Parlamentskorrespondenz Nr. 1119 vom 17.10.2018

SPÖ will Regierung zu Transparenz verpflichten

Verfassungsausschuss befasst sich mit zahlreichen Oppositionsanträgen

Wien (PK) – Mit einer breiten Palette von Themen befasste sich der Verfassungsausschuss des Nationalrats im zweiten Teil seiner heutigen Sitzung . Basis für die Diskussion bildeten Anträge der Oppositionsparteien, von denen jedoch keiner die Billigung der Ausschussmehrheit fand. In Bezug auf einige Anliegen zeigten sich ÖVP und FPÖ jedoch gesprächsbereit. Ein roter Faden, der sich durch die Initiativen der Opposition zieht, ist die Forderung nach mehr Transparenz, etwa bei der Regierungsarbeit und bei der Bestellung von VerwaltungsrichterInnen. Die Liste Pilz will darüber hinaus auch bei verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen Vergleich ermöglichen, das wird laut Justizminister Josef Moser derzeit in seinem Ressort geprüft.

Eigenes Gesetz soll mehr Transparenz in Regierungsarbeit bringen

Insgesamt acht Paragraphen umfasst das von der SPÖ vorgeschlagene Bundesregierungs-Transparenz-Gesetz (239/A ), mit dem Verfassungssprecher Peter Wittmann und seine FraktionskollegInnen mehr Transparenz in die Regierungsarbeit bringen wollen. Unter anderem drängt die SPÖ auf eine Veröffentlichung der Tagesordnungen und Beschlussprotokolle von Ministerratssitzungen, die Veröffentlichung sämtlicher in Auftrag gegebener Gutachten und Expertisen sowie die Veröffentlichung aller dienstlichen Termine der Regierungsmitglieder, mit besonderem Fokus auf Treffen mit LobbyistInnen. Für Gesetzesvorhaben und Verordnungsentwürfe der Ministerien soll zudem eine verpflichtende sechswöchige Begutachtungsfrist verankert werden, mit einer Verkürzungsmöglichkeit auf drei Wochen in begründeten Ausnahmefällen.

Bei seinem Forderungskatalog beruft sich Wittmann auf das Ergebnis der parlamentarischen Demokratie-Enquete. Zudem handle es sich um Forderungen von Bundeskanzler Sebastian Kurz, sagte er. Auch seine Fraktionskollegin Selma Yildirim hält eine Umsetzung für dringend geboten.

Informationsbroschüre für Volksabstimmungen und Volksbefragungen geplant

Einzelne Punkte des Antrags stießen bei FPÖ-Abgeordnetem Harald Stefan durchaus auf Wohlwollen, etwa was die Begutachtung von Gesetzen betrifft. Seiner Meinung nach wäre es aber sinnvoll, die Anliegen gemeinsam mit dem von der Regierung geplanten Demokratiepaket zu diskutieren. Das gilt auch für eine weitere SPÖ-Initiative (241/A ), die darauf abzielt, BürgerInnen vor Volksabstimmungen und Volksbefragungen eine leicht verständliche Informationsbroschüre nach dem Vorbild der Schweiz zur Verfügung zu stellen. Das sei auch seitens der Regierung geplant, betonte Stefan, dazu brauche es aber eine längere Vorlaufzeit. Wenig hält der FPÖ-Verfassungssprecher hingegen davon, Gesprächstermine von Regierungsmitgliedern und Gastgeschenke zu veröffentlichen.

Seitens der NEOS hielt Nikolaus Scherak fest, er befürworte alles, was mehr Transparenz bringe. So sei es etwa sinnvoll, ein sechswöchiges Begutachtungsverfahren gesetzlich zu verbriefen. Auch sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, mit öffentlichen Mitteln finanzierte Studien zu veröffentlichen. Ob im Abstimmungsbüchlein für Volksabstimmungen tatsächlich auch alle Parlamentsparteien zu Wort kommen sollen, ist nach Meinung von Scherak jedoch zu hinterfragen. An ÖVP und FPÖ appellierte Scherak, möglichst bald mit den Verhandlungen über das geplante Demokratiepaket zu beginnen, schließlich handle es sich um ein höchst komplexes Vorhaben. Er hält die Aussage, es komme alles 2022, aber ohnehin für einen "politischen Schmäh".

