Parlamentskorrespondenz Nr. 1174 vom 25.10.2018

Nationalrat: Verstärktes Eintreten für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe

Anträge zur Abschaffung der Todesstrafe, gegen Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua und Christenverfolgung angenommen

Wien (PK) – In der Nationalratssitzung von heute erhielt die Bundesregierung drei Aufträge in Bezug auf Menschenrechte: sich verstärkt für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen, ihre Stimme gegen Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua zu erheben und gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten – insbesondere von Christen – einzutreten. Die ersten beiden Anträge aus dem Menschenrechtsausschuss wurden einstimmig angenommen, der Antrag, sich gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten auszusprechen, erhielt nur mehrheitlich seine Zustimmung. Vom Menschenrechtsausschuss in den Gleichbehandlungsausschuss wurde nach kurzer Debatte ein Bericht einer Expertengruppe zugewiesen, in dem es um den Umgang mit häuslicher Gewalt in Österreich ging.

Einsatz für Christen als verfolgte Gruppe

Grund für die teilweise Ablehnung des Antrags gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten war der Einschub "insbesondere christlicher Minderheiten". Er führte zu einer hitzigen Debatte. Christliche Minderheiten sind auf globaler Ebene besonders von religiöser Verfolgung betroffen, betonte ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler. Sie war vom Menschenrechtsausschuss als Berichterstatterin nominiert worden. Weltweit werden 200 Millionen Christen wegen ihres Glaubens verfolgt. Das Problem besteht laut dem Bericht vor allem in islamisch geprägten Ländern im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika generell. Laut Aussagen des UN-Sonderberichterstatters für Religionsfreiheit hat das Problem der Verfolgung von Menschen wegen ihrer Religion in den letzten Jahren insgesamt zugenommen. ÖVP-Abgeordneter Reinhold Lopatka wies darauf hin, dass der Einschub in Bezug auf die Christen "exemplarisch ist und nicht exklusiv ". Das sei gerechtfertigt, weil Christen eine in vielen Ländern verfolgte Religionsgemeinschaft darstellen. Er führte Ägypten als Beispiel an, wo immer wieder koptische Christen angegriffen werden. "Unser Ziel muss ein friedliches Miteinander der Religionsgemeinschaften sein", betonte er. Exemplarisch hob er auch das Zusammenleben mit jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern hervor.

FPÖ-Abgeordneter Hannes Amesbauer betonte, dass die Zahl der Angriffe auf Christen in den letzten Jahren stark zugenommen habe. Er zitierte aus der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit", wonach in Deutschland im Jahr 2017 100 Angriffe auf Christen stattgefunden hätten. Seine Parteikollegin Susanne Fürst brachte das mit der "Willkommenspolitik" in Zusammenhang, wonach zu wenig berücksichtigt worden sei, dass "wir uns damit islamische Verfolgungen hereingeholt haben". Fürst unterstrich auch, dass Christinnen und Christen die schutzbedürftigste Gruppe in Syrien sei. Sie verlangte, "wir sollten uns auf unsere Wurzeln zurückbesinnen und uns dafür einsetzen, dass Christen in aller Welt überleben". FPÖ-Abgeordnete Sandra Wassermann wies darauf hin, dass insbesondere Christinnen oft entführt, vergewaltigt und auch christliche Kinder missbraucht würden.

Vehement gegen den Zusatz "insbesondere christliche Minderheiten"

Abgeordneter Alfred Noll (Pilz) trat – wie bereits im Menschenrechtsausschuss – vehement gegen den Zusatzpassus "insbesondere christliche Minderheiten" ein. Er verknüpfte die Frage des Eintretens gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten mit den Menschenrechten allgemein. "Jede Besonderheit, auf die man hinweist, schwächt die Ächtung von Menschenrechtsverletzungen allgemein", sagte Noll. NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak sagte, man messe mit zweierlei Maß. Er erinnerte daran, dass im Ausschuss auch die Ratifizierung eines Fakultativprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention zur Debatte gestanden und vertagt worden war. "Damit hätte man konkret Individualbeschwerden bei Verletzungen dieser Konvention ermöglichen können", sagte Scherak. "Aber immer dann, wenn etwas konkrete Auswirkungen haben könnte, scheint es schwierig zu werden im Menschenrechtsausschuss."

