Parlamentskorrespondenz Nr. 1478 vom 11.12.2018

Diskussion zum Volksbegehren zur Abschaffung der ORF-Gebühren im Nationalrat

Fraktionen bei Reformbedarf einig, strittig bleibt die Abschaffung der GIS-Gebühren

Wien (PK) - Zeitgleich mit dem "Don't Smoke"-Volksbegehren und dem Frauenvolksbegehren lag das Volksbegehren "ORF ohne Zwangsgebühren" (435 d.B.) in Österreich zur Unterzeichnung auf. 320.264 Personen bzw. 5,02% der Stimmberechtigten haben die Forderung unterstützt, die ORF-Gebühren und die von der GIS gleichzeitig eingehobenen Landesabgaben abzuschaffen und zudem die parteipolitische Einflussnahme auf ORF-Organe zu beseitigen. Nur so könne die parteipolitische Unabhängigkeit des ORF sowie ein freier Wettbewerb sichergestellt werden, sind die InitiatorInnen des Volksbegehrens überzeugt. Auch eine alternative Finanzierung des ORF aus dem Budget lehnen sie als "zusätzliche Steuer" ab.

Eine erste Debatte über das Volksbegehren im Nationalrat brachte in der heutigen Sitzung einen breiten Konsens für eine notwendige grundsätzliche Reform des ORF zum Vorschein. Doch ansonsten klafften die Meinungen der einzelnen Fraktionen auseinander. Das Thema wird den Verfassungsausschuss beschäftigen.

ÖVP: Von Minister Blümel initiierte Reform der Medienlandschaft bereits eingeleitet

Abgeordneter Karl Nehammer (ÖVP) befürwortete das Volksbegehren grundsätzlich als wichtiges Zeichen der direkten Demokratie. Er gratulierte den Initiatoren für die Erreichung von 320.000 Unterschriften, thematisierte allerdings ein anderes Problem. "Wir sollten jetzt nicht über das Geld für den ORF sprechen, wenn wir zuerst die Aufgaben des ORF besprechen müssen. Medienminister Gernot Blümel  hat bereits einen Prozess zur Reform der Medienlandschaft in Österreich eingeleitet und auch eine Reform des ORF. Es werden dabei alle MediensprecherInnen eingebunden. Der Wettbewerb soll gestärkt werden und der österreichische Content gesichert werden." Die Einbindung der privaten Sender sei dabei notwendig, da diese ihre Rolle zum ORF bereits anders sehen als früher – die Konkurrenz ist nicht mehr gegeben. Zum Abschluss seiner Rede lud Nehammer noch alle Fraktionen ein, gemeinsam mit der Regierung an der Strukturreform der Medienlandschaft mitzuarbeiten.

Abgeordneter Peter Weidinger nannte die Medienenquete einen positiven und wichtigen Schritt für den verantwortungsvollen Umgang mit Medienpolitik. "Minister Blümel hat den Prozess eröffnet, dass der ORF und die gesamte Medienlandschaft komplex zu betrachten ist. Heute ist mit Video on Demand alles möglich. Es ist auch wichtig zu beobachten, wie zum Beispiel bei der BBC damit gearbeitet wird. Hier gibt es Kooperationen mit privaten Internetanbietern. Ich bin überzeugt, dass auch für uns dieser Weg richtig ist."

SPÖ sieht Unabhängigkeit des ORF nur durch Gebühren gegeben

Für Thomas Drozda (SPÖ) handelt es sich bei dieser Einladung um kein konkretes Angebot. "Diesen gemeinsamen Appell kenne ich schon lange – doch er endet immer dann, wenn es konkret werden soll. Ich habe Minister Blümel die Zusammenarbeit angeboten, doch da ist nichts gekommen. Es ist seit einem Jahr Stillstand und mehr als eine teure Medienenquete war noch nicht viel."

Warum einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk besondere Bedeutung zukomme, zeige sich aus der Geschichte der Nachkriegszeit: "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk war eine Antwort auf Propaganda und Verhetzung. Ich erinnere auch an den Prager Frühling, als der ORF als einziger Sender sich gegen den Trend gestellt hatte und unabhängig berichtet hatte." Natürlich verändere das Internet die Mediennutzung der Menschen, Fernsehen heiße für junge Menschen, dass sie ihre Sendungen überall und jederzeit streamen könnten. Und nur die ältere Generation würde linear über den Fernseher ihre Sendungen konsumieren.  Dieser Problematik gelte es, sich zu stellen und Lösungen zu finden.

