Parlamentskorrespondenz Nr. 1433 vom 04.12.2018

Gesundheitsausschuss: Ärzte dürfen erstmals andere Ärzte anstellen

Reform der Notarztausbildung und mehr Rechtssicherheit bei palliativmedizinischen Behandlungen

Wien (PK) – Von einem ganz wichtigen Meilenstein sprach Bundesministerin Beate Hartinger-Klein bei der Debatte über das neue Ärztegesetz im heutigen Gesundheitsausschuss, da es unter anderem erstmals die "Möglichkeit einer Anstellung von Ärzten bei Ärzten" in Ordinationen und Gruppenpraxen bringt. Außerdem werde die Notarztausbildung modernen, internationalen Standards angepasst und für mehr Rechtssicherheit im Rahmen von palliativmedizinischen Behandlungen von sterbenden Menschen gesorgt. Obwohl nach Ansicht der SPÖ noch einige Fragen bezüglich der praktischen Umsetzung des Gesetzes offen seien, stimmte sie – ebenso wie alle anderen Parteien – der Sammelnovelle zu.  

Mehr Dissens gab es bei der von ÖVP und FPÖ beschlossenen Änderung des Kranken- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG-Novelle), das strengere Aufzeichnungspflichten über Infektionen mit Krankenhauskeimen und über – von psychiatrischen Krankenanstalten verfügte - freiheitsbeschränkende Maßnahmen vorsieht. Entzündet hatte sich die Diskussion aber an einem Passus in den Erläuterungen, in dem den Ländern die Möglichkeit eingeräumt wird, Sonderklassegebühren für jene ambulanten Leistungen einzuheben, die bisher stationär erbracht wurden. Die Opposition befürchtete, dass damit "VIP-Behandlungen" für SonderklassepatientInnen in den Spitalsambulanzen Tür und Tor geöffnet werden.

Mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, SPÖ und JETZT wurde zudem noch das Patientenverfügungs-Gesetz angenommen, das einen leichteren Zugang zu diesem Instrument und eine zentrale Abfragemöglichkeit schaffen soll.

Die Eckpunkte des Gesetzes: Notarztausbildung, Anstellungsmöglichkeit von ÄrztInnen und Beistand für Sterbende

Im Zuge der Debatte wurden die Änderungen im Ärztegesetz (385 d.B. ) im überwiegenden Maße positiv bewertet. FPÖ-Abgeordneter Gerhard Kaniak hob etwa die Reform der Notarztausbildung hervor, die nach 40 Jahren den aktuellen Erfordernissen angepasst wird. Froh sei er über die Aufnahme des Kapitels "Beistand für Sterbende", weil es damit zu einer eindeutigen Regelung in einem bisher bestehenden Graubereich und einer klaren Abgrenzung zur aktiven Sterbehilfe komme. Ausschussvorsitzende Brigitte Povysil (FPÖ) rief in Erinnerung, dass sie sich für die Möglichkeit von ÄrztInnen, andere ÄrztInnen anstellen zu können, seit vielen Jahren eingesetzt habe. Von der Änderungen im Notarztwesen versprach sie sich, dass nun mehr junge MedizinerInnen motiviert werden, eine Ausbildung in diesem Bereich zu machen.

Josef Smolle (ÖVP) lobte die explizite Aufnahme der Schmerz- und Palliativmedizin in den Aufgabenbereich von ÄrztInnen. Wichtig war ihm auch, dass es eine klare Abgrenzung zur Euthanasie gibt. Gabriela Schwarz schloss sich ihrem Fraktionskollegen an und betonte, es sei ganz wichtig, sterbenskranke Menschen in ihrer letzten Lebensphase nicht leiden zu lassen. Das Verbot der Selbsttötung auf Verlangen werde natürlich nicht in Frage gestellt. Eine bessere Work-Life-Balance und verlängerte Öffnungszeiten erwarteten sich beide MandatarInnen durch die Möglichkeit, ÄrztInnen in Ordinationen oder Gruppenpraxen anstellen zu können.

Grundsätzliches Lob für die Regierungsvorlage kam auch von Seiten der SPÖ, weil damit Antworten auf einige Herausforderungen der Zukunft gegeben werden, meinte SPÖ-Abgeordneter Maurice Androsch. So war die Modernisierung der Notarztausbildung dringend notwendig. Er frage sich nur, ob es bei den TurnusärztInnen ausreichen werde, dass sie nur 20 begleitete Notfalleinsätze zu absolvieren haben, zumal nicht immer intensivmedizinische Maßnahmen anfallen. Nachgeschärft müsste seiner Meinung nach auch noch werden, was die Abgrenzung von VertretungsärztInnen, angestellten ÄrztInnen und Ambulatorien betrifft. Auch für Markus Vogl (SPÖ) waren noch einige Frage offen.

