Parlamentskorrespondenz Nr. 1082 vom 11.10.2018

Migration und Westbalkan als zentrale Herausforderungen für die EU-Außenpolitik

Internationale Parlamentarierkonferenz über Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes

Wien (PK) – Die Themen Sicherheit, Migration, Schutz der EU-Außengrenzen, aber auch der Erweiterungsprozess am Westbalkan standen heute auf der Tagesordnung der Internationalen Konferenz für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), die im Rahmen der parlamentarischen Dimension des österreichischen EU-Ratsvorsitzes im Erste Campus abgehalten wurde.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka trat in seinen Begrüßungsworten für eine neue Kooperation Europas mit Afrika ein und plädierte zudem für qualifizierte Mehrheiten in der Außenpolitik der Union. Bundesratspräsidentin Inge Posch-Gruska wiederum sieht die Union aufgefordert, für sozialen und wirtschaftlichen Ausgleich zu sorgen. Andreas Schieder sprach als Obmann des Außenpolitischen Ausschusses von der Notwendigkeit, die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika auf neue Beine zu stellen, was auch der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Reinhard Bösch mit seinem Ruf nach verstärkter Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der MigrantInnen bestätigte. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die via Videoschaltung an der Konferenz teilnahm, bekräftigte den Willen der EU, den Erweiterungsprozess am Westbalkan zu konsolidieren.

Sobotka: Europa muss mit einer Stimme sprechen, um außenpolitisch handlungsfähig zu sein

Die Außenpolitik sei auch Aufgabe der Parlamente, bekräftigte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und gab zu bedenken, dass internationale Verträge sowie letztlich auch die Budgetmittel für internationale Politik von den Parlamenten genehmigt werden. Das österreichische Parlament nehme seine außenpolitische Rolle wahr und bringe sich in den Nachbarschaftsbeziehungen, aber auch im EU-Erweiterungsprozessam Westbalkan aktiv ein. Sobotka erinnerte in diesem Zusammenhang an das jüngste Treffen mit seinen Amtskollegen aus Tschechien und der Slowakei in Kremsier, bei dem eine stärkere interparlamentarische Zusammenarbeit der drei Länder vereinbart wurde.

In der Migrationspolitik braucht es aus Sicht des Nationalratspräsidenten eine Neuausrichtung der Partnerschaft mit Afrika, und zwar eine Kooperation auf Augenhöhe. Was die gemeinsame europäische Außenpolitik betrifft, plädierte Sobotka für ein Europa, das mit einer Stimme spricht. Ein Überdenken des Einstimmigkeitsprinzips in gewissen Bereichen sei notwendig, um als EU weltpolitisch effizienter auftreten zu können.

Sobotka unterstrich in seinem Statement auch die zentrale Bedeutung der Westbalkan-Staaten für das Friedenprojekt Europa. Er machte auf die nach wie vor bestehenden Bruchlinien in der Region aufmerksam. Von dort hätten europäischen Konflikte in der Vergangenheit immer wieder ihren Ausgang genommen. Gerade vor diesem Hintergrund sei es unumgänglich, dem Balkan eine Perspektive in Richtung EU zu geben. Beitritte dürften aber nicht mit "Rabatt" erfolgen, sondern müssten an die volle Durchsetzung der europäischen Grundsätze geknüpft werden. So könne es durchaus sinnvoll sein, einen gemeinsamen wirtschaftlichen Raum mit den Westbalkan-Staaten bereits vor einem Vollbeitritt zu definieren. Das österreichische Parlament biete jedenfalls Hilfestellung bei der Heranführung der Region an die EU, so etwa auch durch die Demokratiewerkstatt in Montenegro und Kosovo oder durch ein geplantes Stipendienprogramm für MitarbeiterInnen von Parlamentsverwaltungen.

Posch-Gruska: EU muss auch sozialen Schutz bieten

Inge Posch-Gruska sprach als Präsidentin de Bundesrats von einer äußerst engagierten Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte der Länderkammer und betonte, der österreichische Bundesrat sei bei der Subsidiaritätskontrolle im europäischen Vergleich eine der aktivsten Kammern nationaler Parlamente. Subsidiarität sei ein wichtiges Prinzip der Europäischen Union, dürfe aber nicht zur Forcierung kurzsichtiger Nationalismen missbraucht werden, warnte sie in diesem Zusammenhang.

