Parlamentskorrespondenz Nr. 671 vom 13.06.2018

Kindergesundheit: Volksanwaltschaft zeigt umfassenden Handlungsbedarf auf

Nationalrat nimmt Sonderbericht über Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen einhellig zur Kenntnis

Wien (PK) – Zur Debatte stand heute im Nationalrat der Sonderbericht der Volksanwaltschaft zu Kindern und ihren Rechten in öffentlichen Einrichtungen. Auch zum Thema Kindergesundheit wird darin umfassender Handlungsbedarf aufgezeigt, etwa hinsichtlich der steigenden Zahl an übergewichtigen Buben und Mädchen.

Darüber hinaus kritisiert die Volksanwaltschaft im Bericht, dass die Zahl an fremd untergebrachten Kindern und Jugendlichen in Österreich steigt. Die fünfjährige Prüfung hat außerdem ergeben, dass es zudem noch immer zu Gewalt und sexuellem Missbrauch kommt.

2016 lebten 8.423 Minderjährige in sozialpädagogischen Einrichtungen, 5.162 wurden von Pflegeeltern betreut. Die Zahlen steigen, 2016 waren es um vier Prozent mehr Kinder als 2015. Laut Volksanwaltschaft gibt es zu wenige Angebote zur Vermeidung von Fremdunterbringung. Sie empfiehlt den Ausbau ambulanter Unterstützung.

Bundesweit gesehen schneidet Wien am schlechtesten ab. Jedes 100. Kind lebt in Wien sowie in der Steiermark nicht bei seinen Eltern. In der Bundeshauptstadt kommt es in über 40% der behandelten Fälle zu einer Fremdunterbringung, in den anderen Bundesländern müssen erheblich weniger Kinder von ihren Eltern getrennt werden. Im Ausschuss zeigten sich die Volksanwälte aufgrund der steigenden Anzahl von Kindesabnahmen alarmiert.

Steigende Anzahl von Kindern übergewichtig, 190.000 chronisch krank

Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sprachen etwa Gabriela Schwarz (ÖVP), Brigitte Povysil und Edith Mühlberghuber (beide FPÖ) sowie Klaudia Friedl (SPÖ) an. Erschreckend sei die hohe Anzahl an Übergewichtigen und die dadurch entstehenden Risiken für die spätere Gesundheit, so Schwarz. Ernährung und Bewegung seien hier die wichtigen Säulen. Ziel müsse sein, Freude an der Bewegung zu vermitteln und Angebote zu entwickeln. Die Zahlen hinsichtlich Übergewicht bei Kindern seien dramatisch, schloss sich Klaudia Friedl (SPÖ) an. Jeder dritte Bub, jedes vierte Mädchen sei betroffen. Deutlich werde auch die unterschiedliche Lebensweise in der Stadt und auf dem Land. Es brauche hier dringend ein Gesamtkonzept. Außerdem plädierte Friedl dafür, auch Menschen mit niedrigerem Einkommen zu helfen, gesunde Nahrung zur Verfügung stellen zu können.

Bestürzend ist aus Sicht von Brigitte Povysil (FPÖ), dass zur Kindergesundheit bis dato keine Datenerhebung vorliegt. Hier werde das Leuchtturmprojekt des Gesundheitsministeriums zur Digitalisierung zu einer besseren Datenlage führen. Auch für die Gesundheit und beste medizinische Versorgung der Kinder sei die geplante Reform der Sozialversicherung nötig.

Mittlerweile 190.000 chronisch kranke Kinder im Schulsystem sind für Edith Mühlberghuber (FPÖ) ein Schwerpunktthema. Mittlerweile würden bei LehrerInnen medizinische Tätigkeiten als Diensttätigkeit anerkannt, es seien hier aber weitere Maßnahmen und zusätzliche medizinische Ansprechpersonen in den Schulen notwendig.

Ebenso wie Gabriela Schwarz wies Nico Marchetti (ÖVP) darauf hin, dass es wesentlich bessere psychotherapeutische Betreuung brauche. In Psychiatrien gebe es viel zu wenig kindergerechte Betreuungsplätze, Kinder seien nicht einfach kleine Erwachsene.

