Parlamentskorrespondenz Nr. 1177 vom 25.10.2018

Nationalrat spricht sich für Umsetzung der Aarhus-Konvention aus

Abänderungsantrag löst heftige Kritik der Opposition aus

Wien (PK) - Umweltorganisationen sollen in Zukunft ebenso wie unmittelbar betroffene Personen die Möglichkeit der Beteiligung bei Entscheidungsverfahren in Umweltangelegenheiten haben. Dieses Ziel verfolgt ein so genanntes Aarhus-Beteiligungsgesetz , mit dem Österreich nun die Aarhus-Konvention umsetzt. De facto erhalten NGOs damit das Recht, gegen negative UVP-Feststellungsbescheide zu klagen. Im Umweltausschuss hatte die Koalition noch einen Abänderungsantrag eingebracht, um Ausnahmen für E-Autos von Tempobeschränkung auf Autobahnen, die mit der Begründung der Luftqualität verhängt werden – Stichwort "Luft-100er" – zu schaffen. Mit einem weiteren Abänderungsantrag im Nationalratsplenum wurden nochmals Spezifikationen der aufschiebenden Wirkung von Bescheiden vorgenommen.

Die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ sahen eine angemessene Umsetzung der Aarhus-Konvention. Nach Ansicht von SPÖ, NEOS und Liste Pilz wurden die Rechte der Umweltorganisationen hingegen zu wenig berücksichtigt. Die NEOS sahen von ihrer ursprünglich angekündigten Zustimmung aufgrund des neuen Abänderungsantrags wieder ab.

Ein weiterer Beschluss im Bereich der Umweltgesetzgebung betraf das Emissionsgesetz-Luft. Auch hier fiel die Zustimmung nur mehrheitlich aus, wie auch bei der Novellierung des Umwelthaftungsgesetzes und des Umweltinformationsgesetzes.

Aarhus-Konvention definiert Rechte von Umweltorganisationen in UVP-Verfahren

Vor Beginn der Debatte meldete sich SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried zur Geschäftsordnung, um, wie er sagte, die Usancen des Parlaments anzusprechen. Er habe gehört, dass die Koalitionsparteien in der Debatte einen neuen Abänderungsantrag einbringen wollen. Die kurzfristige Einbringung eines solchen Anträge lasse vermuten, dass die Koalition kein Interesse an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Opposition habe.

Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ) nahm die Kritik am Vorgehen der Koalition zu Beginn seiner Wortmeldung auf und sagte, offenbar sei nicht nur zum Aarhus-Beteiligungsgesetz, sondern auch zum UVP-Gesetz ein Abänderungsantrag der Koalition geplant. Die Opposition habe bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keinen der beiden Anträge gesehen. Das sei schlechter parlamentarischer Stil. Die Umsetzung der Aarhus-Konvention sei eine lange Geschichte der Verschleppung, erinnerte der SPÖ-Abgeordnete. Österreich habe sie zwar bereits 2005 ratifiziert, wurde jedoch 2014 von der EU für die Verzögerung der gesetzlichen Umsetzung verurteilt. Nun liege das überfällige Gesetz endlich vor. Positiv daran sei, dass Umwelt-NGOs der Zugang zu gerichtlichen Verfahren eröffnet werde. Allerdings sei die Umsetzung bloß lückenhaft. Weiters schaffe man drei unterschiedliche Niveaus des Zugangs zum Recht, was weitere Verfahren nach sich ziehen werde, kritisierte Feichtinger. Auch sei noch völlig offen, wie die Länder die Konvention umsetzen werden. Seine Fraktionskollegin Doris Margreiter übte ebenfalls heftige Kritik an der aus ihrer Sicht mangelhaften Umsetzung. Die Regierung bekenne sich zwar zum Umweltschutz, schränke diesen aber durch völlig willkürliche Entscheidungen wieder ein. Ein Beispiel sei auch der kurzfristig eingebrachte Abänderungsantrag, mit dem die Stellung der NGOs nochmals verschlechtert werde.   