SPÖ kündigt Entwurf für Informationsfreiheitsgesetz an

Dem Bundesregierungs-Transparenz-Gesetz gar nichts abgewinnen kann hingegen Alfred Noll (PILZ). Es brauche nicht zitzerlweise mehr Transparenz, sondern ein umfassendes Informationsfreiheitsgesetz, bekräftigte er. Seine Vermutung, dass sich die SPÖ offenbar von einem solchen verabschiedet habe, wiesen die SPÖ-Abgeordneten Angela Lueger, Peter Wittmann und Johannes Jarolim jedoch umgehend zurück. Sie stellten eine entsprechende Gesetzesinitiative für die nächsten Wochen in Aussicht. Wittmann befürchtet allerdings, dass es dazu keine Zustimmung der Koalitionsparteien geben wird.

Seitens der ÖVP wies Wolfgang Gerstl darauf hin, dass Ministerratsprotokolle bereits seit einiger Zeit auf der Website des Bundeskanzleramts veröffentlicht würden. Beide SPÖ-Initiativen wurden schließlich vertagt.

Liste Pilz fordert Vergleichsmöglichkeit bei verwaltungsgerichtlichen Verfahren

Auf geteilte Reaktionen im Ausschuss stieß ein Antrag der Liste Pilz, der darauf abzielt, nach dem Vorbild der Zivilprozessordnung auch bei verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen Vergleich zu ermöglichen (301/A(E) ). Alfred Noll erwartet sich von einem solchen Schritt nicht nur eine drastische Senkung der Arbeitsbelastung der Verwaltungsgerichte und damit verbundene Kosteneinsparungen, sondern auch eine erhebliche Verfahrensbeschleunigung. Damit würden auch im Regierungsprogramm formulierte Ziele erreicht.

In der Debatte wies Noll darauf hin, dass es in Deutschland bereits derartige Vergleichsmöglichkeiten gebe. Dort würden sogar 50% bis 60% der Verwaltungsgerichtsverfahren per Vergleich erledigt. Das bringe Ersparnisse in Millionenhöhe. Noll räumte allerdings ein, dass die verfassungsrechtliche Lage in Österreich nicht ganz mit jener in Deutschland vergleichbar sei.

Skeptisch zum Antrag äußerte sich Markus Tschank (FPÖ). Vergleiche zwischen dem Staat und Einzelpersonen seien systemwidrig, meinte er. Schließlich stünden Gesetze wie die Bauordnung im öffentlichen Interesse und seien nicht verhandelbar. Ganz von der Hand zu weisen, sei das Anliegen aber nicht, sagte Tschank, möglicherweise gehe es Noll ja hauptsächlich um schnelle Vorverfahren.

Selma Yildirim (SPÖ) wies darauf hin, dass es innerhalb ihrer Fraktion unterschiedliche Meinungen zu dieser Frage gebe. Sie selbst hat Bedenken, dass die Eröffnung einer Vergleichsmöglichkeit zu Willkür führen könnte. Überdies gab sie zu bedenken, dass die amtswegige Wahrheitsfindung zentrale Aufgabe der Verwaltungsbehörden sei. Yildirims Fraktionskollege Jarolim kann sich hingegen durchaus Vergleiche in Verwaltungsgerichtsverfahren vorstellen.

Laut Justizminister Josef Moser beschäftigt sich das Justizministerium bereits mit dem Thema. Man prüfe derzeit verschiedene Möglichkeiten zur Beschleunigung von Verfahren. In Fällen, wo es schwierig und zeitaufwendig sei, den Sachverhalt festzustellen, könnte seiner Meinung nach etwa eine gütige Streitbeilegung durchaus Sinn machen.

Verwaltungsgerichte: NEOS fordern mehr Transparenz bei Richterbestellungen

Der Antrag wurde schließlich ebenso vertagt wie eine Initiative der NEOS zur Stärkung der Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Qualität der Rechtsprechung (348/A(E) ). Unter anderem schlagen Nikolaus Scherak und Irmgard Griss die Einführung eines spezifischen Ausbildungslehrgangs für RichterInnen der Verwaltungsgerichte, die Einführung eines transparenten Auswahlprozesses, öffentliche Hearings für GerichtspräsidentInnen, eine Stärkung der Personalsenate sowie periodische Leistungsbeurteilungen für das Richterpersonal vor. Zudem halten sie öffentliche Verhandlungen an den Verwaltungsgerichten, mit nur einer begrenzten Anzahl klar definierter Ausnahmen, für geboten.

