Parlamentskorrespondenz Nr. 1391 vom 28.11.2018

Delegation aus Ungarn zu Besuch im Parlament

Aussprache mit österreichischen MandatarInnen über Justiz und Inneres

Wien (PK) – Ungarns Pläne für eine Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie Migrationsthemen und die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Ungarn standen heute im Mittelpunkt eines Gedankenaustauschs zwischen österreichischen und ungarischen MandatarInnen im Parlament. "Es ist wichtig, dass zwischen unseren beiden Parlamenten ein lebendiger Austausch stattfindet", sagte der Vorsitzende des ungarischen Justizausschuss Imre Vejkey. Ungarn ist dementsprechend an stärkeren parlamentarischen Beziehungen mit Österreich interessiert.

Vor dem Hintergrund der ins Auge gefassten Schaffung einer neuen Verwaltungsgerichtbarkeit in Ungarn ging Vejkey auf die Geschichte des Landes bis hin zur Ausrufung der Republik Ungarn 1989 ein. Eine kontinuierliche Rechtsprechung auszugestalten, sei deshalb erst seit den 1990iger Jahren möglich gewesen, infolge dessen sei eine neue Verfassung – ein "Grundgesetz eines freien Staates" – erst 2011 verabschiedet worden. Aktuell sei Ungarn dabei, das Verwaltungsrecht von Straf- und Zivilsachen abzutrennen und neue Verwaltungsgerichte einzurichten.

Auf die Frage Vejkeys, wie sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich bisher bewährt habe, berichteten die Vorsitzende des Justizausschusses Michale Steinacker (ÖVP), Hermann Brückl (FPÖ) sowie Irmgard Griss (NEOS) über die Verwaltungsreform 2014. "Davor waren keine Richter am Werk, wenn Recht gesprochen wurde. Seit 2014 urteilen Richter über Verwaltungsverfahren. Wir haben hier eine strenge Gewaltenteilung. RichterInnen müssen unabhängige, neutrale Personen in ihren Entscheidungen sein", sagte Steinacker.

"Bei der Auswahl von VerwaltungsrichterInnen muss jeder parteipolitische Einfluss verhindert werden. Es muss objektive Auswahlverfahren geben, die auf die Qualifikation der RichterInnen abstellen", bekräftigte auch Griss. Schon vor einigen Jahren habe sich etwa die Richtervereinigung für eine eigene Ausbildung von VerwaltungsrichterInnen ausgesprochen, der politische Wille habe bisher allerdings gefehlt. Nun laufe die Diskussion, ob es für VerwaltungsrichterInnen eine ähnliche Ausbildung wie für ordentliche RichterInnen geben soll, wieder an. Nachdem die Verwaltungsgerichte nunmehr dem Justizministerium unterstehen würden, gebe es eine Tendenz in diese Richtung. "Es wird auch dazu kommen, davon bin ich überzeugt", so Griss.

Steinacker meinte dazu, dass die Landesverwaltungsgesetze in Österreich sehr spezifisch seien, wodurch SpezialistInnen gebraucht würden, das Ziel allerdings eine gemeinsame richterliche Basisausbildung sein sollte.

Migrationsthema als Dauerbrenner

Einen großen Teil der Aussprache nahm das Thema Migration ein. Die ungarische Abgeordnete Andrea Varga-Damm interessierte sich dabei für Änderungen von Rechtsnormen in Österreich etwa als Folge der Flüchtlings- und Migrationswelle 2015. Dazu meinte Steinacker, dass sich Österreich als EU-Mitglied hier grundsätzlich innerhalb von EU-Recht bewege. Überall dort, wo nationales Recht anwendbar ist, seien allerdings Maßnahmen gesetzt worden, um die Krise in den Griff zu bekommen. "Wir haben die bestehende Gesetzeslage zum Teil durchaus genutzt", meinte Brückl, das habe sich etwa durch Grenzkontrollen gezeigt.

Griss merkte in diesem Zusammenhang an, dass das österreichische Fremdenrecht in den letzten Jahren oft geändert und damit sehr unübersichtlich geworden sei. Ein großes Problem stelle etwa nach wie vor die lange Dauer von Asylverfahren dar.

