Parlamentskorrespondenz Nr. 1248 vom 09.11.2018

Neu im Sozialausschuss

Tätigkeitsbericht des Anwalts für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung für das Jahr 2017

Wien (PK) – Im Jahr 2017 wurden insgesamt 622 Fälle registriert, bei denen sich Menschen mit Behinderung, deren Angehörige, Selbsthilfegruppen oder Interessensvertretungen an die Behindertenanwaltschaft gewandt haben. Dies ist dem aktuellen Tätigkeitsbericht zu entnehmen (III-197 d.B. ). Aus dem breiten Spektrum an Sachverhalten kristallisierten sich vor allem die Themen Bildung, Arbeit und Wohnen als Schwerpunkte heraus.

Seit Mai 2017 hat mit Hansjörg Hofer ein erfahrener Sozialexperte die Agenden des Anwalts für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung übernommen. Er weist in seinem Vorwort darauf hin, dass der Gesetzgeber im Oktober 2017 das sogenannte Inklusionspaket beschlossen hat, das unter anderem durch Ergänzungen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes und des Bundesbehindertengesetzes der Anwaltschaft weitreichendere Befugnisse eingeräumt hat. Damit wurde es u.a. möglich, unter bestimmten Voraussetzungen Klagen auf die Beseitigung und Unterlassung von Diskriminierungen, auch außerhalb des Versicherungsvertragsrechts, einzubringen.

Die wichtigsten Eckpunkte im Rahmen der Entwicklung des Behindertengleichstellungsrechts

Einen umfassenden Überblick über die Entwicklung des Behindertengleichstellungsrechts gibt das erste Kapitel des Berichts. Die Behindertenpolitik des letzten Jahrzehnts des vorigen Jahrhunderts war geprägt von einem gravierenden Wechsel der Vorzeichen, heißt es dort einleitend. Neben den – natürlich nach wie vor wichtigen – Gedanken der sozialen Absicherung traten die Themen der Menschenrechte (insbesondere in Form der Selbstbestimmtheit des Lebens) sowie der Gleichberechtigung durch Teilhabe am Leben (in) der Gesellschaft in den Vordergrund. Als wichtige Meilensteine der Gesetzgebung werden etwa der Beschluss des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes im Jahr 2005, die Verankerung der Gebärdensprache in der Verfassung, die Ratifikation der "Convention on the rights of persons with disabilities" (2008) oder die Verabschiedung eines Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderung (NAP Behinderung 2012-2020) hervorgehoben.

Darauf aufbauend konnten die im letzten Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen teilweise umgesetzt werden, wichtige Vorhaben – etwa im Bereich der Persönlichen Assistenz, der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung von Menschen mit Behinderung in der Tagesstruktur oder bei der Schaffung eines One-stop-shops für Hilfsmittel – blieben aber unerledigt. Die Behindertenanwaltschaft werde diese wichtigen Themenfelder weiterhin in ihrem Fokus behalten und messbare Fortschritte einmahnen.

Einer genaueren Analyse wurden auch die Pläne der neuen Regierung in Sachen Behindertengleichstellung unterzogen. Neben vielen positiven Aspekten, wie z.B. im Hinblick auf die Förderung zur Beseitigung von Barrieren oder Maßnahmen in den Bereichen Arbeitsmarkt und Bildung – wird im Bericht an zwei Punkten deutliche Kritik geübt. Einerseits geht es dabei um das Sonderschulwesen, das durch die Aufnahme von SchülerInnen ohne Behinderung inklusiv gestaltet werden sollte, wobei die besseren Ressourcen im Bereich der Sonderschulen einen Anreiz darstellen könnten. Darüber hinaus müssten die individuellen Fähigkeiten, Talente und Interessen mehr Berücksichtigung finden. In der Frage des Taschengeldes in Einrichtungen zur Beschäftigungstherapie und Tagesstruktur drängt die Anwaltschaft auf rasche Umsetzung eines Modells, das eine Absicherung in Form einer eigenständigen Kranken- und Pensionsversicherung vorsieht. Mittelfristig sei die Auszahlung von Entgelten für die geleistete Arbeit anzustreben.

Schwerpunkte der Anfragen und Beratungen in den Bereichen Bildung, Arbeit und Wohnen  

Die Aufgaben des Behindertenanwalts umfassen die Beratung und Unterstützung von Personen, die sich im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes oder des Behinderteneinstellungsgesetzes diskriminiert fühlen, wobei zu diesem Zweck Sprechstunden und Sprechtage im gesamten Bundesgebiet abgehalten werden können. Er kann zudem Untersuchungen zum Thema der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durchführen, Berichte veröffentlichen, Empfehlungen machen und Stellungnahmen im Rahmen von Begutachtungsverfahren abgeben.

Seit Inkrafttreten des sogenannten Inklusionspakets Anfang 2018 kann der Behindertenanwalt nunmehr auch zwei Arten von Verbandsklagen bei Gericht einbringen. Neben der Klagebefugnis im Bereich des Versicherungsvertragsrechts ist der Behindertenanwalt berechtigt, Klagen auf Feststellung einer Diskriminierung einzubringen, wenn diese gegen die Gebote bzw. Verbote des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes in einer Weise verstoßen, die die allgemeinen Interessen der durch dieses Gesetz geschützten Personen wesentlich und dauerhaft beeinträchtigen. Gegen große Kapitalgesellschaften nach dem Unternehmensgesetzbuch können Verbandsklagen auch auf Unterlassung und auf Beseitigung der Diskriminierung gerichtet werden.

Wie dem Bericht zu entnehmen ist, waren die von den Betroffenen angesprochenen Themen äußerst vielfältig und berührten fast alle Lebensbereiche. Diese betrafen etwa Diskriminierungen bzw. Probleme allgemeiner Art am Arbeitsplatz, bauliche und insbesondere kommunikationstechnische Barrieren, Klagen über fehlende Strukturen zur schulischen Integration und den mangelnden Zugang zu Dienstleistungen der Versicherungswirtschaft. Sie beinhalteten auch die Unterstützung bzw. Begleitung im Rahmen von Schlichtungsverfahren. Im Durchschnitt nahmen 52 Betroffene pro Monat das Beratungsangebot des Behindertenanwalts in Anspruch.

Intensiv in Anspruch genommen wurden auch die gebührenfreie Hotline sowie das digitale Postfach. Im Berichtsjahr wurden insgesamt 591 telefonische Beratungen durchgeführt, die eine besondere Zeit- und Ressourcenintensität aufwiesen, sowie zehn Sprechtage in den Bundesländern abgehalten. Darüber hinaus nahm die Behindertenanwaltschaft an 47 Schlichtungsverfahren als Vertrauensperson teil.

Neben einer ausführlichen Darstellung von exemplarischen Fällen, die einen guten Einblick in die konkrete Arbeit der Anwaltschaft ermöglichen, enthält der Bericht noch einen umfangreichen Katalog an Anregungen, die dazu dienen sollen, Schwachstellen bzw. Lücken in der Gesetzgebung des Bundes und der Länder zu schließen. Die Vorschläge reichen dabei von der Arbeitswelt, dem Gesundheitsrecht, dem Steuerrecht bis hin zum Straßenverkehr. (Schluss) sue