Parlamentskorrespondenz Nr. 1553 vom 20.12.2018

Kompetenzbereinigung: Breite Mehrheit im Bundesrat für Verfassungsnovelle

Länder erhalten alleinige Zuständigkeit für Kinder- und Jugendhilfe

Wien (PK) – Das von Justizminister Josef Moser geschnürte erste Gesetzespaket zur Entflechtung von Kompetenzen zwischen Bund und Ländern ist endgültig auf Schiene. Nach dem Nationalrat stimmte heute auch der Bundesrat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsnovelle und begleitende Gesetzesänderungen. Damit kann das Paket, mit dem sowohl der Bund als auch die Länder auf bestimmte Gesetzgebungskompetenzen und Zustimmungsrechte zugunsten der jeweils anderen Gebietskörperschaft verzichten, wie geplant Anfang 2020 in Kraft treten. Eine Sonderregelung gibt es für die Kinder- und Jugendhilfe: Sie wandert erst dann in die alleinige Zuständigkeit der Länder, wenn bundeseinheitliche Qualitätsstandards durch den Abschluss einer Bund-Länder-Vereinbarung sichergestellt sind.

Die Länderkammer passiert haben außerdem ein EU-Beschluss zu den Europawahlen 2019, die 2. Dienstrechts-Novelle 2018 mit dem Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst sowie Änderungen im Bundesbezügegesetz . Zudem ermöglicht eine begleitende Novellierung des Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetzes künftig auch den Fraktionsvorsitzenden im Bundesrat, einen persönlichen Mitarbeiter bzw. eine persönliche Mitarbeiterin zu beschäftigen. Von der vom Nationalrat verordneten "Nulllohnrunde" für SpitzenpolitikerInnen sind weder die Mitglieder des Bundesrats noch Landes- und GemeindepolitikerInnen betroffen.

ÖVP, FPÖ und SPÖ begrüßen Kompetenzentflechtung

Das Gesetzespaket zur Kompetenzbereinigung sieht insbesondere vor, jene Materien, in denen dem Bund die Grundsatzgesetzgebung obliegt und die Länder für die Ausführungsgesetze zuständig sind, deutlich zur reduzieren. Das betrifft neben der Kinder- und Jugendhilfe etwa auch das Arbeitsrecht für die Land- und Forstwirtschaft, die Bevölkerungspolitik und den Pflanzenschutz. Für diese und weitere Bereiche werden künftig ebenfalls entweder nur noch die Landtage bzw. nur noch das Parlament zuständig sein. Gleiches gilt für allgemeine Angelegenheiten des Datenschutzes, die in die alleinige Kompetenz des Bundes wandern. Darüber hinaus werden mit dem Gesetzespaket wechselseitige Zustimmungsrechte von Bund und Ländern, etwa was die Festlegung von Bezirksgrenzen und Gerichtssprengeln betrifft, gestrichen.

Ausdrücklich begrüßt wurde die Kompetenzentflechtung von Klara Neurauter (ÖVP/T), Stefan Schennach (SPÖ/W) und Michael Raml (FPÖ/O). Die Kompetenzzersplitterung in Österreich sei ein großes Problem, über das schon seit Jahren und Jahrzehnten diskutiert werde, hoben Neurauter und Raml hervor und lobten in diesem Sinn das vorliegende Reformpaket. Die türkis-blaue Regierung stelle damit einmal mehr unter Beweis, dass sie eine Reformregierung sei, so Raml. Besonders hob der FPÖ-Bundesrat in diesem Zusammenhang auch die Abschaffung gegenseitiger Blockademöglichkeiten zwischen Bund und Ländern hervor.

Die Kritik an der "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe konnten Naurauter und Raml nicht nachvollziehen. Die Gesetzgebung wandere nun dorthin, wo die Aufgaben erledigt und finanziert werden, sagte Neurauter.

Bundesrat Schennach räumte ein, dass die SPÖ große Sorge hatte, was die Beibehaltung der bestehenden bundeseinheitlichen Qualitätsstandards in der Kinder- und Jugendhilfe betrifft. Deshalb habe sie zunächst auch "die Notbremse gezogen", meinte er. Man habe die Zeit aber genutzt, durch die nunmehr vorgesehene Bund-Länder-Vereinbarung seien einheitliche Qualitätsstandards auch in Zukunft garantiert.

