Parlamentskorrespondenz Nr. 1204 vom 20.12.2017

Bundesregierung verspricht neuen Stil und Willen zur Veränderung

Regierungserklärung von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache im Nationalrat

Wien (PK) – Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache stellten heute im Nationalrat den Abgeordneten ihr Regierungsprogramm und das Regierungsteam vor. Beide betonten, dass sich die Wählerinnen und Wähler am 15. Oktober für eine Veränderung entschieden haben, der sich das Regierungsprogramm verpflichtet fühle. Es gelte, Chancen zu nützen und Fehlentwicklungen entgegenzusteuern. Sie appellierten an einen respektvollen Umgang miteinander und versprachen einen neuen Stil. Der Bundeskanzler unterstrich insbesondere das Bekenntnis zu Europa und erteilte dem Antisemitismus eine klare Absage.

Kurz: Veränderung lässt sich nicht aufhalten

"Veränderung ist etwas, über das man unterschiedlicher Meinung sein kann, aber sie ist nichts, was sich aufhalten lässt", betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Beginn seiner Regierungserklärung. Veränderung schaffe Hoffnung und Chancen, sie bringe manchmal aber auch Reibung und Unsicherheit, räumte er ein. In diesem Zusammenhang bat er um das Vertrauen der Bevölkerung für den neuen Weg.

Die Regierung verfolge das Ziel, Österreich wieder an die Spitze zu führen. Die neu gewählte Bundesregierung werde daher  Richtungsentscheidungen zu treffen haben, denn einiges habe sich in den letzten Jahren verschlechtert, wie etwa die Sicherheitslage und das Zusammenleben durch die Migrationskrise. Man wolle weiter vorne sein, wenn es um Fortschritt und Wettbewerbsfähigkeit geht, und näher dran sein, wenn es um das Fortkommen des Einzelnen geht, so Kurz. All diese Ideen und Ambitionen seien in dem 180 Seiten starken Koalitionsprogramm zusammengefasst. 

In diesem Zusammenhang versprach er: "Unser Weg wird nicht beendet sein, bevor Österreich nicht besser dasteht, als es heute dasteht." Konkret sagte er zu, dass der Weg nicht beendet sein werde, bevor den arbeitenden Menschen nicht wieder mehr zum Leben bleibt. Deshalb wolle man die Steuer- und Abgabenquote auf 40% senken und mit der Verringerung der Steuerlast gleich bei den niedrigeren Einkommen anfangen. Man werde zudem dafür Sorge tragen, dass die Sozialsysteme wirklich treffsicher sind. Dementsprechend beabsichtige die Regierung, die Mindestsicherung zu überarbeiten und Ungerechtigkeiten im System zu beenden. Weitere zentrale Vorhaben betreffen mehr Ordnung und Sicherheit und die Kontrolle der Zuwanderung. Auf europäischer Ebene werde man daher weiter für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen eintreten und gegen die illegale Migration ankämpfen.

Der Bundeskanzler sprach auch die Vorhaben im Bildungsbereich an und stellte klar, kein Kind dürfe die Schule verlassen, ohne ordentlich rechnen, schreiben und lesen zu können. Durch die geplante Bildungspflicht werde die Schulpflicht nicht nach 9 Jahren vorbei sein, sondern erst, wenn Mindeststandards erfüllt sind. Zudem müsse man das Land auf die Chancen der Digitalisierung vorbereiten, um sie voll nützen zu können.

Bekenntnis zur Vergangenheit, zur EU und zu einem neuen Stil

In seiner Regierungserklärung gab der Bundeskanzler drei zentrale Bekenntnisse ab, die der Regierung, wie er sagte, auf dem Weg Halt geben werden: Das seien die Bekenntnisse zu unserer Vergangenheit, zur Europäischen Union und zu einem neuen Stil.

Im Hinblick auf die Feiern zum hundertjährigen Bestehen der Republik im kommenden Jahr aber auch auf die "beschämenden und traurigen Ereignisse rund um den März 1938", unterstrich Kurz dezidiert, dass Antisemitismus in Österreich keinen Platz hat. Es liege in unserer Verantwortung, gegen noch bestehenden aber auch gegen neu importierten Antisemitismus anzukämpfen.

Er habe auch immer klar gesagt, dass diese Regierung eine pro-europäische sein werde und das Programm unterstreiche dies. Den Ratsvorsitz in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 bezeichnete Kurz als eine Chance, aktiv mitgestalten zu können und einen positiven Beitrag zur Zukunft der EU zu leisten. "Wir werden uns dieser Verantwortung als verlässlicher Partner stellen", so der Bundeskanzler. Man wolle in Brüssel mit einer Stimme sprechen und eine gesamtösterreichische einheitliche Haltung vertreten, unterstrich er und bekräftigte einmal mehr, dass sich die EU den großen Themen, wie dem Schutz der Außengrenzen oder der Terrorbekämpfung, stärker widmen müsse. Aus kleinen Fragen sollte sich die EU jedoch zurücknehmen.

Mehrmals betonte der Bundeskanzler, einen neuen Stil pflegen zu wollen, der auf den Werten wie Respekt, Anstand und Hausverstand gegründet ist. Kurz wünscht sich eine beiderseitige respektvolle Zusammenarbeit mit den Abgeordneten, denn das sei "der größte Dienst, den man der Demokratie erweisen" könne. Er sei sich dessen bewusst, dass es die Aufgabe der Opposition ist, die Regierung zu kontrollieren, zu fordern und auch zu kritisieren, und er wisse, dass die Opposition mit dem Regierungsprogramm nicht einverstanden sei. Das respektiere er, er bitte aber die Opposition ihrerseits zu respektieren, dass das Regierungsprogramm nichts anderes ist, als die Umsetzung von Versprechen, die man vor der Wahl gegeben habe.

