Parlamentskorrespondenz Nr. 859 vom 11.07.2018

Bundesrat gibt Zustimmung zu neuen Regeln für Versicherungen, Investmentfonds und Crowdfunding

Unterstützung für Schaffung einer Digitalisierungsagentur und internationale Abkommen

Wien (PK) – Eine Reihe von gesetzlichen Neuerungen im Finanzbereich stand heute auf der Tagesordnung des Bundesrats. Die Länderkammer des Parlaments entschied etwa mit Mehrheit, keinen Einspruch gegen eine Neuregelung betreffend den Rücktritt von Lebensversicherungen zu erheben. Die BundesrätInnen billigten mehrheitlich auch Neuerungen, die Investmentfonds an EU-Standards anpassen. Mehrheitliche Zustimmung fanden auch neue Regeln für Crowdfunding sowie die Schaffung einer Digitalisierungsagentur, welche der Forschungsförderungsgesellschaft angegliedert wird.

Einstimmig passierten den Bundesrat ein aktualisiertes Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland sowie zwei internationale Abkommen über den Austausch von Daten von Finanzkonten und zur Amtshilfe in Steuerangelegenheiten.

Rechtssicherheit bei Rücktritt von Lebensversicherungen

Der Bundesrat entschied heute, keinen Einspruch gegen eine Neuregelung betreffend den Rücktritt bei Lebensversicherungen zu erheben. Im Zentrum steht dabei die Verbesserung der Rechtssicherheit bei mangelhafter Belehrung. Während die VertreterInnen der Regierungsparteien den Gesetzesvorschlag als brauchbaren Interessensausgleich ansehen, äußerte die Opposition Bedenken.

Seitens der SPÖ kritisierte der oberösterreichische Bundesrat Ewald Lindinger die Einschränkung des bisherigen lebenslangen Rücktrittsrechts, die bereits mit 2019 ins Kraft treten soll. Der Verein für Konsumenteninformation warne vor einer Verunsicherung für KonsumentInnen, die durch die rasche Änderung entstehe. Die Änderungen würden auch die Möglichkeit einschränken, eine Lebensversicherung für die Altersvorsorge abzuschließen. Die SPÖ werde das Gesetz ablehnen, denn nicht die Interessen und Vorteile der Versicherungswirtschaft, sondern die Interessen der KonsumentInnen sollten im Vordergrund stehen.

Robert Seeber (ÖVP/O) sah hingegen eine transparente, praxistaugliche, faire und europarechtskonforme Möglichkeit zur Rückabwicklung von Lebensversicherungen. Die derzeitigen Regeln würden keine ausreichende Rechtssicherheit bieten. Mit dem Initiativantrag werde eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in staatliches Recht umgesetzt. Seeber sieht einen guten Kompromiss, der den KonsumentInnen einige Verbesserungen bei der Auflösung von Lebensversicherungen bringt.

Gerd Krusche (FPÖ/St) schloss sich Seeber an. Rücktritte von Lebensversicherungen hätten immer wieder zu rechtlichen Streitigkeiten geführt. Das zeige, dass die bisherige Regelung nicht ausreichte, um Rechtssicherheit zu schaffen. Diese gebe es nun, eine lange Übergangsfrist halte er für nicht sinnvoll. Nun werde eine Vielzahl von Regeln in ein einziges Gesetz zusammengefasst. Man stelle damit auch sicher, dass Lebensversicherungen nicht als Spekulationsobjekte verwendet werden.

EU-Anpassungen bei Investmentfonds und Erleichterungen für Crowdfunding

Das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz und das Investmentfondsgesetz werden durch den heutigen Beschluss an europäische Standards angepasst. In der detaillierten Novelle geht es vor allem um Erleichterungen der kurzfristigen Finanzierung sowie um Sanktionsbefugnisse der Finanzmarktaufsicht (FMA), aber auch um praxisgerechte Adaptierungen.

Änderungen im Kapitalmarktgesetz und im Alternativfinanzierungsgesetz wiederum zielen auf eine Vereinfachung und Harmonisierung des Prospektrechts ab. Die Novelle soll dabei vor allem mehr Handlungsspielraum für Crowdfunding und Crowdinvesting ermöglichen.

Ingo Appé (SPÖ/K) sah in den beiden Novellen neben technischen Klarstellungen auch eine Reihe von Änderungen, die einen deregulierenden Charakter für den Finanzmarkt entfalten. Der Finanzmarktaufsicht würden künftig wesentliche Informationen vorenthalten, kritisierte er. Gerade die Erfahrungen aus der Vergangenheit, die große Finanzkrise 2008 und der Hypo-Alpe-Adria-Skandal hätten die negativen Folgen fehlender Regulierungen deutlich gemacht. Appé befürchtet auch eine Schwächung des Konsumentenschutzes bei alternativen Anlageformen. Die SPÖ könne den beiden Novellen daher nicht zustimmen. Den aus ihrer Sicht deregulierenden Charakter der neuen Bestimmungen merkte auch Ewa Dziedzic (GRÜNE/W) kritisch an und meinte ebenfalls, aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre habe sie dafür wenig Verständnis.

Hier gehe es nicht um Deregulierung des Finanzmarktes, sondern um seine Aktivierung, hielt Reinhard Pisec (FPÖ/W) der Kritik von SPÖ und Grünen entgegen. Der österreichische Finanzmarkt habe stark unter der Wirtschaftskrise gelitten, der Kapitalmarkt sei faktisch nicht existent. Der SPÖ fehle dafür offensichtlich das wirtschaftliche Verständnis. Gerade in der derzeitigen Niedrigzinsphase sei es auch wichtig, Kapital in Unternehmen zu lenken. Der Finanzmarkt biete eine Dienstleistung für Unternehmen, die zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten suchen. In Österreich müssten dabei vor allem KMU und die Gründerszene stärker unterstützt werden. Auch die vereinfachte Prospektpflicht diene dazu, bessere Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen.

