Parlamentskorrespondenz Nr. 1206 vom 20.12.2017

Nationalrat: Unterschiedliche Beurteilung des Regierungsprogramms durch Opposition und Koalitionsparteien

Debatte zur Regierungserklärung, 2

Wien (PK) – Eine umfassende Diskussion fand im Anschluss an die Regierungserklärung im Nationalrat statt. Nachdem die Klubobleute die Debatte darüber eröffnet hatten, ergriffen zahlreiche Abgeordnete das Wort und sprachen dabei die unterschiedlichsten Themen an.

Regierung will Abgabenquote senken

Entlasten statt belasten, so das Motto von Peter Haubner (ÖVP), der den Weg zur Reduktion der Abgabenquote gemeinsam gehen will. Das Regierungsprogramm soll außerdem Impulse für neue Arbeitsplätze setzen, die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs stärken und mehr Flexibilität für ArbeitnehmerInnen bringen, sagte er. Regelmäßige 12-Stunden-Tage seien nicht vorgesehen, vielmehr gehe es bei der Neuregelung um eine Verbesserung der Selbstverantwortung der MitarbeiterInnen, stellte er klar.

Laut Fraktionskollege Karlheinz Kopf drückt die Abgabenquote den Umfang der staatlichen Einmischung ins Leben der BürgerInnen aus. Diese sei zu hoch, erläuterte er und stellte die Pläne zur Steuersenkung vor. Neben dem Familienbonus, der Senkung der Lohnnebenkosten, der Verringerung der Umsatzsteuer für Nächtigungen und einer Reduktion der Körperschaftsteuer soll das gesamte Steuersystem vereinfacht und Maßnahmen gegen Steuerflucht gesetzt werden.

Barbara Krenn, ebenso von der ÖVP, war über das Bekenntnis zur Tourismuswirtschaft erfreut. Die Rahmenbedingungen sollen verbessert und auch der Erfolg der letzten Jahre ausgebaut werden. Im Sinne des Österreich-Tourismus plädierte sie für einen leistbaren Skisport.

Familienbonus führt zu Diskussionen

Als Glücksfall für Österreich und Leuchtturm, der zur Orientierung diene und Schäden abwende, bezeichnete der FPÖ-Abgeordnete Johann Gudenus das Regierungsprogramm. Wichtig war ihm, der illegalen Migration ein Ende zu setzen und Wien von der Position des Magneten für MigrantInnen zu entkoppeln. In einem Höchststeuerland wie Österreich müsse die Abgabenquote reduziert werden, meinte er und wies in diesem Zusammenhang auf den geplanten Familienbonus hin. Dieser sei eine echte Entlastung für Familien, so Gudenus.

Niedrige Einkommen zu entlasten, sei der Regierung nicht gelungen, meinte hingegen Bruno Rossmann von der Liste Pilz. Vielmehr stehe das unterste Einkommensdrittel als Verlierer des Regierungsprogramms da, sagte er im Hinblick auf den Familienbonus und die Einführung von Studiengebühren. Rossmann empfand das Regierungsprogramm daher als "Schande" für das viertreichste Land der EU.

Auch Andreas Schieder von der SPÖ ortete zahlreiche Rückschritte im Regierungsprogramm, beispielsweise beim 12-Stunden-Tag, beim Thema Rauchen und bei der Bildung. Vom Kinderbonus habe ein Drittel der betroffenen Personen nichts, kritisierte er. Neben der Einführung von Studiengebühren sollen die Mitspracherechte der Österreichischen Hochschülerschaft gekürzt werden, so sein weiterer Vorwurf. Im Regierungsprogramm wird auf die Zukunft Österreichs vergessen, meinte er und sah darin keinen guten Weg.

Verwaltung soll reformiert werden

Lücken im Regierungsprogramm fand Irmgard Griss (NEOS) vor allem bei der Verwaltungsreform. Dabei gebe es in Österreich ein Umsetzungsproblem, zumal in den letzten Jahren trotz Veränderungswille nichts verändert wurde, sagte sie. Griss wollte außerdem den Schleier des Amtsgeheimnisses lüften und das Recht auf Informationsfreiheit festschreiben.

Der neue Minister für Reform und Justiz, Josef Moser, habe nun die Möglichkeit, jene Vorschläge umzusetzen, die er als Rechnungshofpräsident unterbreitet hat, war Wolfgang Zanger (FPÖ) überzeugt und lobte die Wahl der Regierungsmitglieder.

Breitflächige Überwachung ist nicht gewünscht

Soziale Kälte vernahm Alma Zadić (PILZ) aus dem Regierungsprogramm, nicht zuletzt im Hinblick auf den Familienbonus. Dieser bediene GutverdienerInnen während SchlechtverdienerInnen leer ausgehen, sagte sie. Außerdem vermisste sie echte Integrationsmaßnahmen. Kritik äußerte sie außerdem an den Bundestrojanern, die umfassend Daten überwachen, sowie am geplanten Ausbau der Gesichtsfelderkennung.

Gegner der Überwachung in der Breite war auch Harald Stefan von der FPÖ. Es sei keine massenwirksame Überwachung angedacht, versicherte er und wies auf jene Rechtsvorschrift hin, die ein Verwertungsverbot für Informationen aus illegaler Überwachung vorsieht. Verbesserungen soll es laut Stefan bei der Briefwahl geben. Diese könne derzeit die Einhaltung der Wahlgrundsätze nicht sicherstellen. Durch die Pflicht zur persönlichen Abholung soll künftig gewährleistet werden, dass die Möglichkeit zur Stimmabgabe ohne Fremdeinwirkung besteht. Das Modell lasse aber weiterhin die von den WählerInnen gewünschte Flexibilität zu, zeigte er sich überzeugt.

Die NEOS lesen aus dem Regierungsprogramm den Ungeist des Überwachungsstaats heraus. Im Bereich Sicherheit war Nikolaus Scherak insbesondere von der FPÖ enttäuscht, die seiner Ansicht nach ihre Prinzipien verletzt habe.

Gegen die Einführung von allgemeinen Studiengebühren stellte sich die SPÖ-Abgeordnete Andrea Kuntzl. Die im Regierungsprogramm als moderat bezeichneten Studiengebühren müssten 2.500 € pro Semester betragen, um wie angedacht den privaten Finanzierungsanteil auf 0,5% des BIP zu heben, sagte sie. Dadurch würden potenzielle Studierende von ihrem Studium abgehalten, so Kuntzl. (Fortsetzung Nationalrat) gro