Die Bundesregierung stehe im Dienst der Menschen in diesem Land und unter Anstand verstehe er auch, mit der von den Bürgerinnen und Bürgern geliehenen Macht sorgsam umzugehen. Er wolle keine Politik von oben herab betreiben, keine Politik der Bevormundung, sondern den gesunden Hausverstand stets als Kompass für die Politik nehmen. Wer an Österreich glaubt, könne auch an seine Menschen glauben, an ihre Eigenverantwortung, an ihren Weitblick und an ihre Vernunft, beteuerte er.

Strache: Antrieb in die Regierung zu gehen, war, die Zukunft besser zu gestalten

Der Antrieb, in die Regierung zu gehen, sei es gewesen, die Zukunft besser zu gestalten, warb auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache für den Weg der Veränderung. Die Wahl habe den nachhaltigen Wunsch nach Veränderung sichtbar gemacht, sagte er. Es gehe darum, die Interessen, Sorgen und Nöte der Menschen ernst zu nehmen. Das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler dürfe nicht enttäuscht werden. "Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen, um das Schiff Österreich wieder auf Kurs zu bringen", sagte er, und dafür seien viele kleine Schritte notwendig. Auch Strache lud die Opposition ein, sich aktiv einzubringen und respektvoll miteinander umzugehen.

Der neue Vizekanzler räumte ein, dass seine Partei nicht mit allen Vorhaben, die man im Wahlkampf angekündigt hat, in den Koalitionsverhandlungen durchgekommen ist. Es sei aber gelungen, dass jede Partei ihre Wahlversprechen zu 75% umsetzen könne. So wäre etwa den Freiheitlichen eine Volksabstimmung über CETA wichtig gewesen, diese sei aber innerhalb der ÖVP eine rote Linie gewesen. Ähnlich stelle sich die Situation bei der Frage der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft. Dazu brauche es einen Partner, stellte Strache fest. Er werde jedoch Gespräche mit den Sozialpartnern in Hinblick auf weitere Reformen führen, kündigte er an. Auch bei der direkten Demokratie habe man sich eine niedrigere Hürde für Volksabstimmungen gewünscht, dennoch sei es gelungen, erstmals Volksinitiativen möglich zu machen, zeigte sich Strache erfreut. Wäre man in einigen Bereichen nicht kompromissbereit gewesen, wäre die Alternative eine Regierungskonstellation gewesen, die am 15. Oktober abgewählt wurde. 

Den Freiheitlichen sei es wichtig gewesen, dass die zukünftige Politik entscheidende Richtungsänderungen vornimmt. Dabei komme den Themen Ordnung und Sicherheit eine wesentliche Rolle zu. Man werde klar zwischen Zuwanderung und Asyl trennen, Schutz auf Zeit werde jenen Menschen geboten, die wirklich vor Verfolgung flüchten müssen. Die legale Migration sei auf das Bedürfnis Österreichs auszurichten, sagte Strache, keineswegs dürfe es eine Zuwanderung in den österreichischen Sozialstaat geben. Man wolle Menschen holen, die bereit sind, einen positiven Beitrag zu leisten. Der Vizekanzler machte klar, dass die illegale Zuwanderung gestoppt werden müsse, und kritisierte das Versagen bei der Sicherung der Außengrenzen. Die Regierung werde auch eine europarechtskonforme Indexierung der Familienbeihilfen einführen, hielt er fest.

Was die Verwaltungsreform betrifft, so ist es dem Vizekanzler wichtig, die vielen Ineffizienzen und Doppelgleisigkeiten abzustellen und eine Transparenzdatenbank einzuführen. Er bekräftigte zudem das Vorhaben, die Anzahl der Sozialversicherungsträger auf fünf zu reduzieren, die Steuer- und Abgabenquote auf 40% zu senken und das Steuersystem zu vereinfachen. In diesem Zusammenhang kündigte er eine umfassende Reform des Einkommensteuergesetzes an. Auch soll die Schuldenquote verringert werden. Bei der Steuersenkung fange man gleich bei den kleinen Einkommen an, indem ein Familienbonus plus in Form eines Abzugsbetrags von 1.500 € pro Kind und Jahr den Familien zugutekommen soll. Das verstehe er unter sozialer Verantwortung und Gerechtigkeit. Strache ging auch auf den Nichtraucherschutz ein, der ihm wichtig sei, wobei es aber ihm zufolge auch um die Selbstbestimmung des einzelnen geht.

Strache bekannte sich in seiner Rede auch zu Europa als einem Projekt, das wesentlich beigetragen habe, den Frieden zu erhalten. Er wolle jedoch keinen zentralistischen Superstaat, stellte er klar, weshalb das Subsidiaritätsprinzip vorangetrieben werden müsse. Ziel sei "weniger, aber effizienter", betonte er und unterstrich, dass die Neutralität wieder mehr gelebt werden müsse. Der Vizekanzler sah auch für die Türkei – wie auch Bundeskanzler Kurz zuvor – keine Zukunft als Mitglied der EU und sprach sich für den Abbruch der Beitrittsverhandlungen aus. Vielmehr brauche es ein europäisches Nachbarschaftskonzept, fügte er hinzu.

Strache verteidigte weiters das Ziel einer doppelten Staatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen und erklärte, dass dieser Wunsch von vielen Seiten an die Regierung herangetragen worden sei. (Fortsetzung Nationalrat) jan

HINWEIS: Fotos von dieser Regierungserklärung finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/fotos.