Parlamentskorrespondenz Nr. 533 vom 16.05.2018

EU-Budget: Blümel hält an Beitragshöhe von 1% des BNP fest

NEOS verlangen im Nationalrat Klarheit über EU-Politik der Regierung

Wien (PK) - "Ein zukunftsfittes Budget für die EU: visionär, nachhaltig, fair und ohne Märchen, Herr Bundeskanzler!". Diesen Appell richteten die NEOS heute früh in einer von ihnen verlangten Aktuellen Stunde im Nationalrat an Kanzler Sebastian Kurz. Weil der Adressat zu einer Tagung des Europäischen Rats in Bulgarien gereist war, stellte sich EU-Minister Gernot Blümel der Plenardebatte über die Zukunft der Europäischen Union. Wie viel Geld Österreich nach dem bevorstehenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, dem Brexit, nach Brüssel schicken wird, konnte Blümel noch nicht genau sagen. Er betonte jedoch, die Beiträge der Nettozahlerländer dürften auch künftig nicht mehr als 1% des Bruttonationalprodukts betragen. Einsparungen in der EU-Verwaltung würden für einen schlankeren und effizienteren Haushalt der Union sorgen. Überdies erwarte man von der EU eine Wirtschaftspolitik, die zu BIP-Steigerungen der Mitgliedsländer führt, wodurch sich wiederum die tatsächlichen Beitragssummen erhöhen würden, so der Kanzleramtsminister.

Die NEOS, aber auch SPÖ und Liste Pilz, lehnen die Festlegung der österreichischen Beitragshöhe auf nicht mehr als 1% der Wirtschaftsleistung als kurzsichtig ab. Anstelle von Kürzungen sprechen sich die Pinken für eine Neuverteilung der EU-Fördermittel aus, wodurch Bereiche wie Forschung und Entwicklung gestärkt werden sollten. Die SozialdemokratInnen erwarten von der Regierung mehr Einsatz im Kampf gegen Steuerumgehungen von Konzernen. Unrealistisch ist die Regierungspolitik aus Sicht der Liste Pilz: Einerseits verlange man mehr Ausgaben seitens der Union, etwa beim Außengrenzschutz, andererseits weigere man sich, die nötigen Mehraufwendungen dafür zu leisten. Grundsätzlich kritisierten alle Oppositionsparteien, die Regierung liefere keine konkreten Vorschläge für Reformen in der EU.

Vor Debattenbeginn stieß NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak zur Abwesenheit von Kanzler Kurz eine Geschäftsordnungsdebatte an. Wiederholt habe sich Kurz bei wichtigen Parlamentssitzungen wie der aktuellen zum Thema EU-Budget von anderen Regierungsmitgliedern vertreten lassen, prangerte Scherak an und erhielt Schützenhilfe von Andreas Schieder (SPÖ). Immerhin habe der Bundeskanzler in der Früh noch dem Ministerrat beigewohnt, so Schieder und wie Scherak verwies er auf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die heute sehr wohl im Bundestag anwesend sei, zumal die Ratstagung in Sofia erst am Abend beginne. ÖVP-Klubobmann August Wöginger verteidigte daraufhin den Kanzler. Dieser habe im Vorfeld des österreichischen Ratsvorsitzes anders als Merkel zahlreiche Treffen mit AmtskollegInnen zu absolvieren. Schieders "Herbeischaffungsantrag", den er gemäß Geschäftsordnung stellte, lehnte die Regierungsmehrheit ab.

EU-Minister Blümel setzt auf Einsparungen und Wirtschaftswachstum

Ein "Mammutprojekt, das wir jetzt angehen wollen", so beschrieb EU-Minister Blümel den künftigen auf sieben Jahre ausgelegten Finanzrahmen der EU. "Die Gespräche beginnen", verwies er auf die anstehenden Verhandlungsrunden zum EU-Budget. Österreich habe dabei eine klare Verhandlungsposition, nämlich wie bisher 1% des Bruttonationalprodukts in das Gemeinschaftsbudget einzuzahlen. Bei einer gesteigerten Wirtschaftsleistung werde der EU-Haushalt auch damit anwachsen. Die Strategie der Regierung, durch Einsparungen im System zusätzliche Mittel freizuspielen, sei bereits in der jüngsten Ratssitzung auf viel Zustimmung bei anderen Nettozahlerländern wie Schweden gestoßen: "Es war die richtige Position." Dezidiert lehnte Blümel eine 20%ige Steigerung der Verwaltungsausgaben in der EU auf 85 Mrd. € ab, die ihm zufolge im Budgetvorschlag der EU-Kommission vorgesehen ist. Vielmehr gelte es, im Lichte der Digitalisierung durch Nichtnachbesetzungen von Planstellen im Verwaltungssystem zu sparen. Eine Reduktion kann er sich auch bei der Anzahl der Kommissare vorstellen, nicht mehr jedes EU-Land müsse einen Kommissar oder eine Kommissarin stellen.