Aus Sicht von Martina Diesner-Wais (ÖVP) sichert das Gesetz den Zugang zu Umweltverfahren, wie er in der Aarhus-Konvention vorgesehen sei. Selbstverständlich müssten für die Beteiligung an Verfahren die betreffenden Organisationen den im UVP-Gesetz definierten Standards entsprechen. Damit sichere man auch eine breite BürgerInnenbeteiligung, unterstrich Diesner-Wais. Die im Wasserrecht vorgenommene Ausweitung der Bewilligungsdauer für Wasserentnahmerechte der Landwirtschaft von 12 auf 25 Jahre sieht Diesner-Waus positiv. Damit gebe man den LandwirtInnen Planungssicherheit und baue bürokratische Hürden ab. Ernst Gödl (ÖVP) betonte, der Umweltschutz sei bei dieser Regierung gut aufgehoben. Sie treffe eine angemessene Abwägung zwischen den Interessen des Umweltschutzes und der Wirtschaft. UVP-Verfahren würden von einzelnen Gruppen immer missbraucht, um Projekte zu verzögern. Das betreffe auch solche, die nicht nur für den Wirtschaftsstandort, sondern auch im Sinne der Umwelt positiv zu bewerten sind. Dem werde nun ein Ende gesetzt.

Die Form der Einbringung des Abänderungsantrags führe die skandalöse Art und Weise der Umsetzung der Aarhus-Konvention fort, sagte Bruno Rossmann (PILZ). Diese sei völlig mangelhaft, die Koalition setze nur jenes absolute Minimum um, von dem sie sich erwarte, dass damit das laufende Vertragsverletzungsverfahren der EU beendet werden. Österreich werde so aber den völkerrechtlichen Beschwerdeverfahren, die ebenfalls laufen, nicht entgehen können. Unverständnis äußerte Rossmann auch darüber, dass man mit dem Argument des Föderalismus für UVP-Verfahren relevante Bereiche ausklammere. Es wäre Aufgabe der Umweltministerin gewesen, diese Bereiche mit den Ländern zu behandeln, sagte Rossmann. Außerdem werde mit den Regelungen NGOs und anderen Betroffenen weiterhin keine Parteistellung eingeräumt.

In einer zweiten Wortmeldung nach Einbringung des Abänderungsantrags nannte Bruno Rossmann (PILZ) das Vorgehen eine Missachtung des Parlamentarismus und der Prüfrechte der Opposition.

Michael Bernhard (NEOS) kritisierte ebenfalls die kurzfristige Einbringung eines Abänderungsantrages. Die Novelle werde nur deshalb umgesetzt, weil der Verwaltungsgerichtshof zur Erkenntnis gekommen ist, dass die Aarhus-Konvention unmittelbar anzuwenden sei. Darauf habe die Regierung reagiert. Die NEOS hätten sich ursprünglich für die Novelle ausgesprochen, der nun geplante Abänderungsantrag verschlechtere aber den Zugang zum Recht für Umweltorganisationen wieder, indem er die Verfahrensregeln wesentlich abändere. Das zeige, dass die Koalition internationale Abkommen nicht respektiere.

Umweltschutz sei wichtig, diese Überzeugung eine alle Parteien, sagte FPÖ-Abgeordneter Christian Höbart. Die Bundesregierung habe sich in diesem Bereich viel vorgenommen, um die CO2-Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, vor allem bei der E-Mobilität und dem Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Mit dem Gesetz, das heute debattiert werde, sichere man die Beteiligung der Umweltorganisationen. Dabei werde aber auf die Ausgewogenheit geachtet, um den manchmal schwierigen Spagat zwischen Interessen des Umweltschutzes und des Wirtschaftsstandorts zu schaffen. Bestimmte Mindestanforderungen für Organisationen, die sich an Verfahren beteiligen wollen, seien daher eine Selbstverständlichkeit.     