Handlungsbedarf auch bei Fremdunterbringungen von Kindern

Das Thema Fremdunterbringungen griff Gudrun Kugler (ÖVP) auf. Viele Menschen leisten hier unter schwierigen Bedingungen großartige Arbeit, sagte sie, es sei aber auch die Frage zu stellen, welche Verbesserungen nötig sind. Zur steigenden Zahl an fremd untergebrachten Kinder und dem Gefälle zwischen den Bundesländern seien aus wissenschaftlichen Studien Handlungsempfehlungen abzuleiten, so Kugler. Es gehe aber auch darum, Missstände und gar Missbrauch in Einrichtungen dringend zu beseitigen. Abhilfe sieht sie auch in begleitenden, frühen Mitteln, um die Notwendigkeit zur Fremdunterbringung schon vorher abzufangen. Außerdem müssten finanzielle Anreize zur Unterbringung in einem anderen Bundesland abgeschafft und Besuchsrechte für abgenommene Kinder gewährleistet werden. Darüber hinaus dürfen sich betroffene Eltern gegenüber Behörden nicht hilflos fühlen, ortet Kugler massiven Handlungsbedarf.

Schwierige Rahmenbedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen thematisierte Petra Wimmer (SPÖ), etwa hinsichtlich eines Personalmangels. Sie fordert dafür bundeseinheitliche Standards, vor allem aber Stabilität beim Betreuungspersonal. Das setze auch eine entsprechende Finanzierung voraus, unterstrich Wimmer. Außerdem fehle es in ganz Österreich an sozialtherapeutischen Betreuungsplätzen. Sowohl für die Kinder, als auch für MitarbeiterInnen sei daran zu arbeiten, die Situation zu verbessern.

Über die Fraktionsgrenzen hinweg dankten die Abgeordneten der Volksanwaltschaft für diesen Sonderbericht. "Wahre Helden findet man nicht auf Netflix, sondern bei der Volksanwaltschaft", so etwa Nico Marchetti (ÖVP). Ihre Arbeit sei nicht nur für das Parlament wichtig, sondern stärke auch das Vertrauen in die Demokratie. Der Bericht entstand durch unangekündigte Expertenbesuche über 5 Jahre, dadurch konnten Misstände aufgedeckt werden, erläuterte Edith Mühlberghuber (FPÖ).

Volksanwaltschaft ortet besorgniserregende Entwicklungen

Volksanwältin Gertrude Brinek warf die aus ihrer Sicht besorgniserregende Entwicklung hinsichtlich Kinder und Kriminalität auf. Nicht nur im Hinblick auf die gestiegene Zahl müsse es Alternativen zum Gefängnis geben. Brinek plädierte dafür, so weit wie möglich Unterstützungsangebote außerhalb der Haft zu entwickeln, sowohl mit Beschäftigung, als auch mit Freizeitgestaltung.

Eine von Nico Marchetti angesprochene Prüflücke der Volksanwaltschaft für Einrichtungen der Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand sei jedenfalls ein Thema, unterstrich Volksanwalt Peter Fichtenbauer. Es sei durch Auslagerung dazu gekommen, wiederholte er seinen Appell, dass das Parlament diese Prüflücke schließen möge. Was chronisch kranke Kinder im Schulsystem betreffe, sei die Zahl von 190.000 Kindern erschreckend und steige dazu noch tendenziell. Ein Anliegen an das Parlament ist Fichtenbauer, das Thema nicht nur einmal im Jahr zu debattieren. Auch sollte man chronisch kranken Kindern die volle Teilhabe am schulischen Alltag ermöglichen. Medizinische Kompetenzen der LehrerInnen seien dabei ebenso zu verankern wie ein fixes Ausbildungsmodul und medizinisches Personal.

Kindesabnahmen und Fremdunterbringung haben aus Sicht von Volksanwalt Günther Kräuter eine leider alarmierende Tendenz. Hier sei es notwendig, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Eine geplante Kompetenzverschiebung sei aber die falsche Richtung, die Gesetzgebung müsse in der Hand des Bundes sein und die Vollziehung gehöre in die Länder. Zu den dramatischen Zahlen hinsichtlich Übergewicht fehle ein Masterplan, auch hinsichtlich Spätfolgen. Kräuter erneuerte abschließend seinen Appell, eine parlamentarische Enquete zu diesen Themen ins Leben zu rufen. (Fortsetzung Nationalrat) jan/mbu