Parlamentskorrespondenz Nr. 790 vom 28.06.2018

CETA: Bundesrat setzt parlamentarischen Schlussstein

ÖVP und FPÖ sorgen auch in der Länderkammer für erforderliche Mehrheit

Wien (PK) – Das von der EU mit Kanada abgeschlossene Freihandelsabkommen CETA hat die letzte parlamentarische Hürde genommen. ÖVP und FPÖ stimmten nach einer knapp zweistündigen Debatte auch im Bundesrat für den umstrittenen Vertrag und stellten so die erforderliche Mehrheit sicher. Konkret stimmten in namentlicher Abstimmung 38 BundesrätInnen für das Abkommen, bei 21 Gegenstimmen. Damit kann das Ratifizierungsverfahren abgeschlossen werden. Laut Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ist Österreich voraussichtlich das 12. EU-Land, das CETA endgültig genehmigt. Die Opposition stößt sich vor allem an den Sonderklagsrechten für Investoren, sie konnte sich mit der Forderung nach Absetzung von CETA von der Tagesordnung aber nicht durchsetzen. Auch ein Antrag der SPÖ auf Abhaltung einer Volksabstimmung fand keine Mehrheit.

Vor der Abstimmung wurden noch einmal Argumente pro und contra CETA ausgetauscht. So meinte etwa der Kärntner SPÖ-Bundesrat Günther Novak, er verstehe die plötzliche Eile, mit der CETA nun ratifiziert wird, nicht. Er habe das Gefühl, dass die Interessen von Großspendern und Konzernen über die Interessen der österreichischen Bevölkerung gestellt werden. Die SPÖ sei nicht gegen Handelsabkommen an sich, versicherte Novak, Klimaschutz, Umweltschutz, Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards müssten in solchen Abkommen aber einen fixen Platz haben. Die SPÖ sei zudem klar gegen Schiedsgerichte, die es Großkonzernen ermöglichten, Österreich unter Umgehung der nationalen Gerichtsbarkeit zu klagen.

FPÖ: Angst vor Schiedsgerichten ist unberechtigt

Der Appell von Novaks steirischer Fraktionskollegin Elisabeth Grossmann an die Regierungsparteien, die letzte Chance für eine Notbremse zu nutzen und CETA die Zustimmung zu verweigern, ging allerdings ins Leere. Nicht nur sämtliche Redner der ÖVP, sondern auch jene der FPÖ stellten sich ausdrücklich hinter das Abkommen. Die Opposition würde mit ihrer Warnung vor den Schiedsgerichten nur unnötige Panik schüren, meinte etwa der steirische FPÖ-Bundesrat

Gerd Krusche. Schließlich sei deren Unabhängigkeit und Überparteilichkeit sichergestellt. Zudem werde es durch eine zweite Instanz die Möglichkeit von Rechtsmittelverfahren geben. Ältere Investitionsschutzabkommen seien wesentlich schlechter als CETA, bekräftigte Krusche.

Reinhard Pisec (FPÖ/W) glaubt überhaupt, dass die geplanten Schiedsgerichte für die österreichische Exportwirtschaft die bessere Alternative sind als die ordentliche Gerichtsbarkeit. Verfahren vor ordentlichen Gerichten dauerten meist extrem lange und seien extrem teuer, gab er zu bedenken. Er würde niemandem empfehlen, vor ein kanadisches Gericht zu gehen. Krusche wies überdies darauf hin, dass bestimmte Klagen im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit gar nicht möglich sind. Dass Konzerne anderer Länder unter Zuhilfenahme von Briefkastenfirmen Klagslegitimation erhalten, ist ihm zufolge ausgeschlossen.

Auch sonst wollte die FPÖ die Bedenken gegen CETA nicht teilen. Niemand werde durch das Abkommen einen Nachteil erleiden, aber sehr viele profitieren, stellte Krusche fest. Pisec wies insbesonders auf Vorteile für KonsumentInnen durch mehr Wettbewerb hin. Auf zahlreiche Ähnlichkeiten zwischen Kanada und Österreich machte Christoph Steiner (FPÖ/T) aufmerksam. Niemand brauche Angst vor Leuten zu haben, die Ahornsirup essen, ein bisschen Eishockey spielen und die Familie als ihr wichtigstes Ziel sehen.

Zur Kritik der Opposition am Meinungsumschwung der FPÖ merkte Krusche an, die FPÖ habe sich mit ihrem Eintritt in die Regierung für staatspolitische Räson und Verantwortung gegenüber den Menschen entschieden. Schließlich sei es notwendig gewesen, die Politik der Blockade und des Streits zu beenden. Die Zustimmung zu CETA sei eine Koalitionsbedingung der ÖVP gewesen. Die Kritik der SPÖ an der FPÖ wurde zudem umgehend in umgekehrter Form erwidert, wobei Steiner von "beleidigten Wendehälsen" sprach.

ÖVP: CETA ist fortschrittliches Handelsabkommen

Seitens der ÖVP verwies der Steirer Christian Buchmann auf die Bedeutung der Exportwirtschaft für Österreich. In der Steiermark hänge jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt am Export. Gute und faire Rahmenbedingungen seien für die Wirtschaft wichtig.

CETA ist für Buchmann außerdem ein sehr fortschrittliches Handelsabkommen, das nicht nur Unternehmen, sondern auch KonsumentInnen zugutekommen werde. Umwelt- und Sozialstandards sieht er nicht gefährdet, auch die kulturelle Vielfalt bleibe durch das Abkommen gewahrt. Kanada sei sicher kein Land, das seine Partner über den Tisch ziehen wolle, hielt er den KritikerInnen entgegen.