SPÖ-Abgeordneter Harald Troch erinnerte, dass im Ausschuss auch Menschenrechtsverstöße in Ägypten auf der Tagesordnung standen – und auch dieses Thema vertagt wurde. Gerade dort gebe es 100 Delikte, auf die die Todesstrafe stehe. 2017 seien in Ägypten 340 Menschen zum Tod verurteilt worden, mindestens 29 davon seien hingerichtet worden. Troch warf den Regierungsparteien Doppelbödigkeit vor, aus strategischen und möglicherweise wirtschaftlichen Überlegungen. "Dort, wo es Ihnen angenehm ist, haben Sie ein Auge offen, dort, wo es Ihnen nicht ins System passt, haben sie ein Auge zu", warf Trochs Fraktionskollege Mario Lindner den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ vor. SPÖ-Abgeordnete Birgit Silvia Sandler unterstrich, Menschenrechte seien unteilbar und das müsse für alle gelten.

Menschenrechtsverstöße in Nicaragua

Einhelligkeit herrschte in der Nationalratsdebatte in Bezug auf den Fünf-Parteien- Antrag , wonach die Bundesregierung ersucht werden sollte, auf EU- und bilateraler Ebene gegen Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua aufzutreten und darauf hinzuwirken, dass der nationale Friedensdialog weitergeführt wird. Im Frühjahr beschloss die Regierung in Nicaragua, die Sozialbeiträge zu erhöhen und die Pensionen zu kürzen. Das führte zu Demonstrationen, gegen die die Regierung hart vorging. Bereits 500 Menschen sollen getötet und zahllose verletzt worden sein. Regimekritiker sollen ohne Haftbefehl festgenommen worden sein, auch Folter und Zensur der Medien stellen ein Problem dar. Das Europäische Parlament verurteilte "das Vorgehen der Polizei in Nicaragua und der gewalttätigen regierungstreuen Gruppen" am 31. Mai 2018. Auch die Europäische Kommission gab am 2. Oktober 2018 diesbezüglich ein klares Statement ab.

"Immer dann, wenn die Polizei auf die Bürgerinnen und Bürger eines Landes schießt, müssen wir darauf hinweisen, dass eine rote Linie überschritten ist – und das ist in Nicaragua der Fall", betonte Robert Laimer von der SPÖ. FPÖ-Abgeordneter Christian Ries wies darauf hin, dass Österreich und die EU Nicaragua immer noch Geld in den Rachen werfe. Er meinte, das sei zu überdenken.

Weltweite Abschaffung der Todesstrafe

Ebenso einhellige Unterstützung erfuhr ein Antrag , in dem die Regierung ersucht wird, auf bi- und multilateraler Ebene weiterhin für die generelle, weltweite Abschaffung der Todesstrafe einzutreten und sich für faire Gerichtsverfahren, die Umwandlung von Todesstrafen in Freiheitsstrafen sowie die Einhaltung des Hinrichtungsverbots von Minderjährigen einzusetzen. In einem Bericht der Vereinten Nationen war die Rede von Hinrichtungen von Menschen im Iran, die zum Zeitpunkt ihrer Tat minderjährig waren. Erst im Jänner 2018 sind im Iran drei Menschen hingerichtet worden, die mit 15 bzw. 16 Jahren einen Mord begangen haben sollen. Darüber hinaus sollen 80 Jugendliche in Todeszellen sitzen. Auch im Südsudan sind laut "Amnesty International" im Jahr 2017 zwei junge Menschen hingerichtet worden, die als Jugendliche straffällig geworden sind.

