Parlamentskorrespondenz Nr. 444 vom 20.04.2018

Weltkulturerbe Wiener Innenstadt: Blümel will Gespräch zwischen Wien und UNESCO in Gang bringen

Liste Pilz fordert in Dringlicher Anfrage zum Projekt Heumarkt rasche rechtliche Schritte des Kulturministers

Wien (PK) – Der Kultursprecher der Liste Pilz, Wolfgang Zinggl, forderte in der heutigen Sitzung des Nationalrats Kulturminister Gernot Blümel einmal mehr auf, das Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt zu stoppen. In einer Dringlichen Anfrage an den Minister wies Zinggl darauf hin, dass die UNESCO bereits in zwei Monaten die Aberkennung aussprechen könnte. Rasche rechtliche Schritte des Ministers seien daher notwendig. Mit den dreißig Fragen seiner Dringlichen Anfrage wollte Zinggl daher detailliert in Erfahrung bringen, was der Minister über die angekündigten Gespräche hinaus unternommen hat und was er in weiterer Folge tun wird, um das Immobilienprojekt am Wiener Heumarkt zu verhindern.

Zinggl: Kulturminister muss jetzt rechtliche Schritte setzen

In der Begründung der Dringlichkeit seiner Anfrage betonte Zinggl, Österreich stehe knapp davor, sich vor der Welt ernsthaft zu blamieren. Seit sechs Jahren stehe die Wiener Innenstadt auf der Tagesordnung der UNESCO. Wenn das Gremium in zwei Monaten zusammentritt, werde es darüber entscheiden, ob sie Wien den Titel Weltkulturerbe endgültig aberkenne. Bundesminister Blümel müsse jetzt handeln, denn das aktuelle Problem sei politische Untätigkeit. Zinggl wies darauf hin, dass der Kulturminister Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einlegen könne. Er habe weiters die Möglichkeit einer Weisung und er könnte selbst gesetzliche Maßnahmen setzen, um Zuständigkeiten für den Denkmalschutz zu klären.

Zinggl bezeichnete es als "Legende", dass man jetzt mit der UNESCO noch über eine Ausnahme von ihren Regeln verhandeln könne. Die UNESCO gehe stets nach festen Richtlinien vor, die sie mit den Unterzeichnern der Konvention vereinbart. Wien und Österreich hätten bei der Antragstellung auf den Titel selbst festgelegt, welcher Teil der Innenstadt als Weltkulturerbe geschützt werden soll. Auf Kritik der UNESCO am Hochhausprojekt habe Wien jedoch nur mit der Änderung der Flächenwidmung reagiert, aus Sicht Zinggls die letzte Provokation, die zur Aufnahmen in die Rote Liste geführt habe. Keinesfalls agiere die UNESCO reaktionär oder behindere eine Entwicklung von Städten, wie gelegentlich behauptet werde. Die Auflagen, die nur ein Prozent des Wiener Stadtgebietes betreffen, sind aus Sicht von Zinggl leicht erfüllbar, ohne dass dadurch eine Musealisierung Wiens droht.

Noch könne Österreich den Kurs ändern und die Flächenwidmung wieder ändern, betonte Zinggl. Diskussionen und Workshops sind aus seiner Sicht dafür jedoch zu wenig. Ein Verlust des Weltkulturerbe-Status wäre jedenfalls endgültig, warnte er. In weiterer Folge könnte man auch keine vergleichbaren Projekte mehr ablehnen. Das Baukulturerbe wäre endgültig zerstört, ohne dass Wien einen Vorteil davon hätte. In diesem Fall sei das Grundstück von der öffentlichen Hand viel zu billig verkauft worden, was der Rechnungshof auch kritisiert habe. Österreich laufe Gefahr, der Spekulation mit Grundstücken auf Weltkulturerbe Tür und Tor zu öffnen, das könne die UNESCO nicht zulassen.

