Parlamentskorrespondenz Nr. 60 vom 01.02.2018

Neu im Justizausschuss

Anträge der Opposition zu den Themen Gruppenklage, Finanzprodukte, Gerichtsgebühren und Ehe für alle

Wien (PK) – Die Opposition greift in einer Reihe von Anträgen die Problematik des kollektiven Rechtsschutzes bei Massenschäden auf. SPÖ und Liste Pilz drängen dabei auf ein Gruppenverfahrengesetz bzw. ein Verbandsmusterfeststellungsklagegesetz sowie auf Änderungen im Konsumentenschutzrecht. Weitere Initiativen der Liste Pilz befassen sich mit den Gerichtsgebühren und dem Risiko bei Finanzprodukten. Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist schließlich Gegenstand einer Initiative der SPÖ, in der gesetzliche Änderungen im Lichte der VfGH-Entscheidung gefordert werden.

SPÖ und Liste Pilz schlagen Reform des kollektiven Rechtsschutzes vor

"Die herkömmlichen Möglichkeiten des österreichischen Zivilprozessrechts reichen zur Bewältigung von Massenverfahren nicht aus", schicken die beiden SPÖ-Abgeordneten Johannes Jarolim und Markus Vogl in ihrem Initiativantrag (96/A) betreffend ein Gruppenverfahrensgesetz voraus. Der Gesetzesvorschlag baut dabei in weiten Teilen auf dem bereits verhandelten Reformentwürfen der Jahre 2007 und 2008 auf und berücksichtigt zudem die zwischenzeitig gemachten zahlreichen Erfahrungen aus der Praxis in der Abwicklung von Massenschäden. So ist der Anwendungsbereich breit gestaltet und beschränkt die Verfahren nicht mehr allein auf Ansprüche von VerbraucherInnen. Ein niederschwelliger Zugang zum Gruppenverfahren soll die Einleitung des Verfahrens bereits dann ermöglichen, wenn mindestens zehn Personen Ansprüche geltend machen, die gleiche Tat- oder Rechtsfragen aufwerfen. Gruppenverfahren entfalten überdies keine Sperrwirkung gegenüber Individualverfahren.

Der SPÖ-Antrag enthält auch Bestimmungen über so genannte Musterverfahren zur Klärung strittiger Rechtsfragen, die für eine große Zahl von Ansprüchen von Bedeutung sein können. Die Verjährungsfrist für alle betroffenen Ansprüche sollte zudem von der Veröffentlichung der Musterklage bis zum Ablauf von sechs Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Musterverfahrens gehemmt sein. Teil der Initiative der Sozialdemokraten ist schließlich auch eine Neuregelung der Gewinnabschöpfung im Konsumentenschutzgesetz für vergleichsweise niedrige Schäden, bei denen kein Anreiz für eine individuelle Rechtsverfolgung besteht. Aus generalpräventiven Erwägungen sei sicherzustellen, dass sich rechtswidriges Verhalten auch in jenen Bereichen nicht lohnt, wo Lenkungs- und Kompensationsfunktionen des Haftungsrechts versagen, heißt es dazu in der Begründung des Antrags.

Gerade der VW-Abgasskandal habe gezeigt, dass in Österreich bei der Abwicklung von Massenschadensfällen ein eklatantes Rechtsschutzdefizit besteht, befindet auch Peter Kolba. Der Verbrauchersprecher der Liste Pilz drängt ebenfalls auf eine Reform des kollektiven Rechtsschutzes und schlägt in einem Initiativantrag (82/A) ein Verbandsmusterfeststellungsklagegesetz vor, wobei er sich im Wesentlichen an den Eckpunkten der SPÖ-Initiative orientiert. Die Hemmung der Verjährungsfrist im Verbandsmusterverfahren sollte nach seinen Intentionen allerdings neun Monate betragen, bei der Gewinnabschöpfung wiederum geht Kolba von höheren Prozentsätzen als der SPÖ-Antrag aus.

