Parlamentskorrespondenz Nr. 455 vom 24.04.2018

NR-Präsident Sobotka: Ich möchte ein sichtbareres Europa!

Sobotka macht sich bei der Konferenz der ParlamentspräsidentInnen in Tallinn für eine engere Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen stark

Wien/Tallinn (PK) – "Ich möchte ein sichtbareres Europa!", unterstrich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka heute gegenüber seinen EU-AmtskollegInnen in Tallinn. Der Nationalratspräsident hält sich derzeit mit Bundesratspräsident Reinhard Todt anlässlich der Konferenz der 28 ParlamentspräsidentInnen der Europäischen Union in der estnischen Hauptstadt auf. Hauptthemen sind die Zukunft Europas sowie die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sobotka war neben seinen Amtskollegen Wolfgang Schäuble und Francois de Rugy einer der sechs PräsidentInnen, die zum Thema europäische Sicherheit das Wort ergriffen. Er legte den Fokus dabei auch auf die Schwerpunkte der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft sowie auf die sukzessive Heranführung des Westbalkans an die Europäische Union.

"Ich möchte ein lösungsorientiertes Europa, das sich der großen Fragen annimmt und im Sinne der Subsidiarität regionale und kleine Fragestellungen in der Souveränität der Mitgliedsstaaten belässt," sagte Sobotka. "Die Souveränität Europas und der einzelnen Mitgliedstaaten müssen sich ergänzen und sollten keinesfalls in Konkurrenz zueinander stehen. Damit bleibt ein starkes Europa gleichzeitig auch Ausdruck der Vielfalt".

Sobotka warnt vor gezielter Desinformation: "Das berührt den Kern unserer parlamentarischen Demokratie"

Indem Sobotka das Motto der österreichischen Ratspräsidentschaft "Ein Europa, das schützt" unterstrich, plädierte er vor allem dafür, Sicherheit in einem umfassenden Sinn zu begreifen. Man müsse nicht nur entschlossen und koordiniert gegen Bedrohungen der inneren Sicherheit wie Terrorismus, Cyberkriminalität und religiösen Radikalismus vorgehen, sagte der Nationalratspräsident, sondern die EU müsse auch über die notwendigen Mittel und Strukturen verfügen, um ihre Außengrenzen wirksam zu schützen. In diesem Zusammenhang machte er deutlich, dass man nicht umhin kommen werde, auch eine Debatte über einen europäischen Islam zu führen. Zudem sieht er insbesondere auch die Notwendigkeit, dass die EU für Sicherheit und Stabilität in ihrer Nachbarschaft sorgt.

Konkret forderte Sobotka Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzierung terroristischer Aktivitäten, Deradikalisierung sowie Schritte zur Eindämmung von Terrorpropaganda im Internet. Als eine Bedrohung, gegen die man sich besonders wappnen müsse, bezeichnete Sobotka die Einflussnahme auf die Meinungsbildung in EU-Mitgliedstaaten durch gezielte Informations- und Desinformationskampagnen, denn "das berührt den Kern unserer parlamentarischen Demokratie", warnte er. Unter Cybersicherheit fällt für ihn aber auch der Umgang mit Hasspostings in den sozialen Medien, weshalb sich der Nationalratspräsident nachdrücklich für die die Einführung eines Redaktionsprinzips auch im digitalen Bereich aussprach, so wie es für die klassischen Medien besteht.

Resettlement und Solidarität sind untrennbar miteinander verbunden

Hinsichtlich der Sicherung der Außengrenzen trat Sobotka für ein neues und stärkeres Mandat für FRONTEX, für eine stärkere Unterstützung der Staaten mit EU-Außengrenzen und für eine Kooperation mit Transit- und Herkunftsländern ein. "Resettlement und Solidarität sind untrennbar miteinander verbunden", stellte er fest und fügte hinzu: "Das Vertrauen der Bevölkerung in die EU wird sich auch daran bemessen, ob es gelingt, durch mehr gemeinsames Handeln einen krisenfesten Rahmen für Migration zu schaffen".

Heranführung der Staaten des Westbalkans an Europa unterstützen

Einen besonderen Stellenwert in der Frage der Sicherheit räumt der Nationalratspräsident der Stabilität des Westbalkans und der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit ein. Ein Europa, das schützt, müsse alles daran setzen, um für Frieden und Sicherheit in seiner Nachbarschaft zu sorgen. Das schließe den Willen zur verstärkten Zusammenarbeit im zivilen und militärischen Krisenmanagement ein.

Mit Sorge wies Sobotka darauf hin, dass der Einfluss außenstehender Akteure am Westbalkan zunimmt. Die richtige Antwort kann aus seiner Sicht daher nur lauten: "Wir müssen mehr tun, um die Heranführung der Länder an die EU zu unterstützen". Das Ziel der österreichischen Ratspräsidentschaft sei daher, messbare Fortschritte in der EU-Annäherung der Region zu erzielen, und dazu wolle man auch auf parlamentarischer Ebene durch intensiven Austausch einen Beitrag leisten, so Sobotka.

Am Rande des Treffens standen auch zahlreiche bilaterale  Arbeitsgespräche auf dem Programm. So traf Sobotka neben dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, auch seine Amtskollegen aus Frankreich, Tschechien, Ungarn, Serbien, Mazedonien, Bulgarien, Slowenien Rumänien und Albanien. (Schluss) jan