Parlamentskorrespondenz Nr. 1057 vom 09.10.2018

Die Wiener Rothschilds: Wiederentdeckung eines ausgelöschten Kapitels österreichischer Geschichte

Roman Sandgruber präsentierte Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses im Palais Epstein

Wien (PK) – Das Schicksal einer der bedeutendsten Bankiers- und Unternehmerfamilien Europas, der Familie Rothschild, ist Thema des neuen Buches von Roman Sandgruber. Das umfassende Werk "Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses" wurde auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und dem Molden-Verlag gestern Abend vom Autor im Palais Epstein der Öffentlichkeit vorgestellt.

Er freue sich, dass dieses wichtige Buch, das eine Lücke in der österreichischen Geschichtsschreibung schließe, gerade im Gedenkjahr der Republik präsentiert werden könne, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in seinen Begrüßungsworten. Bekanntermaßen war die Geschichte dieser Familie eng mit dem Aufbruch und dem Wandel der Habsburgermonarchie zu einer modernen Marktwirtschaft im 19. Jahrhundert verbunden. Als Beispiel dafür führte der Nationalratspräsident seine Heimatstadt Waidhofen an der Ybbs an, wo Albert Rothschild ausgedehnte Besitzungen erwarb. Der thematische Bogen des Buches spanne sich vom Aufstieg der Familie bis zu den Auseinandersetzungen um die Restitution in der Zweiten Republik und berühre dabei viele Aspekte, die für ein vertieftes Verständnis des Werdens unserer Republik von Bedeutung sind, sagte Sobotka.

Seiner Freude über das gelungene Buchprojekt verlieh der Geschäftsführer des Molden Verlags, Matthias Opis, Ausdruck. Sandgruber beleuchte nicht nur ein wichtiges Kapitel der österreichischen Geschichte und des jüdischen Großbürgertums in Wien, er erzähle diese auch spannend und mitreißend, dabei jedoch immer wissenschaftlich fundiert. Sandgruber habe dabei immer auch die Menschen hinter den historischen Ereignissen im Blick und zeige ihre sehr persönlichen Eigenheiten, Sorgen und Nöte. Das Werk stelle sich damit auch dem drohenden Verlust der Erinnerung entgegen.

Die Geschichte der Rothschilds folge einem sich in der Wirtschaftsgeschichte oft wiederholenden Schema von Aufstieg und Niedergang eines Familienunternehmens, sagte Roman Sandgruber in seiner Präsentation des Buches. In diesem Fall gehe es jedoch um eine Familie, die nicht nur wirtschaftsgeschichtlich, sondern auch kulturgeschichtlich und vor allem politisch eine außergewöhnliche und einzigartige Rolle spielte. Dem Gründer der Familiendynastie, Amschel Mayer Rothschild, gelang es, aus der Enge des Frankfurter Ghettos heraus mit seinen Söhnen den Grundstein für ein Familienunternehmen von Weltrang zu legen. Die Rolle der Wiener Rothschilds für die österreichische Wirtschaftsgeschichte sei zwar in ihren großen Zügen bekannt gewesen. Für ihn als Wirtschafts- und Sozialhistoriker gab es aber noch eine Reihe von bislang unbekannten Aspekten zu entdecken. Die Mitglieder des "Welthauses Rothschild" entwickelten mit dem wirtschaftlichen Erfolg zunehmend ein Interesse für kulturelle und soziale Fragen. Die Erinnerung an ihre großen Leistungen sei heute zwar fast völlig aus dem Wiener Stadtbild gelöscht worden, stellte Sandgruber fest. Er hoffe daher, dass dieses Buch eine angemessene Würdigung der Familie Rothschild, die für Wien und Österreich das Tor zur Welt aufgestoßen hat, bietet. (Schluss) sox

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