Grenzüberschreitende Massenschäden: Liste Pilz fordert Spezialtatbestand für Verbraucherverbände

Die Entscheidung des EuGH in der Causa Max Schrems gegen Facebook Grenzüberschreitende Massenschäden: Liste Pilz fordert wirft für die Liste Pilz einen weiteren problematischen Aspekt bei der grenzüberschreitenden Rechtsverfolgung von Massenschäden auf. Grenzüberschreitende Sammelklagen nach österreichischem Recht, bei denen die Ansprüche von Verbrauchern an einen Verband oder an eine Einzelperson abgetreten werden, seien nicht möglich, wenn das beklagte Unternehmen keinen Sitz in Österreich hat bzw. kein Spezialtatbestand zur Anknüpfung der Zuständigkeit vorliegt, gibt Peter Kolba zu bedenken. Er fordert in einem Entschließungsantrag (89/A(E)) die Regierung auf, sich in Brüssel für eine rasche Reform der Konsumentenschutzregeln der Union einzusetzen. Konkret geht es dem Verbrauchersprecher der Liste Pilz dabei um die Schaffung eines Sondertatbestands zum Verbrauchergerichtsstand in der entsprechenden Verordnung der EU.

Liste Pilz reklamiert Verbandsklageermächtigung für die Vereine COBIN und NOYB

In einem Antrag auf Änderung des Konsumentenschutzgesetzes (81/A) weist Peter Kolba (PILZ) auf die Gefahr von Interessenskonflikten bei Verbands- oder Sammelklagen hin. Ein derartiger Konflikt könnte etwa auftreten, wenn die Wirtschaftskammer oder die Arbeiterkammer gegen eines ihrer Mitglieder vorginge. Der Mandatar der Liste Pilz empfiehlt deshalb, gemeinnützigen, von den Sozialpartnern unabhängigen Plattformen für Sammelklagen wie der zivilgesellschaftliche Initiative COBIN claims und dem Verein NOYB – European Center for Digital Rights Verbandsklageberechtigung einzuräumen.

Liste Pilz für Halbierung der Gerichtskosten bei sofortigem Vergleich

Wenn eine Rechtssache bereits in der ersten Verhandlung verglichen wird, dann sollen die anfallenden Pauschalgebühren halbiert werden, lautet die Forderung von Alfred Noll (PILZ), der entsprechende Änderungen des Gerichtsgebührengesetzes in einem Initiativantrag (80/A) vorschlägt.

Liste Pilz für verpflichtende Warnhinweise bei Verträgen über Finanzprodukte

Kleinanleger ohne besonderes Finanzwissen laufen oft Gefahr, bei Finanzprodukten, die als sicher und ertragreich beworben werden, Schaden zu erleiden, stellt Peter Kolba unter Hinweis auf jüngste Finanzskandale wie Wienwert oder KitzVenture fest. Der Verbrauchersprecher der Liste Pilz mahnt deshalb in einem Entschließungsantrag (94/A(E)) die zwingende Einfügung von Warnhinweisen bei der Werbung für Finanzprodukte ein. Vorstellbar sind für Kolba dabei Formulierungen wie "Achtung: Je höher die versprochene Rendite, desto höher das Risiko eines Totalverlusts ihres Investments" oder "Achtung: Setzen Sie nie ihr gesamtes Kapital auf ausschließlich ein Produkt, sondern streuen Sie das Risiko durch Investition in verschiedene Produkte".

Öffnung der Ehe für Homosexuelle: SPÖ drängt auf rasche Umsetzung der VfGH-Entscheidung

Die SPÖ will dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle nun durch entsprechende Gesetzesänderungen  Rechnung tragen. Nach den Intentionen eines Antrags (97/A) der Abgeordneten Andreas Schieder, Mario Lindner, Pamela Rendi-Wagner und Johannes Jarolim sollen in Zukunft homosexuelle ebenso wie heterosexuelle Paare eine Ehe im Sinne eines neuen § 44 ABGB eingehen können. Parallel dazu sollen sowohl gleichgeschlechtliche als auch verschiedengeschlechtliche Paare eine eingetragene Partnerschaft nach dem Eingetragene Partnerschafts-Gesetz (EPG) begründen können. Ein ähnlicher Antrag (9/A), den die SPÖ bereits in der ersten Nationalratssitzung eingebracht hatte, wurde nach der Ersten Lesung zurückgezogen. (Schluss) hof