Parlamentskorrespondenz Nr. 1137 vom 21.10.2018

Sobotka: Der 21. Oktober 1918 markiert den Beginn der Selbstfindung Österreichs

Festsitzung von Nationalrat und Bundesrat am 21. Oktober 2018 zur historischen Stunde am historischen Ort

Wien (PK) – "Der 21. Oktober, als die Provisorische Nationalversammlung vor 100 Jahren zu diesem Zeitpunkt von 17.05 Uhr bis 18.02 Uhr an diesem Ort einberufen wurde, war der Auslöser zur Ausrufung der Republik und markiert zugleich auch den Beginn einer Selbstfindung Österreichs als eigenständige Nation, die bis heute noch andauert", betonte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka anlässlich der Festsitzung von Nationalrat und Bundesrat im Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse.

Man habe sich heute zusammengefunden, um den Stellenwert dieser Stunde in Erinnerung zu rufen, um zu reflektieren, was aus diesem Erbe geworden ist und worin die heutigen Herausforderungen liegen. In diesem Sinne spannte Sobotka am Schluss der Festsitzung einen Bogen zur Gegenwart, indem er das Parlament als den Ort bezeichnete, wo Auseinandersetzung und Diskussion stattfinden. In diesem Zusammenhang zitierte er nach Voltaire: "Ich kämpfe darum, dass Sie Ihre Meinung sagen können, auch wenn ich sie nicht teile."

Einmal mehr appellierte der Nationalratspräsident an alle Politikerinnen und Politiker, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Erbe von 1918 nicht nur zu verwalten, sondern auch Neues hinzuzufügen. Es gelte, den gegenseitigen Respekt zu wahren. "Der Respekt soll, ist und wird auch unsere Leitschnur in Zukunft sein", so Sobotka.

Die Einladung zur Festsitzung unter dem Titel "Tage der Entscheidung. Die Gründung der Republik 1918" erfolgte gemeinsam von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Bundesratspräsidentin Inge Posch-Gruska, Zweiter Nationalratspräsidentin Doris Bures und Dritter Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller. Eröffnet wurde die Veranstaltung durch den Nationalratspräsidenten. Der Bogen der sich daran anschließenden Ansprachen spannte sich von den Tagen der Entscheidung 1918, die Barbara Stelzl-Marx (Ludwig Boltzmann Institut) beleuchtet, bis hin zu Entscheidungsfragen der Gegenwart, die von Politikberater Thomas Hofer erörtert wurden. Darüber hinaus gaben die Klubobleute der Parlamentsfraktionen August Wöginger (ÖVP), Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Walter Rosenkranz (FPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) sowie Alfred Noll (Liste Pilz) Statements ab.

Musikalisch wurde die Festsitzung von einem Ensemble der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien begleitet. Für die Moderation zeichnete die Chefredakteurin des Kurier, Martina Salomon, verantwortlich.

Sobotka Es waren die Parlamentarier, die trotz aller Unterschiede die Beschlüsse getragen haben

Die Sitzung am 21. Oktober 1918 war wohl Antwort auf das Manifest Kaiser Karls, sagte Sobotka und unterstrich, dass es damals die repräsentative Demokratie, die Parlamentarier, gewesen sind, die die Entschlüsse getragen haben. Der Nationalratspräsident hob insbesondere hervor, dass es allen, trotz unterschiedlicher Standpunkte, ein Anliegen gewesen sei, die Republik zu gründen.

Somit könne man diesen Tag als Start eines Prozesses bezeichnen, an dessen Ende die Ausrufung der Republik stand. Der Nationalratspräsident erinnerte insbesondere an das Verantwortungsgefühl der damaligen Politiker, die die Herausforderungen angesichts der tristen wirtschaftlichen Lage und der katastrophalen Ernährungslage der Bevölkerung angenommen haben. Sie haben, so Sobotka, einen Prozess eingeleitet, einen Übergang, der sich schnell vollzog. Sie seien entschlossen gewesen, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. "Ihr Beschlüsse haben auf den Weg zu den freien Wahlen geführt," so der Nationalratspräsident.

Die Republiksgründung war von Parlamentariern getragen

Das Völkermanifest Kaiser Karls, das einen Umbau der Monarchie in einen Bundesstaat vorsah kam nicht nur zu spät, sondern beförderte den Zerfall der Monarchie. Die Bevölkerung war kriegsmüde, die Armee zeigte Zerfallserscheinungen.

Am 21. Oktober 1918 traten kurz nach 17.00 Uhr die deutschsprachigen Reichsratsabgeordneten im Sitzungssaal des niederösterreichischen Landhauses als "Provisorische Nationalversammlung" zusammen und beschlossen, den Staat Deutschösterreich zu gründen.

In ihrer zweiten Sitzung am 30. Oktober 1918 beschloss die Provisorische Nationalversammlung eine vorläufige Verfassung mit einer bedeutenden Stärkung des Parlaments sowie der Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit. Die Zensur wurde abgeschafft. Zudem wurde eine Regierung, der Staatsrat, eingerichtet, womit es damals zwei Regierungen gab - die kaiserliche und die deutschösterreichische. Weder die Grenzen des neuen Staates noch dessen Staatsform standen damals fest. Am 31. Oktober 1918 wurden die Staatsfarben Rot-Weiß-Rot festgelegt. Auch in den Ländern kam es analog zur Provisorischen Nationalversammlung zur Konstituierung von "Provisorischen Landesversammlungen". Die Länder erklärten ihren Beitritt zum neuen Staat.

Nach dem Waffenstillstand am 3. November 1918 in der Villa Giusti und der Verzichtserklärung des Kaisers am 11. November 1918 trat das Abgeordnetenhaus des alten Reichsrats einen Tag darauf zu seiner letzten Sitzung zusammen. Auch die Provisorische Nationalversammlung fand sich kurz nach 15.00 Uhr im Parlament am Ring ein und beschloss einstimmig, dass Deutschösterreich eine Republik sein soll. Die Proklamation des neuen Staates erfolgte vor einer großen Menschenmenge, die sich auf der Ringstraße vor dem Parlament eingefunden hatte, durch Präsident Franz Dinghofer und Staatskanzler Karl Renner, begleitet von den beiden anderen Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung Karl Seitz und Prälat Johann Nepomuk Hauser. Ein Umsturzversuch der radikalen linken Roten Garde misslang. (Fortsetzung Festsitzung) jan

HINWEIS: Fotos von der Festsitzung finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/fotos .