Parlamentskorrespondenz Nr. 1555 vom 20.12.2018

Pädagogikpaket: ÖVP und FPÖ sichern Mehrheit im Bundesrat

Donau-Uni-Krems wird öffentliche Universität

Wien (PK) – Österreichs Schulen erhalten nun pünktlich vor den Weihnachtsferien das Pädagogikpaket. ÖVP und FPÖ legten keinen Einspruch gegen die Schulrechtsnovelle ein, die ab dem Schuljahr 2019/20 unter anderem für klare Leistungsbeurteilungen an Volksschulen und Mittelschulen sorgen soll. Die SPÖ dagegen schlug scharfe Töne gegen das neue Gesetz an und kritisierte vor allem die verpflichtende Benotung in der Volksschule ab der zweiten Klasse. Auch von den Grünen im Bundesrat wurden Bedenken über die vorgesehenen Leistungsbeurteilungen geäußert. Bildungsminister Heinz Faßmann erklärte, das Paket beruhe auf einem umfassenden Partizipationsprozess und bringe einen breiten Konsens zum Ausdruck. Die Kritik an den Ziffernnoten könne er nicht nachvollziehen, sagte der Bildungsminister. Für ihn gehe es um klare Leistungsbeurteilungen, die auch richtige Entscheidungen über die Bildungslaufbahn erlauben.

Zudem gab der Bundesrat grünes Licht für die Aufwertung der Donau-Universität Krems als 22. öffentliche Universität.

Pädadogikpaket: Kritik der Opposition, Koalitionsparteien erwarten sich bessere Förderung von SchülerInnen

Konkret bringt die Schulrechts-Sammelnovelle wieder Ziffernnoten ab dem zweiten Semester der 2. Volksschulklasse, wobei negative Jahreszeugnisnoten bereits dann zum Wiederholen der Klasse führen können. Neben einer besseren Vergleichbarkeit der Beurteilung will man dadurch sicherstellen, dass Förderbedarf bei SchülerInnen frühzeitig entdeckt und behoben wird. An den Mittelschulen, wie die Neuen Mittelschulen künftig heißen sollen, wird die Notenzahl von 7 auf 5 reduziert, eine Leistungsdifferenzierung in "Standard" und "Standard AHS" ab der zweiten Klasse eingeführt und zusätzlich eine dauerhafte Gruppenbildung der SchülerInnen anhand ihrer Leistungsniveaus in den Pflichtfächern ermöglicht. Über die Zusammensetzung dieser Leistungsgruppen können die Schulstandorte selbständig entscheiden. Überdies sieht das Pädagogikpaket ein freiwilliges 10. Schuljahr an Polytechnischen Schulen vor, um SchülerInnen mit einem negativen Jahreszeugnis nach Ende der 9-jährigen Schulpflicht eine zweite Chance zu geben.

Einen pädagogischen Rückschritt befürchtet Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W) durch die Wiedereinführung der Ziffernnoten ab der zweiten Klasse der Volksschule. Der wichtigste Faktor für erfolgreiches, nachhaltiges Lernen sei die Motivation, die aus dem Interesse für ein Thema komme und nicht aus dem Zwang, eine bestimmte Note erreichen zu müssen, hielt die Bundesrätin fest. Junge Menschen müssten heute mehr denn je und so früh als möglich die Fähigkeit entwickeln, sich selbständig Wissen anzueignen und dieses im Team umzusetzen. Die erklärende Beurteilung ist für Gruber-Pruner das geeignete Mittel, um der Komplexität der Lernsituationen gerecht zu werden. Überhaupt kein Verständnis zeigte die Bundesrätin dafür, dass bereits für Achtjährige ein Sitzenbleiben möglich wird. Wenn im Gesetz für diesen Fall eine verpflichtende Förderung festgeschrieben werde, sei das zwar ein richtiger Ansatz, sie bezweifle aber, dass dafür überall die notwendigen Ressourcen vorhanden sind. Ziel der Schule müsse es sein, alle Kinder individuell zu fördern und nicht etwa, sie möglichst früh in "gute" und "schlechte" SchülerInnen einzuteilen, schloss Gruber-Pruner. Bundesrätin Doris Hahn (SPÖ/N) griff die Kritik ihrer Fraktionskollegin auf und sah das Pädagogikpaket als Ausdruck einer grundsätzlichen Haltung, nicht von wissenschaftlicher Evidenz. Aus den Reihen der PädagogInnen gebe es viele Bedenken über die Maßnahmen des Pakets. Der verpflichtende Förderunterricht und das zehnte freiwillige Schuljahr seien die wenigen positiven Maßnahmen des Gesetzes, das insgesamt rückschrittliche Konzepte vertrete. Hahn kritisierte auch die Einschränkung der Schulautonomie und befürchtete einen stärkeren Druck in Richtung sozialer Selektion in den Schulen.