Nach Ansicht von Christian Hafenecker (FPÖ) bringt das Gesetz mehr Transparenz für Verfahrensbeteiligungen. Er brachte den angekündigten Abänderungsantrag von ÖVP und FPÖ ein, mit dem die aufschiebende Wirkung von Bescheiden und Beschwerden im Detail geregelt werden. Hafenecker sieht darin eine wichtige Maßnahme, da man verhindern müsse, dass Vereine eigens gegründet werden, um Verfahren zu verschleppen.

Michael Bernhard widersprach Hafenecker in einer tatsächlichen Berichtigung. Auch bisher seien keine kurzfristig gegründeten Vereine zu Verfahren zugelassen worden, sondern nur NGOs, die bereits mindestens drei Jahre bestanden.

Köstinger: Beteiligung von NGOs an Verfahren wird klar geregelt

Das Gesetz schaffe Rechtssicherheit für alle Beteiligten und wirke dem Vertragsverletzungsverfahren der EU entgegen, betonte Umweltministerin Elisabeth Köstinger. Die Beteiligung von Umweltorganisationen an gerichtlichen Verfahren werde damit klar festgeschrieben, betonte die Ministerin. Wenn nicht alle umweltrelevanten Materiengesetze darin erfasst werden, so beruhe das auf den unterschiedlichen Kompetenzen von Bund und Ländern im Umweltbereich. Köstinger erklärte, dass aus ihrer Sicht der Verkehr der wichtigste Bereich für die Erreichung der CO2-Ziele in Österreich ist. Sie habe daher bereits mit dem Verkehrsminister ein Paket zur Förderung der E-Mobilität beschlossen. Man setze dabei auf die Schaffung von Anreizen. Die Ausnahmen von Geschwindigkeitsbeschränkungen für E-Fahrzeuge sei ein erster wichtiger Schritt, um E-Fahrzeuge auf die Überholspur zu bringen.

Heftige Kritik der Opposition an kurzfristiger Einbringung eines Abänderungsantrags

Abgeordneter Jörg Leichtfried kritisierte am Ende der Debatte in einer Wortmeldung zur Geschäftsordnung das Vorgehen der Koalition bei der Einbringung des Abänderungsantrags als inakzeptabel. Er forderte eine Sitzungsunterbrechung, damit der Antrag ausreichend studiert werden könne. ÖVP-Klubobmann August Wöginger und FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz betonten, das Vorgehen entspreche sowohl der Geschäftsordnung als auch den Gepflogenheiten des Hauses. Nikolaus Scherak (NEOS) widersprach Wöginger und sagte, seines Wissens entspreche es nicht den Usancen, einen Abänderungsantrag vom letzten Redner der Debatte einbringen und sofort darüber abzustimmen zu lassen. Auch Wolfgang Zinggl (PILZ) forderte eine Sitzungsunterbrechung, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller unterbrach daraufhin die Sitzung, um das Präsidium zu konsultieren. In weiterer Folge wurde die Debatte fortgesetzt. Kitzmüller stellte dabei fest, dass aufgrund der kurzfristigen Einbringung des Abänderungsantrags die Abstimmung nach der der Beendigung der Debatte über den letzten Tagesordnungspunkt der Sitzung erfolgen werde. Der Gesetzesantrag passierte das Plenum nur mit ÖVP-FPÖ-Mehrheit.

Emissionsgesetz-Luft: SPÖ sieht Regierung in Verzug

Durch das Emissionsgesetz-Luft 2018 kommt Österreich unionsrechtlichen Verpflichtungen auf dem Gebiet der Luftreinhaltung nach. So sollen nun für die Jahre 2020 und 2030 sowie zur Erreichung der Zwischenziele im Jahr 2025 Maßnahmen in allen Bereichen - von der Industrie über die Landwirtschaft bis zum Verkehr – gesetzt und in Luftreinhalteprogrammen dokumentiert werden.