Für Posch-Gruska gilt es vor allem, das zuletzt verlorene Vertrauen der Menschen in die Europäische Union wieder zurückzugewinnen. Die EU müsse sich krisenfest zeigen, ohne dabei auf das Wohl ihrer BürgerInnen zu vergessen. Ein Europa, das schützt, habe daher auch den sozialen Schutz und die Absicherung des Wohlstands zu umfassen, stellte sie in Anspielung an das Motto der Bundesregierung für den Ratsvorsitz fest. Der Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und sozialen Aspekten mache die wahre Stärke der Union aus, Brüssel müsse zeigen, dass Wirtschaftswachstum, Beschäftigungspolitik und Sozialpolitik Hand in Hand gehen.

Nicht übersehen werden dürfe aber auch das Sicherheitsbedürfnis der Menschen, mahnte die Bundesratspräsidentin. Die Bewahrung von Sicherheit, Stabilität und Frieden nicht nur in der EU, sondern auch in der europäischen Nachbarschaft sei eine gemeinsame Herausforderung, für deren Bewältigung es eine tragfeste gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik brauche, unterstrich Posch-Gruska die Bedeutung der heutigen Konferenz.

Schieder für neue Nord-Süd-Beziehung

Für den Obmann des Außenpolitischen Ausschusses Andreas Schieder ist es unbestritten, dass die Migrationsfrage Europa vor große Herausforderungen stellt. Es gehe primär aber nicht darum, die "Festung Europa" weiter auszubauen, gab er zu bedenken. Was wir brauchen, sei vielmehr auch eine neue Nord-Süd-Beziehung, die die Ausbeutung vieler Staaten beendet. Schieder brach in diesem Sinn eine Lanze für eine neue Entwicklungszusammenarbeit und plädierte vor allem für faire Beziehungen zwischen Europa und Afrika.

Wesentlich ist für Schieder auch die Verbesserung der humanitären Lage in Syrien, dies gerade auch im Hinblick auf die Flüchtlingsströme. Was die Länder des Westbalkans betrifft, tritt der Obmann des Außenpolitischen Ausschusses für einen inklusiven Dialog mit den Beitrittskandidaten ein.

Bösch: EU muss gegen Schlepperei und Menschenschmuggel kämpfen

Die Migration habe gezeigt, wie notwendig die Entwicklung einer gemeinsamen, ganzheitlichen europäischen Politik in diesem Bereich ist, steht für Reinhard Bösch, den Obmann des Landesverteidigungsausschusses fest. Die Ansätze dazu müssen alle Migrationsrouten umfassen und auf der Einhaltung des Völkerrechts und der europäischen Werte beruhen, unterstrich er.

Dies bedeute den Schutz der europäischen BürgerInnen ebenso wie den Schutz der Menschen, die sich zur Migration entschlossen haben. Bösch forderte eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der MigrantInnen, meinte aber, bis zur Beseitigung aller Fluchtursachen werde es noch ein langer Weg sein. Deshalb sei es wichtig, gegen Menschenschmuggel anzukämpfen. Wer sein Glück auf der Flucht sucht, sollte dies jedenfalls nicht über Schlepper tun, betonte Bösch.

Mogherini: EU will Erweiterungsprozess am Westbalkan konsolidieren

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die über eine Videoschaltung an der Konferenz teilnahm, bekräftigte die prioritäre Bedeutung des Westbalkans für die EU. Sie sprach von einer großen Chance für die Region, zumal sich die Dinge in Bezug auf eine EU-Annäherung nun beschleunigen. Es bestehe jedenfalls seitens der Union ein starker Wille, den Erweiterungsprozess zu konsolidieren. Dass mit Bulgarien, Österreich und Rumänien drei Staaten die Triopräsidentschaft ausüben, die nahe an der Region liegen, bezeichnete Mogherini dabei als einmalige Gelegenheit, da gerade diese Staaten ein besonderes Interesse an einer Integration des Westbalkans hätten.

In der Diskussion mit den ParlamentarierInnen unterstrich die EU-Außenbeauftragte, dass in Sachen Schutz der Außengrenze die Zusammenarbeit mit Libyen im Rahmen der Operation Sophia auch eine Menschenrechtskomponente beinhaltet. Was die Ukraine betrifft, gab Mogherini zu bedenken, der Erfolg dieses Landes werde von der Reformfähigkeit abhängen. Die Union unterstütze den Reformprozess, wesentliche Themen seien dabei vor allem die Achtung der Minderheitenrechte, Transparenz und die Bekämpfung der Korruption. Zum Thema Russland hielt sie fest, die Sanktionen seien keine Strategie, sondern ein Instrument, um Druck auszuüben. Sie zähle auf den Konsens in der EU in Richtung eines Weiterbestehens der Sanktionen, fügte sie an. (Fortsetzung GASP-GSVP-Konferenz) hof

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