Kritik an den Maßnahmen des Pakets kam auch von David Stögmüller (GRÜNE/O). Er sah "einen dunklen Tag für die Pädagogik" in Österreich. Die Grünen im Bundesrat würden diesem Retro-Paket nicht zustimmen. Aus ihrer Sicht müsse eine wirkliche Schulautonomie geschaffen werden, nicht das Stückwerk, welches das Ministerium anbiete. Das Gesetz bilde ideologische Entscheidungen ab, berücksichtige aber keine evidenzbasierten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Regierung betreibe damit rückwärtsgewandte Bildungspolitik, indem sie bereits früh die Chancengleichheit beschneide. Stögmüller zweifelte an, dass die Lehrerschaft zufrieden mit der Novelle ist. Zwar habe es eine Umfrage unter VolksschulpädagogInnen gegeben, diese seien aber nicht veröffentlicht worden. Er habe bereits eine Anfrage dazu gestellt und hoffe, dass der Bildungsminister die Ergebnisse bald bekanntgeben wird.

Das Pädagogikpaket sei ausgewogen und unter Berücksichtigung vieler Vorschläge von ExpertInnen ausgearbeitet worden. Ihre Fraktion sei daher überzeugt, dass es eine "glatte Eins" verdiene, sagte Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S). Aus ihrer Sicht sind Ziffernnoten weiterhin von Bedeutung. Aus eigener Erfahrung wisse sie, dass nicht nur die Eltern, sondern auch die SchülerInnen selbst sie wollen, da Ziffernnoten eine klare Orientierung über die erbrachte Leistung geben. Zusätzlicher Druck auf Kinder entstehe daher nicht. Vielmehr habe man sehr darauf geachtet, Kinder nicht zu überfordern, weshalb das Paket auch begleitende Fördermaßnahmen vorsehe, wenn Kindern eine schlechte Note droht oder gar ein Sitzenbleiben notwendig wird. Die Bundesrätin begrüßte auch die Leistungsdifferenzierung der Mittelschulen als richtigen Ansatz, da es wichtig sei, die Neuen Mittelschulen weiterzuentwickeln. Das Pädagogikpaket sei in vorbildlicher Weise im Austausch mit ExpertInnen und PädagogInnen entstanden, sagte Sandra Kern (ÖVP/N). Sie sah die Notwendigkeit, möglichst früh Talente und Begabungen zu fördern, das bedeute aber auch, so früh wie möglich eine Berufsorientierung zu ermöglichen. Kern zeigte sich zufrieden darüber, dass mit dem Paket die Mittelschulen aufgewertet werden. Mit dem Gesetz korrigiere man Bildungsirrtümer der letzten zehn Jahre, sagte Doris Schulz (ÖVP/O). Eine klare Notensystematik ermögliche eine nachvollziehbare Leistungsbeurteilung, die auch für Kinder im Volksschulalter schon wichtig sei. Ein positiver Aspekt der Novelle sei, dass sie Eltern anhalte, sich über die schulische Entwicklung ihrer Kinder zu informieren.