Die Anstellungsmöglichkeit von ÄrztInnen sei ausdrücklich zu begrüßen, betonte auch Gerald Loacker (NEOS), damit werde eine langjährige Forderung seiner Partei umgesetzt. Für gut erachtete er die rechtliche Absicherung von palliativmedizinischen Maßnahmen. Unerledigt war für Loacker jedoch noch die Frage des selbstbestimmten Ausscheidens aus dem Leben. Ebenso wie Loacker hielt Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) eine weitere Debatte über das Thema Sterbehilfe für notwendig. Außerdem sei zu hoffen, dass durch das neue Gesetz, mehr ÄrztInnen in die Regionen kommen und nach einigen Jahren Berufserfahrung die jeweiligen Ordinationen übernehmen.

Hartinger-Klein erwartet sich bessere Versorgung im ländlichen Raum und Lösung für Notarztmangel

Bundesministerin Beate Hartinger-Klein ging noch einmal auf die zentralen Inhalte der Regierungsvorlage ein, die ihrer Ansicht nach die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung wesentlich verbessern werden. Vor allem durch die Anstellungsmöglichkeit von ÄrztInnen bei anderen selbständigen ÄrztInnen erwartet sie sich positive Effekte für den ländlichen Raum sowie im Hinblick auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im konkreten sollen in Ordinationen nur ein Arzt bzw. eine Ärztin aus demselben Fachgebiet angestellt werden können, in Gruppenpraxen bis zu zwei Personen im Umfang von jeweils einem Vollzeitäquivalent (40 Wochenstunden). Für Primärversorgungseinheiten könne diese Zahl überschritten werden, sofern dadurch die Planungsvorgaben des Regionalen Strukturplans Gesundheit eingehalten werden. Klar festgehalten werde auch, dass sowohl eine Vertretung von OrdinationsstätteninhaberInnen oder GesellschafterInnen von Gruppenpraxen eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit darstellt.

Erfreut zeigte sich die Ressortchefin auch darüber, dass die von vielen ExpertInnen geforderte Reform der Notarztausbildung nunmehr umgesetzt werden könne. Es werde ein modernes Ausbildungssystem etabliert, dass sich unter anderem aus einem erweiterten Lehrgang mit 80 Einheiten, einem genau definierten klinischen Kompetenzerwerb, Fortbildungsmaßnahmen sowie einer Abschlussprüfung zusammensetzt. Aufgrund des bestehenden Notärztemangels war es auch ein primäres Ziel, den Zugang für TurnusärztInnen - unter genau definierten Bedingungen - zu erleichtern, erklärte Hartinger-Klein. In enger Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz und der Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) habe man die Bestimmung erarbeitet, wonach mindestens 20 Einsätze unter verpflichtender Supervision im Rahmen von Notarztdiensten, die an Krankenanstalten angebunden sind, stattfinden müssen. Überdies brauche es noch eine schriftliche Bestätigung vom Leiter bzw. der Leiterin der jeweiligen Organisationseinheit, hielt sie den Bedenken von Seiten der SPÖ entgegen.

Ein sehr wichtiger Punkt sei weiters die Aufnahme der Bestimmung zur ärztlichen Beistandspflicht für Sterbende. Damit werde klargestellt, dass es zulässig sei, im Rahmen palliativmedizinischer Indikationen Maßnahmen zu setzen, deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen überwiegen.

Anpassungen des Krankenanstaltenrechts sind Anlass für Debatte über Sonderklassebehandlungen

Der Umsetzung des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG 2017), der vom Bund, den Ländern und der Sozialversicherung beschlossen wurde, erfordert Anpassungen im Krankenanstaltenrecht. Die von der Regierung vorgelegte KAKuG-Novelle sah dementsprechend vereinfachte und flexible Formen der Organisation von Spitälern vor. Anstatt herkömmlicher Abteilungen können kleinere Einheiten ("reduzierte Organisationsformen") eingerichtet werden. Im Zusammenhang mit der Hygiene in Krankenanstalten wird ausdrücklich festgelegt, dass laufend Aufzeichnungen in elektronischer Form über Infektionen mit Krankenhauskeimen (nosokomiale Infektionen) zu führen sind. Außerdem werden psychiatrische Krankenanstalten verpflichtet, freiheitsbeschränkende Maßnahmen auf elektronischem Wege zu dokumentieren. Das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (KAKuG-Novelle 2018, 374 d.B. ), wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ angenommen.