Imre Vejkey warf ein, dass durch die Situation mit terroristischen Gruppierungen in Mittelafrika 55 Millionen Menschen dazu gezwungen worden seien, sich in Richtung Nordafrika und Europa auf den Weg zu machen. Nicht abschätzbar sei, wie viele Menschen noch dazukommen würden, so Vejkey. Die illegale Migration, die bisher stattgefunden habe, sei nur ein Schatten dessen, was in nächster Zeit zu erwarten sei, unterstrich er. Ein ebensolches Problem stelle umgekehrt das Thema verfolgte ChristInnen vor allem im Irak und in Syrien dar, so Vejkey, der die Frage aufwarf, was man zu deren Schutz tun könne. Ungarn sei bisher das einzige Land, in dem es ein Staatssekretariat für verfolgte ChristInnen gebe.

ÖVP-Nationalratsabgeordneter Wolfgang Gerstl glaubt in Bezug auf Migration, dass sowohl Ungarn als auch Österreich aus dem Jahr 2015 gelernt haben. Der Schutz der nationalen Grenzen sei auch eine nationale Aufgabe. Seines Erachtens umfasse die Migrationsthematik nicht nur politisch oder religiös verfolgte Personen, sondern auch eine zu erwartende Bevölkerungsexplosion in den Entwicklungsländern. Afrika werde in 100 Jahren dreimal so viele EinwohnerInnen haben, so Gerstl, daher müsse man sich innerhalb der EU strategisch besonders des Kontinents Afrika annehmen. Als eines der Ziele zum Thema Migration nannte er, die EU-Außengrenzen zu schützen. Es würde außerdem wirtschaftlicher Projekte mit den Ländern in Afrika bedürfen, die an die Rücknahme von illegalen Flüchtlingen gebunden sein müssten.

Auch Susanne Fürst (FPÖ) befürchtet eine Bevölkerungsexplosion in Afrika und schloss sich diesbezüglich Gerstl an. Selbiges gelte für viele Länder im arabischen Raum. "Wir müssen in Richtung einer Festung Europa gehen", so Fürst, und "müssen die Außengrenzen zu machen." Gebremst werde aus ihrer Sicht dabei aber immer wieder von der internationalen Gerichtsbarkeit – etwa vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Christian Schandor (FPÖ) begrüßte den von Vejkey angesprochenen Wunsch nach verstärkter Zusammenarbeit auf ministerieller und parlamentarischer Ebene sowie bei den Polizeikräften. Er verwies darauf, dass gerade jetzt die Bedeutung des nationalen Militärs und der Polizei hervorzuheben sei, letztere werde in Österreich auch entsprechend aufgestockt. Einen Beitrag im Rahmen einer europäischen Armee schließe er als Österreicher aber definitiv aus, auch wenn Österreich sowie Ungarn einen Beitrag bei Frontex leisten müssten. Ein entscheidendes Problem bei Frontex ist Fürst (FPÖ) zufolge, dass Menschen, die im Meer aufgegriffen würden, nicht nach Afrika zurückgebracht werden dürften.

Die ungarischen Gäste verteidigten das Vorgehen ihrer Regierung gegenüber Kritik und unterstrichen, Ungarn stehe mit allen EU-Rechtsnormen im Einklang.

Wolfgang Gerstl führte auf entsprechende Fragen seitens der ungarischen Abgeordneten die Ziele der inneren Sicherheit in Österreich aus. Diese würden Kriminalitätsbekämpfung, Bekämpfung von staatsfeindlichem Extremismus sowie terroristischer Angriffe und den Kampf gegen Cyberkriminalität umfassen. Letzterer sei der einzige Bereich, der derzeit in Österreich steigende Zahlen aufweise. Dazu komme ganz klar eine Migrationspolitik gegen illegale Zuwanderung, sowie legale Zuwanderung nur nach den Bedürfnissen Österreichs. Angestrebt werde ebenso die konsequente Verhinderung von Asylmissbrauch durch verschärfte Sozialmaßnahmen und effizientes, grenzüberschreitendes Katastrophenschutzmanagement. Als Nachbarländer hält er Ungarn und Österreich für verpflichtet, innerhalb der EU zusammenzuarbeiten, auch wenn die Bedürfnisse in jedem Land ein wenig anders seien. Intensiv zusammenarbeiten möchte Gerstl auch mit allen Visegrád-Staaten, sowohl was Rechte, aber auch Pflichten betrifft.

Vonseiten des österreichischen Parlaments waren bei der Aussprache die Abgeordneten des Justiz- sowie Innenausschusses Michaela Steinacker, Wolfgang Gerstl (beide ÖVP), Hermann Brückl, Christian Schandor, Susanne Fürst (alle FPÖ) sowie Irmgard Griss (NEOS) vertreten. (Schluss) keg/mbu