Parlamentskorrespondenz Nr. 1392 vom 28.11.2018

Sexuelle Belästigung im Netz: Justizausschuss sieht Handlungsbedarf

Regierungsparteien wollen Ergebnisse der Taskforce abwarten und vertagen Anträge der Opposition

Wien (PK) – Dass sexuelle Beschimpfungen und psychische Gewalt im Netz nichts verloren haben, machten die Abgeordneten aller Fraktionen im Justizausschuss klar. Während die Opposition Maßnahmen im Strafrecht fordert, um den Schutz vor allem von Frauen zu verbessern, setzen die Regierungsparteien zunächst auf die Arbeiten der im Justizministerium eingerichteten Taskforce und vertagten entsprechende Initiativen von SPÖ, NEOS und JETZT.

Auf der Tagesordnung standen überdies ein Antrag des Parlamentsklubs JETZT betreffend Aus- und Fortbildung von StaatsanwältInnen im Umweltstrafrecht sowie ein Vorstoß der SPÖ für ein Gruppenverfahren. Die NEOS wiederum forderten entsprechende gesetzliche Adaptionen, um digitale Vignetten sofort nutzbar zu machen. Auch diese Anträge wurden jeweils in die Warteschleife verwiesen. Einstimmig zur Kenntnis nahmen die Abgeordneten schließlich den Weisungsbericht über die vom Justizministerium erteilten Weisungen nach Beendigung des betreffenden Verfahrens.

Opposition will Schutz vor sexuellen Belästigungen und Beschimpfungen im Netz ausbauen

Den Anstoß zur Debatte gaben Initiativen der Opposition auf einen Ausbau des Schutzes insbesondere von Frauen vor sexuellen Belästigungen und Beschimpfungen sowie psychischer Gewalt im Netz. SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek appellierte zunächst in einem gemeinsam mit Irmgard Griss (NEOS) und Stephanie Cox (JETZT) eingebrachten Entschließungsantrag (430/A(E)) an Justizminister Josef Moser, entsprechende gesetzliche Schritte auszuarbeiten. Schwerpunktmäßig sollten die legistischen Maßnahmen dabei das Strafrecht betreffen, für gelindere Fälle wären nach Meinung Heinisch-Hoseks auch Regelungen im Verwaltungsstrafrecht denkbar, diese allerdings mit spürbar hohen Höchststrafen. Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgen auch die NEOS, wobei Irmgard Griss in ihrer Initiative (422/A(E)) auf eine Verankerung von psychischer Gewalt und verbaler sexueller Belästigung als Straftatbestand im StGB drängt.

In diesem Zusammenhang lag dem Ausschuss auch ein gemeinsamer Antrag (334/A(E)) der Abgeordneten Martha Bißmann (ohne Fraktion) und Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) vor, in dem ebenfalls Initiativen zum besseren Schutz vor Hass im Netz sowie eine Revision des Straftatbestands der Ehrenbeleidigung gefordert werden. Das geschützte Rechtsgut sollte jedenfalls die Menschenwürde sein, heißt es darin. Angemessene Sanktionen verlangen die Initiatorinnen zudem gegen verbale sexuelle Beleidigungen.

Fälle der letzten Monate wie etwa die Causa Sigrid Maurer hätten gezeigt, dass derzeit bei Weitem kein ausreichender rechtlicher Schutz vor sexuellen Belästigungen, Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen im Netz besteht, stellten Heinisch-Hosek und Bißmann fest und gaben dabei zu bedenken, dass die Opfer meist Frauen sind. So würden die StGB-Tatbestände der Beleidigung und der üblen Nachrede kein taugliches Mittel zur Abwehr derartiger Übergriffe darstellen. Beleidigungen seien nur dann zu ahnden, wenn sie öffentlich erfolgen, bei der üblen Nachrede wiederum sei es erforderlich, dass diese für einen Dritten wahrnehmbar ist.

Heinisch-Hosek bedauerte, dass es nicht möglich war, sich beim Kampf gegen sexuelle Belästigung im Netz auf einen Fünf-Parteien-Antrag zu einigen. "Die Zeit drängt", unterstrich SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim die Dringlichkeit des Anliegens. Seine Fraktionskollegin Muna Duzdar wiederum stellte die Idee einer Sonder-Staatsanwaltschaft für Fälle sexueller Belästigung im Netz in den Raum und sprach überdies von derzeit bestehenden Gesetzeslücken.

"Das Internet ist kein rechtsfreier Raum", betonte ÖVP-Mandatarin Johanna Jachs. Das Ausmaß einer allfälligen Ausweitung des Strafrechts sollte ihrer Meinung nach aber gut überlegt werden. Ausschussobfrau Michaela Steinacker (ÖVP) hielt gewisse Nachschärfungen im Strafrecht für sinnvoll, trat aber ebenso wie Justizminister Josef Moser für eine verstärkte Nutzung des Verwaltungsstrafrechts ein. Sie wies in diesem Zusammenhang auf den Straftatbestand der Ehrenkränkung hin, den es in sechs Bundesländern bereits gibt. Seitens der FPÖ zeigte Susanne Fürst grundsätzlich Sympathie für das Anliegen der Opposition, plädierte aber ebenfalls für die Anwendung bereits bestehender Instrumentarien. So bestehe der in den Anträgen verlangte niederschwellige Zugang bereits auf Länderebene in Form des Verwaltungsstraftatbestands der genannten Ehrenkränkung.