"Wichtig ist, dass wir die Unabhängigkeit der Finanzierung sicherstellen. Und nur eine Finanzierung über Gebühren sichert die Unabhängigkeit des ORF ab. Allerdings müssen diese Gebühren bundesweit einheitlich sein – es kann nicht sein, dass in einem Land wie Österreich unterschiedliche Landesgebühren bezahlt werden müssen. Natürlich muss der öffentlich-rechtliche Auftrag neu definiert werden. Und dieser ist auch täglich unter Beweis zu stellen", zeigt sich Drozda überzeugt. Enorm wichtig sei eine Digitalisierungsstrategie. Gemeinsam mit Privatanbietern solle eine gemeinsame Plattform entwickelt werden. Außerdem müsse die Kontrolle durch den Stiftungsrat gegeben sein.

Auch Andrea Kuntzl (SPÖ) sieht die Unabhängigkeit des ORF gefährdet. "Wenn 320.000 Personenn ein Volksbegehren unterschreiben, muss man sich die Frage stellen, warum. Sicherlich nicht, um den ORF in die Luft zu sprengen. Jedoch wenn er aus dem öffentlichen Budget bezahlt wird, dann zahlen ihn die BürgerInnen ebenfalls selbst – nur sind sie nicht mehr direkt spürbar. Doch durch die Gebühren ist der ORF unabhängig." Diese Unabhängigkeit wäre durch die Finanzierung aus den Bundesfinanzen nicht mehr gegeben.

Mölzer: Auch ich habe gegen die Zwangsgebühren unterschrieben

Für Wendelin Mölzer (FPÖ) sind die 320.000 Unterschriften gegen die "Zwangsgebühren" ein eindeutiges Zeichen des Unmuts der UnterzeichnerInnen. "Die Gebühren sind beim ORF absolut zu hinterfragen. Ich habe selbst das Volksbegehren unterschrieben. Wenn ich eine Einrichtung habe, die ihren Auftrag erfüllt, dann kann man ja darüber reden. Doch wenn dieser Auftrag nur beschränkt erfüllt wird, dann muss man das schon hinterfragen. Auch die teilweise tendenziöse Berichterstattung ist sicherlich für viele ein Grund für die Unterschrift gewesen." Es gebe natürlich auch sehr gute Formate im ORF, sei es ORF3 oder die Landesradios, doch es müsse eine Strukturreform geben. Die FPÖ werde wie bisher daran mitarbeiten und dann "zahlen die Menschen vielleicht wieder gerne GIS-Gebühren".

Unterstützt wurde Mölzer von FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein: "Natürlich braucht es eine ORF-Reform – das heißt aber nicht, dass der ORF zerschlagen werden soll. Und natürlich ist die Struktur des ORF nicht mehr zeitgemäß. Es handelt sich um ein Milliardenunternehmen und es hat noch immer eine Struktur der 60er-Jahre. So wird seit geraumer Zeit Medienpolitik gemacht am Küniglberg. Und das nicht besonders erfolgreich." Man hätte bis dato keine Antworten gefunden, wie man mit Mediengiganten umgehen solle. "Der Medienkonsum findet nicht mehr am Fernseher statt. Also wird man die Probleme der Zukunft auch nicht dort lösen können. Auch andere Staaten in Europa ist es gelungen, dass sie die Gebühren abgeschafft haben", schloss Jenewein. Susanne Fürst schloss sich ihren Fraktionskollegen in der Thematik an.

NEOS und JETZT: Kritik an bisheriger mangelnden Umsetzung

Dringenden Handlungsbedarf sieht Claudia Gamon (NEOS) nicht nur in Sachen Medienpolitik. "Wir müssen auch über digitale Medienkompetenz in den Lehrplänen der Schulen sprechen.  Bisher wurde nur viel angekündigt, aber es ist nicht viel passiert. Der ORF bewegt natürlich – denn Medien sind eine wichtige Säule der Demokratie – doch es ist wichtig, dass wir uns ernsthaft mit Medienpolitik beschäftigen. Seit dem Regierungsprogramm ist nichts passiert. Das einzig Auffällige waren die negativen Meldungen von FPÖ-Funktionären in Richtung von JournalistInnen. Ich erwarte mir, dass endgültig etwas passiert – und nicht nur in der Medienpolitik."

Ihr Kollege Alfred J. Noll von JETZT stimmte seiner Vorrednerin zu. "Nichts ist weitergegangen. Es wird gespart im ORF – aber nur im Programm. Wichtiger wäre, dem ORF zu helfen, alte Strukturen aufzubrechen. Der Stiftungsrat sollte verkleinert und aus dem Kuratel der Politik genommen werden. Wer soll den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF überwachen? Wer soll diese Watchdog-Rolle innehaben? Solange wir das nicht in unabhängige Hände legen – wird es nicht funktionieren."

Das Thema wurde dem Verfassungsausschuss zugewiesen. (Fortsetzung Nationalrat) mar