"Wir müssen uns insgesamt gegen die Todesstrafe einsetzen, aber insbesondere gegen die Todesstrafe für Jugendliche", forderte ÖVP-Abgeordnete Kira Grünberg. "Die Abschaffung der Todesstrafe als Vision muss unser deklariertes Ziel sein." Grünbergs Parteikollegin Claudia Plakolm verlangte ein "klares Bekenntnis und ein entschlossenes Vorgehen gegen die Todesstrafe". FPÖ-Abgeordneter Josef Riemer wies darauf hin, dass die Vollstreckung von Todesstrafen mit Organhandel einhergehen könnte. "Das sollte man sich im Nationalrat einmal berichten lassen", regte er an. Riemer betonte, der Antrag enthalte nicht nur die Forderung nach dem Einsatz für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe, sondern auch nach der Abhaltung fairer Gerichtsverfahren. Außerdem sollten bereits ergangene Todesstrafen in Haftstrafen umgewandelt und Jugendliche niemals hingerichtet werden. "Kein Land soll über Leben und Tod entscheiden dürfen", sagte auch der fraktionslose Abgeordnete Efgani Dönmez.

SPÖ-Abgeordneter Andreas Kollross betonte, dass die Todesstrafe bereits in 106 Ländern der Welt abgeschafft sei, in sieben Ländern seien nur schwere Delikte, wie Kriegsverbrechen, mit dem Tod bedroht und in 29 Ländern sei die Todesstrafe noch im Gesetz, aber seit Längerem nicht exekutiert. "Allerdings gibt es die Todesstrafe noch in 56 Ländern ", unterstrich Kollross. Das sei ein Drittel dieser Welt, in dem zwei Drittel der Menschen lebten.

Österreich als Vorbild mit Ermüdungserscheinungen

Mit den Stimmen aller Parlamentsparteien wurde der von Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, Juliane Bogner-Strauß, vorgelegte Evaluierungsbericht der "Istanbul-Konvention" über Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO) dem Gleichbehandlungsausschuss zugewiesen. Er war ursprünglich für den Menschenrechtsausschuss vorgesehen. Dort herrschte Einstimmigkeit darüber, die Diskussion über den Bericht in den Gleichbehandlungsausschuss zu verlegen. Inhaltlich geht es um Maßnahmen zur Umsetzung eines entsprechenden Übereinkommens des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Obwohl Österreich durchaus als Vorbild auf diesem Gebiet gilt, würden sich laut Bericht "Ermüdungserscheinungen" bemerkbar machen und nicht alle Formen der Gewalt gleich gut bekämpft werden.

Gudrun Kugler (ÖVP) und Christian Ries (FPÖ) lobten das hohe Niveau des Gewaltschutzes in Österreich, das auch der GREVIO-Bericht feststellte, und betonten die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, etwa im Bereich des Opferschutzes. Bei jährlich tausenden Betretungsverboten aufgrund von häuslicher Gewalt gebe es nur wenige Rückfallstäter, erläuterte Ries. Voraussetzung für ein hohes Schutzniveau gegen häusliche Gewalt sei die Anzeige bei der Polizei, wozu aber leider oft die Bereitschaft fehle. Er dankte den Polizeibeamtinnen und -beamten, die in der sensiblen Materie in nur kurzer Zeit wichtige Entscheidungen zu treffen hätten. Beide sehen bei einigen Punkten Aufholbedarf, etwa bei Zwangsheirat und weiblicher Genitalverstümmelung. Auch in Österreich seien bis zu 8.000 Frauen von Genitalverstümmelung betroffen, so Kugler. Da einige bereits mit derartigen Verletzungen einreisen, lege die österreichische Entwicklungszusammenarbeit einen Schwerpunkt darauf, in den Communities und direkt im Herkunftsland, insbesondere Somalia, Bewusstsein zu schaffen. Kugler dankte der Ministerin für ihr Anliegen.

Auch SPÖ-Mandatarin Sabine Schatz hob den positiven Befund des Berichts hervor. Trotzdem brauche es dringend mehr Betreuungsplätze für Frauen, die direkt und akut von häuslicher Gewalt betroffen seien. Sie appellierte an die Regierung, diesbezüglich an einer Budgetierung zu arbeiten und finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Ebenso sei es nötig, in den Ausbau von Beratung, Sensibilisierungsmaßnahmen und Prävention zu investieren sowie die Kooperation und Abstimmung zwischen Justiz, Exekutive und Interventionsstellen verbessern. (Fortsetzung Nationalratssitzung) fan/gb