Parlamentskorrespondenz Nr. 423 vom 18.04.2018

Causa BVT: SPÖ nimmt neuen Anlauf zur Einsetzung eines U-Ausschusses

Gemeinsames Verlangen mit den NEOS und der Liste Pilz im Nationalrat eingebracht

Wien (PK) – Die SPÖ nimmt einen zweiten Anlauf zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung der Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Nachdem der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats das ursprüngliche Verlangen wegen des zu ungenau formulierten Untersuchungsgegenstandes im März 2018 als "gänzlich unzulässig" zurückgewiesen hat (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 318/2018), hat die SPÖ nun gemeinsam mit den NEOS und der Liste Pilz eine neue Initiative eingebracht. Sie könnte bereits morgen in einem Geschäftsordnungsausschuss in Verhandlung genommen werden. Insbesondere geht es darum die Arbeit des BVT und etwaige politisch motivierte Einflussnahmen auf das Amt in den vergangenen zehn Jahren unter die Lupe nehmen.

Begründet wird das Verlangen auf Einsetzungen eines U-Ausschusses (3/US) damit, dass es augenscheinlich grobe Missstände im Umfeld des BVT gebe. Angeführt werden in diesem Zusammenhang u.a. bekannt gewordene Fälle offenbar pflichtwidrigen Umgangs mit Daten und anhängige Ermittlungsverfahren gegen leitende BVT-Beamte. Außerdem wird auf die ungeklärten Umstände rund um die Hausdurchsuchungen im BVT, eine daraus resultierende mögliche Gefährdung aktueller BVT-Ermittlungen im Bereich des Rechtsextremismus sowie die Heranziehung des BVT außerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereichs verwiesen. Die Ereignisse hätten nicht nur zu einer Verunsicherung der Bediensteten des BVT geführt, sondern könnten sich auch negativ auf die Zusammenarbeit anderer Geheim- und Nachrichtendienste mit dem BVT auswirken, fürchten die drei Oppositionsparteien.

Konkret durchleuchten wollen SPÖ, NEOS und Liste Pilz etwa, ob es politisch motivierte Anweisungen an das BVT gab, bestimmte Ermittlungsdaten – insbesondere hinsichtlich der Rechtsanwaltskanzlei Lansky, in Bezug auf Grün-Abgeordnete Sigrid Maurer und in Bezug auf Tierschützer – länger als zulässig zu speichern. Außerdem soll geprüft werden, inwieweit auf Ermittlungen des Extremismusreferats des BVT Einfluss genommen wurde und welche Vorwürfe von welcher Seite zu den Hausdurchsuchungen geführt haben. Weiters geht es u.a. um mögliche parteipolitisch motivierte Postenbesetzungen und Suspendierungen, die etwaige Behinderung von Ermittlungen anderer Behörden, etwa der Landesämter für Verfassungsschutz, und die Auswirkungen der BVT-Affäre auf die öffentliche Sicherheit und die Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten anderer Staaten. Schließlich ist auch die im Büro von Vizekanzler Heinz-Christian Strache gefundene angebliche Abhöranlage Teil des Untersuchungsgegenstands.

Ausdrücklich hervorgehoben wird in der Begründung des Verlangens die notwendige Beachtung des Quellenschutzes. Demnach sind in Akten und Unterlagen genannte Quellen zu anonymisieren, wenn deren Bekanntwerden die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde. Der Untersuchungszeitraum – 1. März 2008 bis 13. März 2018 – stellt auf die beiden Funktionsperioden des derzeit suspendierten BVT-Direktors Peter Gridling ab.

Ursprüngliches Verlangen der SPÖ wurde zurückgezogen

Vor der Einbringung des neuen Verlangens hatte die SPÖ die ursprüngliche Initiative zurückgezogen. Nun liegt es am Geschäftsordnungsausschuss, das neue Verlangen auf seine formale Korrektheit zu prüfen. Machen die Ausschussmitglieder keine Einwände geltend, haben sie die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses zu bestimmen, den grundsätzlichen Beweisbeschluss zu fassen sowie – auf Vorschlag des Nationalratspräsidenten – den Verfahrensrichter und den Verfahrensanwalt zu wählen. Eine Entscheidung könnte bereits diese Woche fallen. Gemäß den geltenden Bestimmungen hat der Geschäftsordnungsausschuss für seinen Bericht an den Nationalrat aber bis zu acht Wochen Zeit.

Blockieren kann der  Geschäftsordnungsausschuss einen BVT-U-Ausschuss grundsätzlich nicht, da die Oppositionsparteien zusammen über 70 Abgeordnete verfügen und damit auch das notwendige Einsetzungsquorum von einem Viertel der Abgeordneten locker erreichen. Sollte es erneut zu Differenzen über die korrekte Formulierung des Untersuchungsgegenstandes kommen, haben SPÖ, NEOS und Liste Pilz die Möglichkeit, den Verfassungsgerichtshof anzurufen. (Schluss) gs