Positiv wertete er die geplante Aufwertung des Außengrenzschutzes, auch für die gemeinsame Migrationspolitik und Austauschprogramme wie Erasmus solle mehr Geld zur Verfügung stehen. Die Vorschläge für die 37 Programme im Budget würden bis Mitte Juni konkretisiert, erläuterte der Minister das weitere Vorgehen, danach werde im Rat der Zeitplan festgelegt. Österreich wolle als Ratsvorsitzland möglichst rasch und ambitioniert die Verhandlungen gestalten. Für ein effizienteres Vorgehen warb er hinsichtlich der EU-Kohäsionspolitik, etwa durch eine Steigerung der Co-Finanzierungsbeiträge. Zum Agrarbereich sagte er, im Sinne des gesellschaftlichen Mehrwerts sollten Förderungen nicht an große internationale Agrarkonzerne fließen, sondern bäuerliche Familienbetriebe unterstützen.

NEOS vermissen proeuropäische Haltung der Regierung

Eine EU-Ratspräsidentschaft bedeute Verantwortung für ganz Europa, verdeutlichte Claudia Gamon. Die NEOS würden aufgrund der Haltung der Regierung zum EU-Budget dieses proeuropäische Verantwortungsbewusstsein vermissen. Regionalen Zurufen werde etwa in Sachen Agrarförderung mehr Gewicht beigemessen als der Gestaltung eines visionären Gemeinschaftsbudgets, mit dem sich die Mitgliedstaaten zusammen Herausforderungen wie dem Außengrenzschutz oder dem Klimawandel stellen. Die Europapolitik der Regierung beschränkt sich in Gamons Augen auf Ankündigungen und Versprechen, denen keine Taten folgen, obwohl "die Ratspräsidentschaft direkt vor der Tür steht". Die EU als Basis für ein friedliches Zusammenleben würdigte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz. Besuche bei "Rechtsaußenpolitikern" im Ausland, wie er FPÖ-Mitgliedern vorhielt, seien kontraproduktiv für die Bewältigung der großen Vorhaben der EU. Vom Außengrenzschutz bis zum Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit gilt Strolz zufolge: "Wir brauchen in diesen Fragen ein entschlossenes Europa".

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU durchleuchtete Karin Doppelbauer (NEOS). Einerseits zollte sie der GAP Respekt, als ältester vergemeinschafteter Politikbereich sinnvolle Förderungen für die nachhaltige Bewirtschaftung auf den Weg gebracht zu haben, andererseits monierte sie, beträchtliche Summen blieben in der Verwaltung hängen. Für Doppelbauer sind Kürzungen in der GAP unvermeidlich, nachdem sich mit dem Brexit der zweitgrößte Nettozahler aus der EU verabschiedet. Bei der Neuplanung der Agrarförderungen müsse Planbarkeit für die LandwirtInnen oberste Priorität haben. Agrarministerin Elisabeth Köstinger hielt die NEOS-Mandatarin vor, mit unklaren Aussagen die Unsicherheit bei den Betroffenen zu schüren, obwohl die Maßgaben klar seien: Öffentliche Gelder sollten für Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, ausgegeben werden und nicht aufgrund von Hektargrößen vor allem an Großbetriebe gehen. Eine Renationalisierung der GAP fördere lediglich den Protektionismus und sei abzulehnen.

SPÖ: Steuerhinterziehung von Konzernen abstellen

Gegen einen erstarkenden Nationalismus traten auch die Redner der SPÖ auf. Die Europäische Union sei als Antwort auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs die Basis des wirtschaftlichen Fortschritts, der Menschenrechte und unserer Freiheiten, unterstrich Andreas Schieder. In der ÖVP ortete er Widersprüche in Bezug auf die künftige Höhe der EU-Beiträge und meinte, "so kann man Europapolitik nicht machen". Die SozialdemokratInnen befürworteten ebenfalls eine sparsame Union, träten aber für ein entschiedeneres Vorgehen der Union gegen die Steuerhinterziehung von Großkonzernen ein. Den Umfang des Mittelverlusts durch aggressive Steuerplanung bezifferte er mit 1.000 Mrd. €. Dennoch habe die Bundesregierung auf EU-Ebene zugestimmt, Länder wie Panama von der Liste über Steueroasen zu streichen. Kai Jan Krainer (SPÖ) warf der Regierung "Realitätsverweigerung" vor, denn wenn von 28 Beitragszahlern der EU einer wegfalle, müssten die anderen eben mehr zahlen. Das habe immerhin Finanzminister Hartwig Löger erkannt. Überdies betreibe man von Regierungsseite in Österreich keineswegs das propagierte Sparen im System, kritisierte der SPÖ-Budgetsprecher. Die Verwaltungsausgaben hierzulande würden stärker steigen als die Inflation, die EU-Administrationsausgaben dagegen nur an die Teuerung angepasst.