Als richtigen Ansatz in der Schulbildung sehen auch die Bundesrätinnen und Bundesräte der FPÖ das Pädagogikpaket. Monika Mühlwerth (FPÖ/W) findet es richtig, in kindgerechter Weise Kinder nicht nur zu fördern, sondern auch zu fordern, und ihnen zu ermöglichen, den Leistungsgedanken, dem sie in ihrem Leben immer wieder begegnen werden, kennenzulernen. Tatsache sei, dass die große Mehrheit der SchülerInnen Noten, nicht nur Leistungsbeschreibungen wolle. Das neue System ziele zudem darauf ab, nicht nur Schwächen, sondern auch besondere Stärken von Kindern möglichst früh zu erkennen. In den Mittelschulen werde die Durchlässigkeit des Schulsystems erhöht. Mühlwerth sieht es als richtig, die Eltern in die Pflicht zu nehmen, wenn es um die Bildung ihrer Kinder geht. Obwohl Bund und Länder sehr viel in das Bildungssystem investieren, seien die derzeitigen Ergebnisse nicht zufriedenstellend, sagte Christoph Steiner (FPÖ/T). Zu viele Jugendliche würden die Schule abschließen, ohne die notwendigen Grundkompetenzen erworben zu haben. Daher sei es notwendig, von gescheiterten sozialdemokratischen Bildungskonzepten Abschied zu nehmen. LehrerInnen wie SchülerInnen müssten wieder motiviert werden, damit sie ihr Bestes geben können. Dazu gehören für Steiner klare Noten, die bestmögliche Förderung, die Verbesserungen der Mittelschule und mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem. Das freiwillige zehnte Schuljahr sei eine langjährige Forderung der FPÖ, die endlich umgesetzt werde. Josef Ofner (FPÖ/K) schloss sich der positiven Beurteilung des Pädagogikpakets an. Eine Vergleichbarkeit von Leistungen sei notwendig, sie wirke auch motivierend und erlaube, Stärken und Schwächen zu erkennen. Der Förderunterricht zum Ausgleich von Defiziten und das Gespräch mit den Eltern seien wichtige Maßnahmen, um einem vorzeitigem Abbruch von Bildungskarrieren entgegenzuwirken. Das Paket sei notwendig, um den Ergebnissen des zehnjährigen Versagens sozialdemokratischer Bildungsministerinnen entgegenzuwirken, sagte Ofner Richtung SPÖ.

Bildungsminister Heinz Faßmann lobte das Paket als Ergebnis eines umfassenden Partizipationsprozesses und als Ausdruck eines breiten Konsenses. Das bedeute, dass alle beteiligten Seiten Kompromisse machen mussten, sagte der Minister. Konsens sehe er bei der Überzeugung, dass alle Kinder in Österreich die bestmöglichen Bildungschancen erhalten sollen. Der Staat lasse sich den Zugang zu guter Bildung für alle dementsprechend auch viel kosten. Ein Dissens bestehe jedoch offenbar darüber, ob SchülerInnen ein Feedback auch in Ziffernnoten erhalten sollen. Er verstehe die Kritik hier nicht, zumal hier ein Sowohl-als-auch ermöglicht werde. Sein Ziel bei den Leistungsbeurteilungen sei es, eine höhere Notenwahrheit zu erreichen, damit SchülerInnen die richtigen Entscheidungen über den Bildungsweg treffen können.

Donau-Universität Krems wird unter öffentliche Universitäten eingereiht

Eine weitere bildungspolitisch wichtige Entscheidung, die Aufnahme der Universität für Weiterbildung Krems in die Liste der öffentlichen Universitäten, wurde von der Länderkammer fraktionsübergreifend und mit breiter Mehrheit begrüßt. Die SPÖ meldete allerdings Bedenken wegen aus ihrer Sicht noch offener Budgetierungsfragen an und verweigerte - anders als ÖVP, FPÖ und Grüne - die Zustimmung zur diesbezüglichen Änderung im Universitätsgesetz . Außerdem unterstützte die Bundesratsmehrheit eine verfassungsrechtliche Vereinbarung zwischen Bund und Niederösterreich, mit der die weitere Entwicklung der Donau-Universität Krems abgesichert werden soll. Das Land Niederösterreich verpflichtet sich darin, zusätzliche Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Doris Hahn (SPÖ/N) bestätigte zwar die hohe Qualität der Uni Krems, die sich als Universität für Weiterbildung einen großen Namen gemacht habe, sie befürchtet aber, dass die Mittelaufstockung zu Lasten der anderen Universitäten gehen könnte. Von einer Aufstockung des Budgets sei nämlich keine Rede, sagte sie.

