Parlamentskorrespondenz Nr. 1326 vom 22.11.2018

Nationalrat: Keine Mehrheit für Forderung der NEOS nach freier Kassenwahl

Andere Parteien wollen am System der Pflichtversicherung festhalten

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des Nationalrats stand auch ein Entschließungsantrag der NEOS zur Diskussion, der insbesondere darauf abzielte, den Versicherten freie Wahl bei der Auswahl der Krankenkasse zu lassen. Gleichzeitig soll den Kassen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Versicherungsbeiträge frei zu gestalten. Die Initiative stieß auf Ablehnung bei allen anderen Fraktionen, sie wollen am System der Pflichtversicherung festhalten.

Mit der Abkehr von der Pflichtversicherung würde man nicht nur das geltende Solidaritätsprinzip in der Krankenversicherung in Frage stellen, sondern auch die soziale Sicherheit im Krankheitsfall, gab FPÖ-Abgeordnete Brigitte Povysil (FPÖ) zu bedenken. Demgegenüber garantiere das derzeitige System gleiche Leistungen für alle Anspruchsberechtigten, soziale Gerechtigkeit durch lohnabhängige Beiträge und einen gesetzlicher Leistungsanspruch.

Auch Gabriela Schwarz (ÖVP) sieht in einer freien Kassenwahl keine Alternative zur Pflichtversicherung. In Deutschland, wo es dieses System gebe, stünden 120 verschiedene Krankenkassen zur Verfügung, schilderte sie. "Wollen Sie das wirklich?", fragte sie in Richtung der NEOS. Zudem sieht auch sie den Solidaritätsgedanken gefährdet.

Dem Einwand von Gerald Loacker, wonach es im derzeitigen System, abhängig vom jeweiligen Beruf, sehr unterschiedliche Leistungsansprüche gibt, hielt Schwarz entgegen, dass mit der geplanten Sozialversicherungsreform ein erster Schritt zur Leistungsharmonisierung gesetzt werde. Darauf verwiesen auch die beiden FPÖ-Abgeordneten Gerhard Kaniak und Dagmar Belakowitsch. Weitere Harmonisierungen werden in den nächsten Jahren folgen, sind sie überzeugt. Mit einem Schlag eine einzige Krankenkasse einzuführen, wäre nach Meinung von Belakowitsch eine Überforderung des Systems. Man dürfe nicht den ersten Schritt schlechtreden und nicht angehen, immerhin werde es innerhalb der Österreichischen Gesundheitskasse gleiche Leistungen und gleiche Beiträge geben, meinte auch Kaniak.

Sozialversicherung nicht mit anderen Versicherungen vergleichbar

Seitens der SPÖ betonte Philip Kucher, dass der Mensch kein Auto sei. Man könne die Sozialversicherung nicht mit anderen Versicherungen vergleichen, hielt er in Richtung der NEOS fest. Die Folge einer freien Kassenwahl könnte seiner Meinung nach sein, dass man dann im ländlichen Raum zwar vielleicht geringfügig niedrigere Versicherungsbeiträge zahlt, dafür aber auch keine Ärzte mehr vor Ort hat. Im Sinne des Solidaritätsprinzips hält Kucher allerdings auch die von den Regierungsparteien geplante Sozialversicherungsreform für verfehlt: ÖVP und FPÖ würden nicht einmal versuchen, allen Versicherten eine gleich gute Gesundheitsversorgung zukommen zu lassen.

Seitens der NEOS bedauerten Gerald Loacker und Nikolaus Scherak die ablehnende Haltung der anderen Parteien. Eine freie Kassenwahl sei in vielen Ländern gang und gäbe und hätte viele Vorteile, argumentierten sie. So würden Versicherte in den betreffenden Ländern von den Versicherungen als Kunden und nicht als lästige Bittsteller gesehen, zudem steige der Anreiz für Innovationen im Gesundheitssystem.

Die vorgebrachten Bedenken halten Loacker und Scherak für unberechtigt. Schließlich wäre es den Kassen gemäß dem Antrag ihrer Fraktion verboten, neue Versicherte abzulehnen. Zudem sei ein Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen vorgesehen und damit sichergestellt, dass eine Kasse, die beispielsweise mehr Arbeitslose und mehr ältere Menschen haben, zusätzliche Mittel bekomme. Die Angst vor der freien Kassenwahl sei abenteuerlich, sagte Scherak, offenbar hätten die anderen Parteien kein Vertrauen in den freien und unabhängigen Menschen.

Erfreut, dass Österreich bei der Pflichtversicherung bleibt und keine freie Kassenwahl einführt, zeigte sich hingegen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein. Sie hob zudem die Vorzüge der geplanten Sozialversicherungsreform hervor. (Fortsetzung Nationalrat) gs