Begründet wird der Antrag nicht zuletzt mit Zweifeln an der ausreichenden Qualifikation mancher VerwaltungsrichterInnen. Viele KandidatInnen würden zwar ein exzellentes materielles Fachwissen aus der Verwaltungspraxis mitbringen, aber über keinerlei Erfahrung an einem Gericht verfügen, machen Scherak und Griss geltend. Zudem stehe die Besetzungspolitik immer wieder in der Kritik. Die NEOS berufen sich in ihrem Antrag auch auf Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO).

Friedrich Ofenauer (ÖVP) hielt Scherak entgegen, dass eine völlige Angleichung der Ausbildung von VerwaltungsrichterInnen an die Ausbildung ordentlicher RichterInnen nicht zweckmäßig sei. Bei VerwaltungsrichterInnen sei es wichtig, dass diese Berufspraxis in der Verwaltung haben und sich in der jeweiligen Materie auskennen. Mit der Frage eines einheitlichen Richterbilds beschäftigt sich jedenfalls auch das Justizministerium, ebenso sind Justizminister Moser zufolge Compliance-Richtlinien für RichterInnen in Ausarbeitung.

SPÖ urgiert transparentes Auswahlverfahren für österreichische Richterstelle beim EuGH

Thema im Ausschuss war schließlich auch die Besetzung der österreichischen Richterstelle beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Nachdem die ursprünglich von der Regierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats nominierte Rechtswissenschaftlerin Katherina Pabel ihre Kandidatur zurückgezogen hat, wurde die Stelle neu ausgeschrieben. Die SPÖ drängt nun auf mehr Transparenz beim Auswahlverfahren (337/A(E) ), beim laufenden Nominierungsprocedere wird es allerdings wohl keine Änderungen geben. Der Antrag selbst wurde vertagt.

Begründet wird der SPÖ-Antrag von Andreas Schieder und seinen FraktionskollegInnen damit, dass die erste Nominierung mit einer "Blamage" für Österreich geendet habe. Pabel sei von der Regierung "in einer Nacht- und Nebelaktion durchgedrückt worden", kritisiert er. Ein öffentliches Hearing und die rechtzeitige Einbindung des Parlaments könnten nach Meinung der SPÖ dazu beitragen, dass weniger parteipolitische Überlegungen und mehr die Qualifikationen der KandidatInnen im Vordergrund stehen. Das wurde auch von SPÖ-Abgeordnetem Jarolim in der Ausschussdebatte bekräftigt. Er sprach in Bezug auf die Nominierung Pabels von einem unerfreulichen Schauspiel und einem kafkaesken Drehbuch.

Dem Anliegen der SPÖ schloss sich auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak an. Er teile nicht alles, was in der Begründung des Antrags stehe, Transparenz sei jedoch wichtig. Es brauche bessere Entscheidungsgrundlagen für die Mitglieder des Hauptausschusses.

Ausdrücklich zurückgewiesen wurde die im Antrag geäußerte Kritik an Pabel von Klaus Fürlinger (ÖVP) und Susanne Fürst (FPÖ). Pabel als ungeeignete Kandidatin zu bezeichnen, zeuge von Respektlosigkeit, sagte Fürlinger. Fürst sprach von einer medialen Hinrichtung Pabels, für die ihrer Meinung nach die SPÖ hauptverantwortlich ist. Über eine Änderung des Bestellmodus könne man diskutieren, erklärte Fürst, mehr Transparenz dürfe aber nicht mehr Gesinnungsprüfung bedeuten.

Wolfgang Gerstl (ÖVP) erinnerte daran, dass das Nominierungsverfahren bei Pabel das gleiche gewesen sei wie bei ihrer Vorgängerin Maria Berger. Diese sei noch dazu sehr zeitnah von ihrem Amt als Justizministerin in die Funktion einer EuGH-Richterin gewechselt. Laut Gerstl ist Pabel nicht beim EuGH-Hearing durchgefallen, wie medial kolportiert wurde, sondern zum Hearing gar nicht angetreten, weil der EuGH plötzlich ein Kriterium aufgestellt habe, dass zuvor so nicht kommuniziert wurde.

Zu den vielen Vertagungen im Ausschuss, auch was das Staatsziel "Wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort" betrifft, merkte Ausschussvorsitzender Peter Wittmann an, es habe sich um den ersten Verfassungsausschuss in seiner 21-jährigen Mitgliedschaft gehandelt, in dem sämtliche Initiativen vertagt wurden. (Schluss Verfassungsausschuss) gs