Alfred Noll(JETZT) drängte auf einen besseren Schutz von Frauen vor Belästigungen und Beleidigungen im Internet, meinte jedoch im Gegensatz zu NEOS-Mandatarin Irmgard Griss, die Ausdehnung des Strafrechts sei hier ein untaugliches Mittel.

Die drei Initiativen wurden schließlich vertagt, zumal die Regierungsparteien nun die Ergebnisse der im Justizministerium eingerichteten Taskforce abwarten wollen.

JETZT fordert Aus- und Fortbildung im Umweltstrafrecht für StaatsanwältInnen

Das Fehlen einer verpflichtenden Aus- und Fortbildung für StaatsanwältInnen im Zusammenhang mit dem Umweltstrafrecht beklagt Alfred Noll (JETZT). Es sei zu befürchten, dass Umweltstraftaten aufgrund des Mangels an spezialisiertem Wissen nur selten verfolgt werden, meint der Justizsprecher des Parlamentsklubs JETZT und erinnert daran, dass in den letzten vier Jahren 1.313 Anzeigen nur 44 Verurteilungen gegenüberstanden. Noll schlägt deshalb in einem Entschließungsantrag (412/A(E)) eine Erweiterung der Aus- und Fortbildung von StaatsanwältInnen um ein verpflichtendes Modul zum Umweltstrafrecht vor.

Auch dieser Antrag wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt, nachdem sich FPÖ-Abgeordneter Volker Reifenberger für die Einrichtung von spezialisierten Referaten zur Bündelung der Umweltstrafsachen aussprach.

Neuerlicher Vorstoß der SPÖ auf Reform des kollektiven Rechtsschutzes

"Die herkömmlichen Möglichkeiten des österreichischen Zivilprozessrechts reichen zur Bewältigung von Massenverfahren nicht aus", lautet der Befund eines SPÖ-Initiativantrags (96/A) betreffend ein Gruppenverfahrensgesetz. Der Gesetzesvorschlag von Johannes Jarolim und Peter Wittmann, der nun bereits zum wiederholten Mal im Justizausschuss beraten wurde, baut dabei in weiten Teilen auf dem bereits verhandelten Reformentwürfen der Jahre 2007 und 2008 auf und berücksichtigt zudem die zwischenzeitig gemachten zahlreichen Erfahrungen aus der Praxis in der Abwicklung von Massenschäden.

Justizminister Josef Moser teilte mit, Österreich habe das Thema auf EU-Ebene aktiv vorangetrieben. Stellungnahmen zu den Vorschlägen der Ratsarbeitsgruppe werden bis 14. 12. einlangen. Die Richtlinie soll dann prioritär unter rumänischem Vorsitz erarbeitet werden. Die Initiative der SPÖ wurde aus diesem Grund mit den Stimmen der Regierungsparteien abermals vertagt.  

NEOS fordern Ausnahme vom Rücktrittsrecht bei digitaler Vignette

Aufgrund der Rücktrittsfristen bei Außerhausgeschäften sind digitale Vignetten derzeit erst 18 Tage nach dem Kauf gültig. NEOS-Mandatarin Irmgard Griss zweifelt an der Sinnhaftigkeit dieser Bestimmung und argumentiert, die KonsumentInnen sollten eine digitale Vignette kurzfristig kaufen und nutzen können, um von den Anwendungen und Vorteilen der Digitalisierung zu profitieren. Sie schlägt deshalb eine entsprechende Ausnahme vom Rücktrittsrecht im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz vor (458/A) .

Auch hier entschied der Ausschuss mehrheitlich auf Vertagung, da die Regierungsparteien zunächst die europarechtlichen Aspekte klären wollen. 

2012 bis 2017 54 ministerielle Weisungen nach Verfahrensende

Einstimmig nahmen die Abgeordneten schließlich den sogenannten Weisungsbericht (III-190 d.B. ) zur Kenntnis, aus dem hervorgeht, dass das Justizministerium im Zeitraum von 2012 bis 2017 54 Weisungen erteilte, nachdem das zugrunde liegende Verfahren bereits beendet war. In 25 Fällen lautete die Weisung auf Einleitung bzw. Fortsetzung des Verfahrens. Acht Weisungen bezogen sich auf die Einstellung des Verfahrens, je zweimal forderte das Ministerium die Erhebung bzw. Zurückziehung einer Anklage. In fünf Fällen hatte die Weisung die Anwendung anderer Rechtsgrundlagen zum Inhalt, vier Weisungen zielten auf die Erhebung eines Rechtsmittels ab. Bei acht weiteren Weisungen fällt die Begründung unter die Kategorie "Sonstiges". Erstmals floss auch die Tätigkeit des Weisungsrates in den Bericht ein.

Von SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim zu Schlussfolgerungen aus dem BVT-Untersuchungsausschuss befragt, stellte Justizminister Josef Moser klar, bei allfälligen Reformen sei in keiner Weise an irgendeine Art von politischem Einfluss gedacht. Im Übrigen geht der Ressortchef davon aus, dass auch in Zukunft so wie in der Vergangenheit dem Weisungsrat gefolgt werde. Die Zusammenarbeit mit dem Gremium bezeichnete Moser als hervorragend. (Schluss) hof