Parlamentskorrespondenz Nr. 781 vom 27.06.2018

EU-Ratsvorsitz: Regierung stellt Schutzgedanken in den Vordergrund

EU-Hauptausschuss diskutiert über Schwerpunkte des EU-Ratsvorsitzes

Wien (PK) – Zweites Thema im heutigen EU-Hauptausschuss waren die Schwerpunkte des österreichischen Ratsvorsitzes. Dieser finde in einem anspruchsvollen Umfeld statt, betonte EU-Minister Gernot Blümel und nannte dabei die Herausforderungen Migration, Handelspolitik und Brexit. Österreich werde seiner Rolle als Brückenbauer gerecht werden können, zeigte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz überzeugt und meinte, das hindere nicht, auch eigene Meinungen zu haben und vorzubringen. In einer Union mit unterschiedlichen Staaten gebe es unterschiedliche Auffassungen. Notwendig sei aber, stets einen ordentlichen und ehrlichen Austausch zu gewährleisten.

Das Motto der österreichischen Ratspräsidentschaft "Ein Europa, das schützt" habe man nach einer Analyse der Gründe für den Brexit ganz bewusst gewählt, erklärte Blümel. Das Votum der Briten für einen Austritt aus der EU habe seine Gründe in einem Unbehagen vor der Migration und in der Angst vor einem Wohlstandsverlust. Der Schutzbegriff sei daher auch umfassend zu verstehen. Er ziele darauf ab, die illegale Migration einzudämmen, weshalb der Schutz der Außengrenzen notwendig sei. Menschen, die außerhalb der EU gerettet werden, müssten auch außerhalb der EU versorgt werden. Weiters gehe es um den Schutz des Wohlstandes durch Maßnahmen, die den digitalen Binnenmarkt und die Wettbewerbsgleichheit absichern und schließlich sei damit auch die Stabilität in der Nachbarschaft gemeint, weshalb Österreich seinen Fokus auf die Beitrittsperspektiven für die Länder des Westbalkans lege. Er freue sich daher sehr darüber, dass es gelungen sei, alle anderen EU-Länder zu überzeugen, mit Albanien und Mazedonien Mitte nächsten Jahres Beitrittsverhandlungen aufzunehmen.

Forcieren will Österreich auch das Subsidiaritätsprinzip mit dem Ziel "weniger, aber effizienter". Blümel kann sich beispielsweise vorstellen, EU-Richtlinien, die Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum geben, vor Verordnungen, die direkt wirksam werden, Vorrang zu geben.

Budgetiert sind für den Ratsvorsitz 43 Mio. €, zusätzliche Kosten müssten die einzelnen Ressorts selbst bedecken.

Die Zielsetzungen der Regierung wurden von den Abgeordneten der Regierungsparteien Carmen Jeitler-Cincelli, Michaela Steinacker, Gudrun Kugler (alle ÖVP) sowie Eugen Reinhard Bösch und Petra Steger (beide FPÖ) unterstützt. Die Schutzfunktion stelle eine der Kernaufgaben der EU dar, befand Steger. Ihr fehlt es vor allem derzeit an der Bürgernähe der EU, worauf Minister Blümel mittteilte, dass im nächsten Halbjahr über 300 Veranstaltungen unter Einbeziehung der BürgerInnen stattfinden werden. Man wolle vor allem auch in Brüssel mit der Präsentation des österreichischen Kulturguts präsent sei, merkte er in Richtung Steinacker an. Konform ging Blümel mit Bösch in der Einschätzung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit und Verteidigung (PESCO) angesichts der Herausforderungen und Bedrohungen. Europa müsse auch in diesem Bereich Handlungsfähigkeit beweisen, sagte Blümel und wies darauf hin, dass derzeit 17 Projekte in Umsetzung seien und sich Österreich an vier davon beteilige, selbstverständlich immer unter Wahrung des Neutralitätsprinzips.

Jeitler-Cincelli (ÖVP) und Claudia Gamon (NEOS) thematisierten noch einmal die Digitalisierung. Hier sei es notwendig, Wettbewerbsgleichheit und Steuergerechtigkeit herzustellen, betonte Blümel. Er kündigte darüber hinaus neue EU-Regelungen an, da Grundprinzipien wie etwa das Eigentum auch im digitalen Bereich Eingang finden müssen.

Was den mehrjährigen Finanzrahmen betrifft, so bekräftigte Blümel einmal mehr die Position der Bundesregierung nach einer Deckelung der Beiträge von einem Prozent des Bruttonationaleinkommens. Bruno Rossmann von der Liste Pilz hatte sich im Vorfeld mittels eines Antrags auf Stellungnahme für eine Erhöhung der Mittel eingesetzt, um Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Klimaschutz, Forschung und Entwicklung sowie die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut, aber auch die Migrationsproblematik und den Schutz der Außengrenzen gemeinsam bewältigen zu können. Rossmann setzte sich auch für die Schaffung neuer Eigenmittel ein und forderte, vor allem Ökosteuern voranzutreiben. Er wurde darin von der SPÖ unterstützt, das reichte jedoch nicht für die Mehrheit. Minister Blümel stellte in diesem Zusammenhang gegenüber SPÖ-Abgeordneter Doris Margreiter fest, dass Österreich zusätzliche Eigenmittel und Steuern ablehne.

Einer europäischen Arbeitsschutzbehörde werde man erst dann zustimmen, wenn ein konkreter Mehrwert erkennbar ist, stellte er gegenüber Claudia Gamon (NEOS) und Eva Maria Holzleitner (SPÖ) fest. (Schluss EU-Hauptausschuss) jan