Liste Pilz: Regierung arbeitet gegen eine starke EU

Die rechnerischen Überlegungen der Bundesregierung nahmen für die Liste Pilz Bruno Rossmann und Alma Zadić ins Visier. Natürlich würden nach dem Brexit alle anderen Mitglieder mehr einzahlen müssen, sollte das EU-Budget den jetzigen Umfang behalten, so Rossmann. Er warnte in diesem Zusammenhang die Regierung davor "auf der Klaviatur des Populismus zu spielen" und Mittelkürzungen zu fordern, denn mit den Geldern an Brüssel würden Programme finanziert, die allen zugutekämen, nicht nur Österreich. Die Mehrheit der Nettozahlerstaaten spreche sich folglich für eine Beitragserhöhung aus, widersprach er der Darstellung von Minister Blümel über die Ausgangslage im Rat. Den Gedanken, durch Verwaltungseinsparungen den Beitragsausfall nach dem Brexit ausgleichen zu wollen, tat der Liste Pilz-Budgetsprecher als lächerlich ab, mache die Verwaltung doch nur 6% des EU-Haushalts aus. Verantwortungslos sind für ihn Kürzungsüberlegungen angesichts der wachsenden Aufgaben der Union, Stichwort Klimaschutz. Außerdem habe die EU die Asyl- und Migrationspolitik zu koordinieren, die Integration von Südosteuropa zu fördern und eine starke gemeinsame Außenpolitik zu verwirklichen, fügte Zadić an. "Wir brauchen ein starkes Europa, um für die Zukunft vorbereitet sein", Österreich solle Vorreiter sein.

ÖVP will eine bürgernahe Union

ÖVP-Abgeordneter Reinhold Lopatka räumte ein, die EU befinde sich nach Finanz- und Flüchtlingskrise sowie dem bevorstehenden Brexit in einer schwierigen Situation. Die Bereitschaft zum Kompromiss und für solidarisches Handeln sieht er daher als essentiell, um unterschiedliche Interessen auszutarieren. Österreich sei immer dazu bereit gewesen. Im Rat lägen derzeit die Positionen zum EU-Budget weit auseinander, Kürzungen für strukturschwache Regionen, Direktzahlungen an LandwirtInnen oder die Steigerung der Beitragsbemessungsgrundlage auf 1,1%, wie von der Kommission gefordert, stellten Streitpunkte dar. "Die europäische Position, die gibt es noch nicht". Die Regierung agiere dagegen mit ihrer klaren Haltung als "Anwalt der Steuerzahler", lobte er. In vielen Feldern der EU gelte es, effizienter zu werden, Österreich habe bereits konkrete Vorschläge in der EU-Reform-Task Force vorgelegt, um die Europäische Union bürgernäher, schlanker und effizienter zu gestalten.

"Wir wünschen uns ein Europa, das sich ein bisschen mehr selbst erklärt", sagte Lopatkas Fraktionskollege Georg Strasser. Die Lehren aus dem Brexit seien, die Menschen dort abzuholen wo sie stehen. Deswegen habe die Regierung die Themen Sicherheit, Migration, Wirtschaftswachstum und Steuergerechtigkeit auf die Prioritätenliste der Ratspräsidentschaft ganz oben hingesetzt. Speziell zum EU-Budget bemerkte er, vorauseilender Gehorsam sei bei den Verhandlungen fehl am Platz. Österreichs Anspruch auf Sparsamkeit und der Effizienz sei zum Wohle der Menschen in Österreich und in der ganzen EU.

FPÖ: EU muss reformiert werden

Für die FPÖ waren die Vorhaltungen der Opposition wegen Kanzler Kurz' Abwesenheit eine "Schmierenkomödie", wie Johann Gudenus ausführte. "Nehmen Sie die Würde des Hauses etwas ernster". Die Europäische Union sei nicht gleich Europa, hielt er zum Diskussionsthema fest. Die Regierung stehe für Subsidiarität und dafür, nicht mehr Mittel als notwendig an Brüssel zu liefern. Selbstbewusst, nicht unterwürfig, trete Österreichs Regierung als Dialogplattform auf, anstatt sich nur im EU-Gleichklang zu bewegen. In Richtung Opposition äußerte sich auch Robert Lugar (FPÖ), indem er erinnerte, das Debattenthema der Aktuellen Stunde sei erst nach der Terminsetzung der Kanzlers verlautbart worden. Man habe also gewusst, dass der Kanzler keine Zeit haben würde. Die Budgetverhandlungen der Union stünden erst am Beginn, gab er hinsichtlich des Finanzahmens zu verstehen, Österreich habe schon vorab eine vernünftige Ausgangsposition bezogen. Grundsätzlich findet er, die EU müsse sich erneuern, besonders im Verhältnis zur Türkei oder bei der Zuwanderungsthematik. Diese Eckpunkte habe man im Vorfeld zu erörtern, ehe das Budget fixiert werden könne. (Fortsetzung Nationalrat) rei