Blümel: Verfassungsklage ist Ultima Ratio

Er stimme mit Zinggl in der Problemanalyse und Bewertung der Fakten weitgehend überein, sagte Kulturminister Gernot Blümel. Auch er sei der Meinung, dass Weltkulturerbe und Stadtentwicklung miteinander vereinbar sind und halte es für peinlich, dass Wien auf die Rote Liste der UNESCO gesetzt wurde. Er habe bereits als Stadtrat vielfach darauf hingewiesen, dass der Umgang mit den Bauschriften im Ersten Bezirk nicht den Vorstellungen der UNESCO entsprechen. Als Kulturminister habe er mit der bisher geübten Praxis gebrochen, wonach das Bundeskanzleramt stets nur die Meinung der Stadt Wien an die UNESCO weitergegeben hat, ohne selbst Stellung zu beziehen. Tatsache sei allerdings, dass die Gesprächsbasis zwischen Wien und UNESCO zuletzt nicht mehr gegeben war. Diesen Teufelskreis wolle er durchbrechen.

In seiner Beantwortung der Fragen Zinggls legte Blümel den Fahrplan für das weitere Vorgehen dar. Die Eintragung in die Rote Liste der UNESCO muss aus seiner Sicht der Beginn eines intensiven Dialogs mit diesem Gremium sein, diesen wolle er wieder in Gang bringen. Die weitere Vorgangsweise machte Blümel dabei von der Stellungnahme der Stadt Wien abhängig. Zum jetzigen Zeitpunkt seien Entscheidungen auf politischer Ebene gefragt. Rechtliche Schritte sieht Blümel als letzte Maßnahme. Er habe sich auch mit der Frage einer Verfassungsklage befasst, erklärte Blümel. Dieser Schritt sei für ihn allerdings die Ultima Ratio und nicht ohne Risiko, da der Ausgang ungewiss sei. Daher wolle er ihn erst anwenden, wenn der Dialog nicht zum Erfolg führt. Zuerst sei es wichtig, auf eine sachliche Gesprächsebene zurückzukehren. Dabei wolle er nicht über Versäumnisse der Vergangenheit reden, sondern über die Zukunft. Hier werde er sich intensiv in die Gespräche einbringen, versprach er.

Denkmalschutz im Spannungsfeld von Bundes- und Länderkompetenzen

Zinggls Fraktionskollege Alfred Noll begrüßte das Engagement des Kulturministers. Grundsätzlich stimme man mit dem Minister überein. Die Beschreitung des Rechtswegs schließe allerdings nicht aus, dass man gleichzeitig Gespräche führe. Schließe der Minister Rechtsmittel aus, verzichte er auf ein wichtiges Druckmittel. Eine Zurückziehung einer Klage sei immer möglich. Das gelte auch für die Verfassungsklage, er rate dem Minister jedoch, glaubwürdig in Aussicht stellen, dass er zu diesem Mittel zu greifen bereit ist, um ein Umdenken herbeizuführen.

In der Analyse sei er mit Zinggl einig, sagte ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl. Niemand in Österreich bestreite, dass man das Weltkulturerbe erhalten müsse, einzig die Wiener rot-grüne Stadtregierung scheine anderer Ansicht zu sein. Käme die Stadt Wien ihren Aufgaben bei Denkmalschutz und der Erfüllung der UNESCO-Auflagen nach, müsste man diese Diskussion heute nicht führen. Das Problem sei jedoch, dass über Jahre hinweg in der Frage des Heumarkts die Stadt Wien Stellungnahmen abgegeben habe, wonach es kein Problem gebe, die vom Bundeskanzleramt einfach an das UNESCO-Hauptquartier weitergeleitet wurden. Nun gebe es jedoch erstmals mit dem Vizekanzler und dem Kulturminister zwei Regierungsmitglieder, die versuchten, zu retten, was zu retten ist. Gerstl rief dazu auf, den Kulturminister bei seinem Kampf für das Weltkulturerbe zu unterstützen.  

SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda ortete einen Widerspruch zwischen den Ankündigungen von Kulturminister Blümel und seinen Handlungen. Er ließ den Vorwurf nicht gelten, dass er selbst sich als Kulturminister nicht ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Die besondere Dringlichkeit der Frage am heutigen Tag sehe er allerdings nicht. Wien sei eine bedeutende und lebendige Kulturstadt, für ihn besteht keine unmittelbare Gefahr, dass Wien diesen Status verlieren könnte. Im Denkmalschutz müsse jeder Fall genau geprüft werden. Die Diskussion um das Projekt Heumarkt werde jedenfalls seit Jahren ernsthaft geführt und ein Ausgleich zwischen Investoren und öffentlichem Interesse gesucht. Damit sei man auch erfolgreich gewesen. Das Projekt beruhe auf einem internationalen Wettbewerb und entspreche höchsten architektonischen Standards, unterstrich Drozda. Es stimme auch nicht, dass damit weitere Hochhausprojekte in der Wiener Innenstadt möglich wären. Der Gemeinderat der Stadt Wien habe hier einstimmig einen klaren Beschluss gefasst.

Aus Sicht des Kultursprechers der FPÖ, Walter Rosenkranz, ist die Frage des Weltkulturerbes eine österreichweite Frage und nicht auf Wien beschränkt. Tatsächlich bestehe eine starke Spannung zwischen Bundes- und Landeskompetenzen bei den Fragen von Denkmalschutz, Flächenwidmung und Bauordnung. Kein Verständnis hat Rosenkranz dafür, dass man den Canaletto-Blick auf Wien riskiert. Es gebe genug Möglichkeiten, moderne Architektur an anderer Stelle zu verwirklichen. Das Grundproblem beim Projekt Heumarkt ortete Rosenkranz darin, dass die rot-grüne Stadtregierung unter sehr merkwürdigen Umständen das Projekt eines Investors genehmigt habe. Die Bundesregierung sei sich einig, dass dieses Projekt verhindert werden muss. Eine Verfassungsbeschwerde sei in Ausarbeitung, die Einbringung ist aus seiner Sicht allerdings erst sinnvoll, wenn sie realistische Chancen auf Erfolg hat.

Seitens der NEOS kritisierte Michael Bernhard die mangelnde Einbindung der BürgerInnen in die Fragen der Raumordnung und Stadtentwicklung. Die Menschen müssten viel stärker bei der Entwicklung des städtischen öffentlichen Raums eingebunden werden. Die NEOS hätten dazu Bürgerräte vorgeschlagen, die per Los ermittelt werden, um die Verwaltung zu bestimmten Projekten zu beraten. Ein weiteres Problem sei, dass die großen Bauprojekte der Stadt Wien, aber auch aller anderen Bundesländer, völlig intransparent ablaufen. Die Länder haben aus Sicht von Bernhard zu viele Möglichkeiten, Steuergeld unkontrolliert auszugeben. Der Heumarkt ist für Bernhard daher nur eines der Symptome für einen fehlgeleiteten Föderalismus, das Problem des Parteiensystems und der mangelnden Mitsprache der BürgerInnen.

Das Thema sei sehr wohl dringlich, betonte Wolfgang Zinggl in einer zweiten Wortmeldung. Für weitere Beschwichtigungen und Relativierungen habe er jedenfalls kein Verständnis, sagte er in Richtung SPÖ. Er forderte den Kulturminister auf, jetzt Rechtsklarheit schaffen, anstatt weitere Gespräche führen. Nur wenn er einen der möglichen rechtlichen Schritte tatsächlich setze, werde er glaubwürdig und könne Druck aufbauen. Zinggl stellte auch die Frage in den Raum, ob FPÖ und ÖVP den Heumarkt nur als Wahlkampfthema gegen die rot-grüne Koalition in der Wiener Stadtregierung einsetzen wollen, ohne an einer tatsächlichen Verhinderung des Projekts Interesse zu haben. (Fortsetzung Nationalrat) sox  


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