Als "sehr verlogen" wertete Eduard Köck (ÖVP/N) die Diskussion. Schon jetzt gebe es im Lebensmittelhandel viele Produkte, die nicht nach österreichischen Standards produziert worden seien. Auch Konzernklagsrechte seien nichts Neues. CETA würde überdies nicht übereilt beschlossen, sondern "nach 3.333 Tagen".

Gegen die Heraufbeschwörung von Schreckensszenarien wandte sich auch der Vorarlberger Edgar Mayer (ÖVP). Man solle den Teufel nicht an die Wand malen, meinte er und zeigte sich überzeugt,  dass CETA Europa, die Wirtschaft und die heimischen kleinen und mittleren Unternehmen weiterbringen werde. Auch ist er zuversichtlich, dass der Europäische Gerichtshof das Vertragswerk akzeptieren wird. In Richtung SPÖ erinnerte Mayer daran, dass es der frühere SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern gewesen sei, der mit seiner Unterschrift unter CETA den Genehmigungsprozess in Gang gesetzt habe.

SPÖ: Abkommen hat noch Giftzähne

Der positiven Bewertung von CETA durch die beiden Koalitionsparteien wollten sich aber weder die SPÖ noch die Grünen anschließen. Es stimme einfach nicht, dass dem Abkommen alle Giftzähne gezogen wurden, sagte SPÖ-Bundesrätin Grossmann. Vor allem der "Giftzahn Konzernklagsrecht" bereitet ihr Sorge. ÖVP und FPÖ seien "mit Vollgas" dabei, die BürgerInnen zu überfahren. "Sie kaufen die Katze im Sack", aus dieser drohe ein Raubtier zu werden. Der FPÖ wurde von Grossmann und Novak vorgeworfen, ihre WählerInnen verraten haben.

Michael Lindner (SPÖ/O) rief die Koalitionsparteien dazu auf, zwischen dem Handelsteil und dem Investitionsschutzteil von CETA zu unterscheiden. Der Dammbruch sei nicht, dass der grenzüberschreitende Handel erleichtert und Zölle abgebaut werden, vielmehr würde durch die Sonderklagsrechte für Konzerne der Handlungsspielraum der Politik beschnitten. Konzerne könnten jederzeit gegen geplante höhere Standards klagen. Zudem entstehe durch das Schiedsgerichtssystem eine Zwei-Klassen-Justiz.

Grüne: Koalition stellt Wirtschaftsprofite über alles

Auch die Grüne Mandatarin Ewa Dziedzic (W) warnte vor einer Paralleljustiz. Die geplanten Schiedsgerichte seien nicht mit der österreichischen Justiz vergleichbar. Durch CETA würden zudem Klagen gegen österreichische Standards möglich gemacht. Sie sieht in diesem Sinn unter anderem die restriktive Gentechnik-Gesetzgebung, die Lebensmittelsicherheit und den Konsumentenschutz in Gefahr. Die Regierung stelle Wirtschaftsprofite über alles und ignoriere die Interessen der Bevölkerung. Durch das überstürzt eingeleitete Ratifikationsverfahren nimmt sich Österreich nach Ansicht von Dziedzic außerdem aus allen Vorbereitungsgesprächen zur genauen Ausgestaltung der Schiedsgerichte heraus.

Bekräftigt wurde die Kritik Dziedzics von ihrem Parteikollegen David Stögmüller aus Oberösterreich. Es gehe ganz klar um mehr Macht für Konzerne, kritisierte er und verwies in diesem Zusammenhang auf eine lange Liste von Schiedsgerichts-Entscheidungen zu Lasten von Staaten. In einem Fall sei einem russischen Oligarchen sogar eine Entschädigungszahlung von 60 Mrd. € zugesprochen worden. Am Ende seien es die SteuerzahlerInnen, die draufzahlen.

An die SPÖ appellierte Stögmüller, CETA gemeinsam mit den Grünen durch den Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen. Er stellte überdies die Vorbereitung einer Subsidiaritätsklage in Aussicht.

Schramböck: CETA ist vor allem für KMUs wichtig

Einmal mehr für CETA warb Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. 6 € von 10 € des Bruttoinlandsprodukts würden durch Unternehmen und deren MitarbeiterInnen generiert, die im Export und im Import tätig sind, machte sie geltend. Es seien im Übrigen nicht die Konzerne, sondern klein- und mittelständische Unternehmen, die das Abkommen brauchen. Die hohen Standards in Österreich sind ihrer Auffassung nach nicht gefährdet, überdies sieht sie einen wesentlichen Unterschied zwischen herkömmlichen Schiedsgerichten und den geplanten Investitionsgerichten.

Mit dem Zeitpunkt der Ratifizierung liegt Österreich Schramböck zufolge im Mittelfeld der EU-Länder: Österreich werde voraussichtlich das 12. Land sein, das CETA ratifiziere.

Erhebliche Teile von CETA sind bereits am 21. September 2017 vorläufig in Kraft getreten. Das betrifft etwa den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen. Das gesamte Abkommen wird allerdings erst dann wirksam, wenn es von sämtlichen EU-Ländern ratifiziert wurde. Hintergrund dafür ist, dass einzelne Teile des Abkommens wie die Sonderklagsrechte für Investoren in die nationale Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fallen. (Fortsetzung Bundesrat) gs