Grüne kritisieren "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe

Kritisch zum Gesetzespaket äußerte sich hingegen der oberösterreichische Bundesrat David Stögmüller von den Grünen. Dieses sei völlig unausgegoren, auch weil große Brocken wie das Elektrizitätswesen, die Krankenanstalten und die Sozialhilfe von der Kompetenzentflechtung ausgeklammert blieben. Außerdem kann er der "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe nichts abgewinnen. Man habe jahre- und jahrzehntelang um ein Bundesgesetz mit einheitlichen Qualitätsstandards gerungen, nun werde es wieder neun Ländergesetze geben, beklagte er. Stögmüller sieht das als massiven Rückschritt und fürchtet eine Wiederkehr des "Kirchturmdenkens". Es dürfe aber keinen Unterschied machen, in welchem Bundesland ein Kind geboren ist. Die Bund-Länder-Vereinbarung sieht Stögmüller als unzureichend, da Betroffene die Nichteinhaltung dort verankerter Standards nicht einklagen können.

Widerspruch erntete Stögmüller nicht nur von den anderen Fraktionen, sondern auch von Justizminister Josef Moser. Er hält eine klare Zuordnung von Zuständigkeiten für unbedingt notwendig. Künftig werde es nicht mehr möglich sein, sich im Falle von Problemen wechselseitig die Verantwortung zuzuschieben. Im Übrigen hätten sich die Länder ausdrücklich zu einer Weiterentwicklung der Standards im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe bekannt, hob Moser hervor. Weitere Kompetenzbereinigungen stellte der Justizminister für das kommende Jahr in Aussicht.

Das Gesetzespaket wurde schließlich mit 49 Pro-Stimmen bei 2 Gegenstimmen angenommen. Zuvor war ein Antrag der Grünen, die Abstimmung zu vertagen und das Paket erneut im zuständigen Ausschuss zu beraten, in der Minderheit geblieben. Ein von den Grünen eingebrachter Entschließungsantrag betreffend die qualitative Weiterentwicklung der Standards in der Kinder- und Jungendhilfe wurde nicht zur Verhandlung zugelassen, da er nicht genügend Unterschriften trug.

Gehälter im öffentlichen Dienst steigen zwischen 2,51% und 3,45%

Auf einhellige Zustimmung im Bundesrat stießen der Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst und die übrigen Teile der 2. Dienstrechts-Novelle 2018, die einige Neuerungen für BeamtInnen, Vertragsbedienstete und RichterInnen bringt. Dazu zählen etwa eine Flexibilisierung von Telearbeit, der Ausbau von "Fachkarrieren", die Beschleunigung von Aufnahmeverfahren im Exekutivdienst und neue Einsatzmöglichkeiten für RichteramtsanwärterInnen. Außerdem wird der neuen Behördenstruktur im Schulbereich, Stichwort Bildungsdirektionen, Rechnung getragen. Die Gehälter im öffentlichen Dienst steigen sozial gestaffelt zwischen 2,51% und 3,45%, im Durchschnitt wurde zwischen der Regierung und der Beamten-Gewerkschaft ein Plus von 2,76% vereinbart.

Zur Novelle zum Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz merkten Karl Bader (ÖVP/N) und Elisabeth Grimling (SPÖ/W) an, dass dadurch die Arbeit im Bundesrat verbessert und folglich ein Mehrwert für die BürgerInnen geschaffen werde. Dass nun auch der Länderkammer Parlamentarische MitarbeiterInnen zur Seite gestellt werden, sei ein erster Schritt, um ihre Funktion besser wahrnehmen zu können, so Bader und Elisabeth Grossmann (SPÖ/St). Grossmann setzte sich darüber hinaus für generelle Reformüberlegungen ein: Es sei noch einiges zu tun, um der zweiten Parlamentskammer einen gebührenden Stellenwert zu geben.

"Wir als Politiker sollten nicht selbst so tun, als ob das, was wir arbeiten, nichts wert wäre", meinte ebenso Monika Mühlwerth (FPÖ/W). (Fortsetzung Bundesrat) gs/keg


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