Parlamentskorrespondenz Nr. 1185 vom 29.10.2018

Neu im Verfassungsausschuss

Regierung legt erstes Gesetzespaket zur Kompetenzbereinigung vor

Wien (PK) – Die Regierung hat dem Nationalrat ein Gesetzespaket zur Entflechtung von Kompetenzen und zur Reduzierung der wechselseitigen Zustimmungsrechte von Bund und Ländern vorgelegt (301 d.B. ). Insbesondere geht es darum, die Zahl jener Materien zu reduzieren, in denen die Grundsatzgesetzgebung dem Bund und die Erlassung von Ausführungsgesetzen den Ländern obliegt. Weiters soll die Zuständigkeit für allgemeine Angelegenheiten des Datenschutzes beim Bund konzentriert werden. Das Mitspracherecht der Länder bei der Festlegung von Bezirksgerichtssprengeln wird gestrichen, im Gegenzug können die Länder künftig die Grenzen politischer Bezirke ohne Zustimmung des Bundes verschieben.

Weitere Punkte der Novelle betreffen die Möglichkeit der Kundmachung von Verordnungen der Gemeinden im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) und die Schaffung der Möglichkeit, den Verwaltungsgerichten durch einfache Gesetze weitere Aufgaben zuzuweisen. Zudem soll das Grundrecht auf Datenschutz neu formuliert werden. Für einen Beschluss des Pakets bedarf es sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat einer Zweidrittelmehrheit.

Neue Kompetenzverteilung ab 2020

Im Konkreten sieht der Gesetzentwurf vor, nur noch die Kompetenztatbestände Armenwesen, Heil- und Pflegeanstalten sowie Elektrizitätswesen im Artikel 12 der Bundesverfassung zu belassen. In diesen drei Bereichen wird der Bund vorerst weiter für die Grundsatzgesetzgebung und die Länder für Ausführungsgesetze und Vollziehung zuständig sein. Darunter fallen etwa auch die Mindestsicherung und die Krankenanstalten. Allerdings strebt die Regierung in weiterer Folge auch hier eine Kompetenzentflechtung an, wie in den Erläuterungen angemerkt wird.

Von den neun weiteren derzeit in diesem Artikel verankerten Kompetenztatbeständen wandert ein Großteil in die alleinige Zuständigkeit der Länder. Das betrifft etwa die Säuglings- und Jugendfürsorge, den Pflanzenschutz, die Bodenreform, natürliche Heilvorkommen (Thermalwasser) und Kuranstalten. Dem Bund werden demgegenüber die alleinigen Gesetzgebungskompetenzen für Bevölkerungspolitik, Arbeitsrecht und die außergerichtliche Streitvermittlung in Angelegenheiten des Zivilrechtswesens und des Strafrechtswesens übertragen. Von letztgenanntem Tatbestand ausdrücklich nicht umfasst sind gemäß den Erläuterungen Gemeindevermittlungsämter, Antidiskriminierungsstellen, Beratungsstellen und ähnliche Einrichtungen, für die die jeweilige materielle Zuständigkeit gilt.

In Kraft treten soll die neue Kompetenzverteilung grundsätzlich ab 2020. Das gilt auch für die in Aussicht genommene Bündelung der Datenschutzkompetenzen beim Bund. Allerdings ist bezüglich der Kinder- und Jugendhilfe eine spezielle Regelung vorgesehen, die die Länder vor der entsprechenden Kompetenzübertragung zum Abschluss einer innerstaatlichen Vereinbarung gemäß 15a B-VG verpflichtet. Damit will die Bundesregierung sicherstellen, dass das bisherige Schutzniveau in diesem Bereich erhalten bleibt. Weitere Übergangsbestimmungen sollen außerdem gewährleisten, dass keine Gesetzeslücken entstehen.

Reduzierung der wechselseitigen Zustimmungsrechte von Bund und Ländern

Reduziert werden darüber hinaus die wechselseitigen Zustimmungsrechte von Bund und Ländern. Das betrifft nicht nur die Festlegung der Grenzen von politischen Bezirken als künftig alleinige Kompetenz der Länder und von Gerichtssprengeln als alleinige Kompetenz des Bundes, sondern auch die Organisation der Ämter der Landesregierung, die Bestellung von LandesamtsdirektorInnen und die Verleihung des Stadtrechts an Städte mit mehr als 20.000 EinwohnerInnen. Auch in diesen drei Bereichen hat der Bund künftig kein Vetorecht mehr. Außerdem ist eine einheitliche Vorgangsweise bei verbleibenden Einspruchsrechten der Bundesregierung gegen einzelne Landesgesetze vorgesehen.

Ungeachtet der neuen Bestimmungen will die Regierung die Interessen der Länder bei einer Änderung der Sprengel der Bezirksgerichte jedoch weiter berücksichtigen, wie in den Erläuterungen zum Gesetzespaket festgehalten wird. Zudem ist dort die Zusage festgehalten, dass in jedem Bundesland zumindest ein Landesgericht bestehen soll.

Zugunsten von mehr Flexibilität bei Postenbesetzungen gestrichen wird die Bestimmung, wonach  LandesamtsdirektorInnen und MagistratsdirektorInnen aus dem Kreis der BeamtInnen kommen müssen. Künftig können darüber hinaus die Rechtsvorschriften aller Behörden, also etwa auch von Bezirksverwaltungsbehörden, Gemeinden, Gemeindeverbänden und von in den Ländern eingerichteten Selbstverwaltungskörpern (z.B. Ärztekammern), sowie von Verwaltungsgerichten im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) kundgemacht werden.

Dritter Anlauf zur Neuformulierung des Grundrechts auf Datenschutz

Schließlich enthält das Gesetzespaket, ergänzend zur Bündelung der Datenschutzkompetenzen beim Bund, auch eine Novellierung des Datenschutzgesetzes. Es ist bereits der dritte Anlauf, um das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf Datenschutz neu zu formulieren. Zuletzt ist das Vorhaben im April dieses Jahres an der fehlenden Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gescheitert, da die SPÖ auf die Einführung einer Verbandsklage im Datenschutzbereich pochte.

Ziel der Neuformulierung ist eine verständlichere Ausgestaltung der Verfassungsbestimmung bei grundsätzlicher Beibehaltung des bestehenden Schutzniveaus. So wird sich etwa am Recht auf Auskunft über verarbeitete Daten, auf Richtigstellung unrichtiger Daten sowie auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten nichts ändern.

Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz werden nur unter engen Voraussetzungen möglich sein, etwa bei ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen, bei berechtigtem Interesse eines anderen oder wenn öffentliches Interesse vorliegt. Wann letzteres genau der Fall ist, muss – in den entsprechenden Materiengesetzen – gesetzlich geregelt sein. Außerdem gilt stets der Grundsatz, dass Grundrechtsbeschränkungen verhältnismäßig sein müssen und auf das notwendige Maß zu beschränken sind ("Datenminimierung"). Ausdrücklich festgehalten wird, dass das Grundrecht auf Datenschutz auch Private – und nicht nur öffentliche Stellen – verpflichtet.

Das gesamte Gesetzespaket ist mit den Ländern koordiniert worden, wird in den Erläuterungen festgehalten. (Schluss) gs