Die FPÖ-Abgeordneten Brigitte Povysil und Gerhard Kaniak sprachen von einem ersten wichtigen Reformschritt im Spitalsbereich, durch den individuelle, flexible und interdisziplinäre Organisationsstrukturen ermöglicht werden. Auch Josef Smolle (ÖVP) hob diese Neuerung hervor, die "Uraltspitalstruktur" sei einfach nicht mehr zeitgemäß. Als wichtig erachtete er auch, dass für die Einrichtung von bestimmten Abteilungen Mindestfrequenzen erreicht werden müssen.

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) setzte sich dafür ein, dass für den Bereich Kinder- und Jugendpflege wieder eine dreijährige Ausbildung etabliert wird.

Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS) übte Kritik an der Regelung, wonach den Ländern die Möglichkeit eingeräumt wird, Sonderklassegebühren für jene ambulanten Leistungen einzuheben, die bisher stationär erbracht wurden. Da die Sonderklasse für ihn in der "Hotelkomponente" bestehe, frage er sich, welche ambulanten Leistungen damit gemeint sind.

Da laut Erläuterungen der Einhebung solcher Sondergebühren adäquate Leistungen gegenüber stehen müssen, befürchtete Philip Kucher (SPÖ), dass es in den Spitalsambulanzen künftig eine Business-Class und eine VIP-Behandlung für Sonderklassepatienten geben wird. Die SPÖ erwarte sich bis zur Beschlussfassung im Plenum noch eine Klarstellung.

Zur Kritik von Seiten der NEOS und der SPÖ gab Abgeordneter Josef Smolle zu bedenken, dass zunehmend stationäre Eingriffe auf ambulante Weise durchgeführt werden. Durch die vorliegende Regelung soll verhindert werden, dass den Krankenhäusern Geld verloren geht. Die Sonderklasse könnte etwa hinsichtlich des Wartebereichs oder der freien Arztwahl bestehen, informierte Bundesministerin Beate Hartinger-Klein. Sie stellte zudem klar, dass in dieser Frage den Ländern die Ausführungsgesetzgebung obliege. Abgeordneter Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) gegenüber führte sie aus, dass es im nächsten Halbjahr zur einer Evaluierung der Pflegeberufe kommen wird.

Leichterer Zugang zu Patientenverfügungen wird eröffnet

Mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, SPÖ und JETZT verabschiedete der Ausschuss die Novelle zum Patientenverfügungs-Gesetz (337 d.B. ). Damit soll vor allem der Zugang zur Errichtung von Patientenverfügungen erleichtert und eine zentrale Abfragemöglichkeit etabliert werden. In einem ersten Schritt werden zudem die technischen Voraussetzungen für die Aufnahme von Patientenverfügungen in das ELGA-System geschaffen. Außerdem sollen die Patientenanwaltschaften die Errichtung von verbindlichen Patientenverfügungen kostenlos anbieten. Da derzeit Patientenverfügungen zum Teil in unterschiedlichen Datenbanken erfasst sind, soll im Wege der ELGA-Technik der Zugang zu jenen Registern geschaffen werden können, die bei den Rechtsanwälten und Notaren geführt werden. Zudem wird die Frist bis zur Erneuerung einer verbindlichen Verfügung – rückwirkend - von fünf auf acht Jahre verlängert. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, dass die jeweiligen Gesundheitsdiensteanbieter in ELGA auf die aktuellste Version der Patientenverfügung zugreifen können.

SPÖ-Abgeordneter Philip Kucher stand den Verbesserungen grundsätzlich positiv gegenüber. Er brachte jedoch noch einen Entschließungsantrag ein, in dem er im Sinne der einkommensschwächeren Menschen die vollständige Kostenübernahme für die Errichtung von Patientenverfügungen verlangte. Diese Initiative fand keine Mehrheit.

Bundesministerin Beate Hartinger-Klein informierte darüber, dass auch jene Personen, die sich für ein Opt-out in Bezug auf ELGA entschieden haben, an dem Register für Patientenverfügungen teilnehmen können. (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) sue