Dem widersprach sowohl Bildungsminister Heinz Faßmann als auch der niederösterreichische FPÖ-Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Beide machten darauf aufmerksam, dass die Donau-Universität von den 11 Mrd. € derzeit nur 30 Mio. € erhalte, das sind 0,37%. Künftig werden für die nächsten drei Jahre 40 Mio. € zur Verfügung stehen, das seien 10 Mio. € mehr. Die Hälfte davon übernimmt durch die 15a-Vereinbarung das Land Niederösterreich. Unter Bezugnahme auf die von Hahn kritisierten Studiengebühren an der Donau-Universität, meinte der Minister, dass dies bei allen lebensbegleitenden Studien gesetzlich so vorgesehen sei. Außerdem sei er froh und hält es auch für richtig, dass sich die Uni Krems auf das lebensbegleitende Lernen spezialisiert hat und nicht alle Studien anbietet.

Auch von den Grünen kam Zustimmung, da die Beschlüsse David Stögmüller (GRÜNE/O) zufolge eine Vereinheitlichung der rechtlichen Grundlagen bringen und damit auch eine klarere Rechtslage für die Studierenden.

Die ÖVP-BundesrätInnen Eduard Köck und Andrea Wagner, beide aus Niederösterreich, konnten die Haltung der SPÖ nicht verstehen. Köck erinnerte daran, dass auch die Wirtschaft der Universität ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt hat, und erwartet sich durch die heutigen Beschlüsse eine Standortaufwertung. Wagner sprach von einer Erfolgsgeschichte seit 1995.

ÖH-Wahltermin, Neuerungen im Studentenheimgesetz und ausländische Studiengänge

Andere Nationalratsbeschlüsse zum Hochschulbereich, die der Bundesrat mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ mittrug, waren eine Gesetzesnovelle zwecks Terminverlegung der Wahlen zur österreichischen HochschülerInnenschaft auf den 27. bis 29. Mai 2019, damit diese trotz eines Feiertags wie immer Ende Mai stattfinden können, und Änderungen im Studentenheimgesetz betreffend flexiblerer Vertragsdauer und Heimvertreterwahl. Die Differenzierung zwischen gemeinnützigen und nicht gemeinnützigen Heimbetreibern steht bei dieser Novelle im Vordergrund, zudem geht es um die Schließung eines bestehenden rechtlichen Schlupflochs zwischen Studentenheimgesetz und Mietrechtsgesetz. Damit soll für Heimbetreibende und Studierende mehr Rechtssicherheit hergestellt werden. Kaution und Schlichtungsverfahren unterliegen ebenfalls neuen Regelungen und für StudentenheimbetreiberInnen soll die Bildung von Rücklagen erleichtert werden.

Eine neue Regelung, wonach künftig die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria für die Meldung ausländischer Studiengänge in Österreich verantwortlich zeichnet, wurde von den BundesrätInnen einstimmig angenommen.

Fristsetzungsanträge der Grünen abgelehnt

Die beiden von David Stögmüller (GRÜNE/O) eingebrachten Fristsetzungsanträge fanden am Schluss der heutigen Sitzung nicht die erforderliche Mehrheit. Stögmüller wollte dem Kinderrechte-Ausschuss zur Beratung seines Antrags "Hilfen für junge Erwachsene" eine Frist bis 14. Februar 2019 setzen. Ebenfalls bis zu diesem Datum hätte sich der Ausschuss mit der Initiative zum "Erhalt des Kindebetreuungsgeldes für Krisenpflegeeltern" befassen sollen, die Stögmüller gemeinsam mit Inge Posch-Gruska (SPÖ/B) eingebracht hatte. (Schluss Bundesrat) sox/rei/jan


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