Eduard Köck (ÖVP/N) sah ebenfalls die Notwendigkeit, bessere Möglichkeiten für kurzfristige Finanzierungen und für Crowdfunding zu schaffen, um Unternehmen zu Kapital zu verhelfen. Auf eine gewisse Absicherung der AnlegerInnen sei sehr wohl Bedacht genommen worden, betonte er. Letztlich müsse man sich aber im Klaren sein, dass Risikokapital immer ein bestimmtes Wagnis bedeute. Crowdfunding habe sich sehr gut entwickelt, müsse aber noch weiter gefördert werden.

Forschungsförderungsgesellschaft wird um Digitalisierungsagentur erweitert

Bei der Forschungsförderungsgesellschaft wird nun eine Agentur eingerichtet, die speziell für den Bereich Breitband und Digitalisierung zuständig sein soll. Ein entsprechendes Gesetz zur Schaffung einer Digitalisierungsagentur billigte der Bundesrat mehrheitlich.

Die Digitalisierung brauche ganzheitliche Lösungen, da sie alle Lebensbereiche erfasse, betonte die Wiener Bundesrätin der Grünen Ewa Dziedzic (GRÜNE/W). Die Digitalisierungsagentur könne nur dann eine positive Rolle spielen, wenn sie auf eine solche ganzheitliche Sichtweise ausgerichtet sei. Auch Doris Hahn (SPÖ/N) verwies auf die Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitswelt und Alltag und warnte vor der Entstehung eines "Digital Gap". Kein Verständnis zeigte sie dafür, dass die Agentur auf zwei Ministerien aufgeteilt werden soll. Der Beirat werde außerdem einseitig mit VertreterInnen der Wirtschaft besetzt. Die SPÖ könne damit nicht einverstanden sein.

Die neue Digitalisierungsagentur werde sofort drei wichtige Projekte im Bereich der Digitalisierung umsetzen, sagte Eduard Köck (ÖVP/N). Aus seinen Erfahrungen mit dem Breitbandausbau in Niederösterreich sei eine Agentur, die eine koordinierende Funktion übernehmen kann, nur zu begrüßen. Köck ist der Überzeugung, dass die Digitalisierung letztlich mehr Arbeitsplätze schaffen werde, als wegrationalisiert werden.

Auch Bundesrat Peter Samt (FPÖ/St) sah die Notwendigkeit, den Breitbandausbau zu fördern. Seine Erwartung an die Agentur ist, dass sie die Regionen und Gemeinden dabei gezielt unterstützt.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland und internationale Abkommen über Datenaustausch bei Finanzkonten

Ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland, das nach dem Nationalrat auch den Bundesrat mit Stimmeneinhelligkeit passierte, nimmt insbesondere Anpassungen der Dividendenbesteuerung und der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen an das Musterabkommen der OECD vor. Einstimmigkeit gab es auch zu zwei internationalen Abkommen, die den automatischen Datenaustausch über Finanzkonten sowie die Sicherstellung von länderbezogenen Berichten zur gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen betreffen. Konkret soll damit der internationale Datenaustausch über Finanzkonten ausländischer Bankkunden erstmals im September 2018 für das Jahr 2017 durchgeführt werden.

Peter Oberlehner (ÖVP/O) erinnerte daran, dass das Doppelbesteuerungsabkommen 2002 geschlossen und 2011 neu verhandelt wurde. Von seiner Aktualisierung erhofft sich der Bundesrat positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen mit Russland. Die beiden Abkommen stellen aus seiner Sicht einen Beitrag zu fairen Wettbewerbsbedingungen und zur Transparenz in Steuerangelegenheiten zwischen Österreich und einer Reihe von zusätzlichen Staaten dar.

Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland lobte Reinhard Pisec (FPÖ/W) mit dem Hinweis, Russland habe sich in Bezug auf die Rechtssicherheit für Unternehmen sehr positiv entwickelt. Man sollte diese Gelegenheit nützen, die Wirtschaftsbeziehungen auszubauen. Pisec stellte in diesem Zusammenhang auch die Sinnhaftigkeit der Sanktionen gegen Russland in Frage und meinte, Europa solle den Schulterschluss mit den USA überdenken. Peter Samt (FPÖ/St) wies darauf hin, dass die Abkommen neu geregelt werden müssen, nachdem nun eine Reihe weiterer Länder in den automatisierten Datenaustausch einbezogen wurden.

Stefan Schennach (SPÖ/W) sprach die Frage der Sanktionen gegen Russland an. Auch aus seiner Sicht sollten diese kritisch betrachtet werden, da sie nicht die erwünschte Wirkung zeigen und in eine Sackgasse geführt haben. Es handle sich aber in erster Linie um Entscheidungen der EU, mit den USA habe diese Frage jedoch wenig zu tun. Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland sei nun um wesentliche Bestimmungen erweitert worden. Russland wolle dafür sorgen, dass missbräuchliche Gewinnverschiebungen ins Ausland verhindert werden. Österreich habe seinerseits klar festgehalten, für welches Territorium das Abkommen gilt. Diese Feststellung sei in Hinblick auf die territoriale Integrität der Ukraine erfolgt, erläuterte Schennach. (Fortsetzung Bundesrat) sox


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