Für SPÖ-Mandatar Erwin Preiner ist Österreich bei der Umsetzung der EU-Vorgaben in Verzug. Außerdem müssten bei der Luftreinhaltung auch die Länder miteinbezogen werden, wodurch es zu weiteren Verzögerungen kommen könnte. Preiner vermisste auch konkrete Maßnahmen der Umweltministerin zur Reduktion der Ammoniakemissionen. Die ablehnende Haltung der SPÖ zu dem Gesetz konnte Johann Rädler (ÖVP) nicht nachvollziehen. Angesichts der Tatsachen, dass die Meeresspiegel steigen und mehr Tote durch Hitze als durch Verkehrsunfälle zu beklagen seien, könne gegen eine Verpflichtung zur Reduktion von Emissionen nichts eigewendet werden. Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) setzt bei Gesundheit und Umweltschutz auch auf Bewusstseinsbildung. Umweltschutz fange schon in der Familie an und klimabewusstes Einkaufen sowie eine geringere KFZ-Nutzung würden auch zu einer besseren Luftqualität beitragen. Die Bundesregierung nehme das Thema Luftverschmutzung mit der Klima- und Energiestrategie ernst, betonte Walter Rauch (FPÖ). Er strich positiv hervor, dass in dem Gesetz grenzüberschreitende Luftverunreinigungen Rechnung getragen werde. Es handle sich um einen wichtigen Schritt hin zu einem Nationalen Luftreinhalteprogramm.

Dem schloss sich auch Umweltministerin Elisabeth Köstinger an. Das Luftreinhalteprogramm werde bis zum 1. April 2019 an die EU übermittelt, betonte sie. Bis zum Ende des Jahres werden Maßnahmen und Vorschläge erarbeitet und das Programm soll danach in Begutachtung gehen. Das aktuelle Emissionsgesetz-Luft folge zudem dem Europäischen Gerichtshof und der Aarhus-Konvention und beinhalte Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung. Hinsichtlich der Ammoniakemissionen gab die Ministerin zu bedenken, dass die erhöhten Werte vor allem auf die Landwirtschaft zurückzuführen seien, die im Sinne des Tierwohls vermehrt auf Freilandhaltung setze. Sie werde sich dieser Thematik aber widmen.

Köstinger sieht Umwelthaftungsgesetz als wichtiges Instrument bei erheblichen Umweltschäden

Eine Mehrheit im Nationalrat gab es auch für die Novellierung des Umwelthaftungsgesetzes und des Umweltinformationsgesetzes. Insbesondere geht es darum, den Kreis jener Personen, die zu einer Umweltbeschwerde berechtigt sind, auszuweiten und damit an das EU-Recht anzupassen. Außerdem werden Klarstellungen in Bezug auf den Begriff des Gewässerschadens vorgenommen.

Die Änderung sei eine Notwendigkeit, betonte Georg Strasser (ÖVP). Sie regle die Pflichten eines Betreibers von Betriebsanlagen, die einen Gewässer- oder Bodenschaden verursachen, aber auch die Möglichkeiten, die die Bevölkerung in solchen Fällen erhält sowie auch die Schritte, die eine Behörde setzen muss. Der Kreis jener, die eine Beschwerde einreichen können, werde durch das Haftungsgesetz angepasst, strich Friedrich Ofenauer (ÖVP) positiv hervor. Es zeige, dass man sich der Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen bewusst sei. Auch Andreas Kollross (SPÖ) sah das Gesetz positiv. Endlich gebe es ein bundesweites Umwelthaftungsgesetz, das das Verursacherprinzip berücksichtige. Kollross gab aber zu bedenken, dass es in den Bundesländern auch eigene Haftungsgesetze gebe und appellierte an die Umweltministerin, sich auf Länderebene dafür einzusetzen, dass sie dem Bund beim Haftungsgesetz nachziehen.

Als ein wichtiges Instrument bei erheblichen Umweltschäden bezeichnete Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger die Anpassung des Umwelthaftungsgesetzes. Es diene der Vorbeugung und Sanierung von Umweltschäden. Es werde nun an EU-Recht angepasst und trage damit auch dem anhängigen Vertragsverletzungsverfahren Rechnung. (Fortsetzung Nationalrat) sox/see