeinden. Für sie soll eine gemeinsame Defizitgrenze von 0,1 % des BIP gelten. Außerdem will die ÖVP Bund, Länder und Gemeinden dezidiert zur Erfüllung haushaltsrechtlicher EU-Vorgaben verpflichten. Finanzielle Sanktionen, die die EU verhängt, wären im Verhältnis der Verursachung zu tragen. Eine verfassungsrechtliche Schuldenbremse wäre wesentlich effektiver als die geltenden Bestimmungen und würde Haushaltsplanung und Haushaltsvollzug transparenter machen, sind Gerstl und Tamandl überzeugt.

Der Antrag wird aufgrund einer Fristsetzung auf der Tagesordnung der Nationalratssitzung am 12. Oktober stehen. Für eine Beschlussfassung ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Verpflichtende Begutachtung soll überhastete Gesetzesbeschlüsse verhindern

Ein weiterer Antrag der ÖVP auf Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (2324/A) zielt zum einen darauf ab, budgetrelevante Beschlüsse in Wahlkampfzeiten zu unterbinden. Außer bei Gefahr in Verzug, etwa bei Naturkatastrophen, soll der Nationalrat künftig nach der Anordnung von Neuwahlen durch die Bundesregierung keine Gesetzesbeschlüsse mehr fassen dürfen, die sich auf die Haushaltsführung des Bundes der nachfolgenden Gesetzgebungsperiode auswirken. Damit wollen Gerstl und Tamandl kostspielige Wahlzuckerl verhindern.

Um überhastete Gesetzesbeschlüsse zu vermeiden, schlagen die beiden Abgeordneten darüber hinaus ergänzend ein verpflichtendes Begutachtungsverfahren für sämtliche Gesetzesvorschläge vor. Auch bei Initiativanträgen von Abgeordneten wäre demnach der Öffentlichkeit und betroffenen Institutionen künftig, analog zu Ministerialentwürfen, Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer angemessenen Frist zu geben. Anderenfalls wäre der Gesetzesbeschluss verfassungswidrig. Ausnahmen sieht der Antrag nur bei "Gefahr in Verzug" vor, wenn also eine rasche Beschlussfassung zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr notwendig wäre.

In Bezug auf die Gestaltung des Begutachtungsverfahrens enthält der Antrag keine gesetzlichen Vorgaben. In den Erläuterungen wird aber auf die derzeitige Praxis bei Ministerialentwürfen hingewiesen. Gerstl und Tamandl gehen außerdem davon aus, dass bei einer umfassenden Änderung eines Gesetzentwurfs im Zuge des parlamentarischen Verfahrens eine neuerliche Begutachtung notwendig wäre, wenn sich die vorgenommenen Abänderungen nicht auf im Begutachtungsverfahren eingebrachte Stellungnahmen beziehen. Nicht von der Vorgabe betroffen wären Gesetzesanträge von Ausschüssen, die in Zusammenhang mit einem behandelten Gesetz stehen.

Die neue Verfassungsbestimmung würde garantieren, dass alle "Stakeholder" gehört werden und alle Bürgerinnen und Bürger, die von einem Gesetzesvorhaben betroffen sein können, die Möglichkeit haben, zu diesem Stellung zu nehmen, wird in den Erläuterungen angemerkt. Zudem würde das politische Geschehen dadurch insgesamt transparenter. (Schluss) gs