Parlamentskorrespondenz Nr. 163 vom 22.02.2019

Parlament: TOP im Nationalrat am 27. Februar 2019

Aktuelle Stunde zu Lkw-Abbiegeassistenten, Brexit-Begleitgesetz, E-Card, Karfreitag, Krisenpflegeeltern

Wien (PK) – Die nach dem Unfalltod eines Neunjährigen in Wien ausgelöste Debatte über eine Einführung von verpflichtenden Abbiegeassistenten für Lkw wird nächste Woche auch Angelegenheit im Nationalrat. In einer Aktuellen Stunde mit dem Titel "Tun Sie alles für die Sicherheit unserer Kinder im Straßenverkehr, Herr Minister?", verlangt die SPÖ nach dem Nein beim Lkw-Sicherheitsgipfel für die von rund 70.000 BürgerInnen geforderten Abbiegeassistenten Rede und Antwort von Verkehrsminister Norbert Hofer.

Für den Fall eines No-Deal-Szenarios soll kommenden Montag noch ein Brexit-Begleitgesetz im Verfassungsausschuss plenumsreif gemacht werden, bevor es dann am Mittwoch auf der Tagesordnung des Nationalrats steht. Beschlossen werden sollen außerdem die gesetzlichen Präzisierungen für das Foto auf der E-Card sowie der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für Krisenpflegeeltern. Geht es um die Feiertagsdiskussion um den Karfreitag, sind für den 14-Uhr-Kompromiss der Regierung im Plenum konkrete Gesetzesregelungen zu erwarten. Der halbe Feiertag könnte von ÖVP und FPÖ über einen Gesetzesantrag mit technischen Änderungen unter anderem im Arbeitsruhegesetz, der bereits auf der Tagesordnung steht, dingfest gemacht werden.

Neben Bürgeranliegen werden außerdem Anträge der Opposition diskutiert, einer davon fordert den "Papamonat" für alle.

Aktuelle Stunde

Mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Tun Sie alles für die Sicherheit unserer Kinder im Straßenverkehr, Herr Minister?", das von der SPÖ ausgewählt wurde, beginnt der Nationalrat die Plenarsitzung.

Brexit-Begleitgesetz

Sollte der Verfassungsausschuss am 25. Februar das Brexit-Begleitgesetz beschließen, dann steht dieses ebenfalls auf der Tagesordnung der Plenarsitzung.

Damit werden in Österreich entsprechende Vorkehrungen getroffen für den Fall, dass Großbritannien am 29. März 2019 tatsächlich ohne Austrittsabkommen aus der EU ausscheidet. Insbesondere geht es um den Aufenthaltsstatus von in Österreich beschäftigten britischen StaatsbürgerInnen, Bestimmungen für Studierende sowie Übergangsregelungen für britische Gesellschaften, die im Vereinigten Königreich registriert sind und einen Verwaltungssitz in Österreich haben. Auch für heimische Vorsorgekassen, die in britische Kapitalanlagefonds investiert haben, sind Übergangsfristen vorgesehen. Wirksam werden sollen die einzelnen Bestimmungen nur dann, wenn kein Vertrag zwischen der EU und Großbritannien über den Brexit zustande kommt.

Die Regierung geht davon aus, dass vom Brexit rund 11.000 in Österreich gemeldete britische StaatsbürgerInnen und ihre drittstaatsangehörigen Familienmitglieder betroffen sind. Ihnen soll die vereinfachte Erlangung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz mit freiem Arbeitsmarktzugang ermöglicht werden. Wer sich Ende März 2019 schon mehr als fünf Jahre rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, soll demnach auf einen unbefristeten Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" umsteigen können. Den anderen steht ein erleichterter Zugang zur "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" offen. Laut Erläuterungen wird in den meisten Fällen nur zu prüfen sein, ob die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Beantragt werden muss der neue Aufenthaltstitel innerhalb von sechs Monaten nach dem Brexit. Bis zur Entscheidung der Behörden soll weiterhin ein unbeschränkter Arbeitsmarktzugang gelten. Was den Nachweis von Deutsch- und Wertekenntnissen aus der Integrationsvereinbarung betrifft, soll Außen- und Integrationsministerin Karin Kneissl künftig per Verordnungsermächtigung Ausnahmebestimmungen für StaatsbürgerInnen ehemaliger EU-Staaten und ihre Angehörigen festlegen können.

Gesetzliche Präzisierungen für Foto auf E-Card

Ab dem Jahr 2020 dürfen E-Cards grundsätzlich nur noch mit einem Foto versehen an Versicherte über 14 Jahren ausgegeben werden. Das hat das Parlament bereits 2017 bzw. 2018 beschlossen. Nun werden die entsprechenden Bestimmungen präzisiert. Der Sozialausschuss des Nationalrats hat dem Plenum eine entsprechende Änderung des ASVG mit den Stimmen der Koalitionsparteien vorgelegt.

Vor allem geht es um die Beibringung eines Fotos durch jene Versicherte, die weder einen österreichischen Reisepass oder Personalausweis noch einen österreichischen Führerschein besitzen. Laut vorliegendem Gesetzesentwurf sind davon rund 1,5 Millionen Versicherte betroffen. Dazu zählen vor allem auch EU-BürgerInnen mit Wohnsitz in Österreich, GrenzgängerInnen und in Österreich erwerbstätige Drittstaatsangehörige. Für die rund 600.000 betroffenen ÖsterreicherInnen sind die Sozialversicherungsträger und für die rund 900.000 AusländerInnen die Landespolizeidirektionen als zuständige Anlaufstelle vorgesehen. Für auf E-Cards angebrachte Fotos können keine Urheberrechte geltend gemacht werden.

Die Gesamtkosten für die Jahre 2019 bis 2023 werden im Regierungsentwurf mit 32,5 Mio. € angegeben, wobei 17,86 Mio. € auf die Sozialversicherungsträger und 14,66 Mio. € auf den Bund entfallen.

Massive Kritik kam im Ausschuss von Seiten der Opposition. Sie führte nicht nur den enormen bürokratischen Aufwand ins Treffen, sondern auch die hohen Kosten, die ihrer Meinung nach in keinem Verhältnis zu den Missbrauchsfällen stehen. Es hätte eine viel einfachere und billigere Umsetzungsmöglichkeit gegeben.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein sprach dagegen von "Missinterpretationen". Ihr zufolge entstehen die angeführten Kosten vor allem deswegen, weil die E-Cards aus Sicherheitsgründen alle fünf Jahre ausgetauscht werden.

Novelle zum Arbeitskräfteüberlassungsgesetz: Arbeitgeberbeitrag zum Sozial- und Weiterbildungsfonds wird dauerhaft gesenkt

Der von den Koalitionsparteien eingebrachte und von den NEOS mitunterstützte Gesetzentwurf zielt darauf ab, den von Leiharbeitsfirmen zu leistenden Arbeitgeberbeitrag zum Sozial- und Weiterbildungsfonds weiter bei 0,35% zu belassen und nicht wie vorgesehen ab April 2019 auf 0,5% und ab April 2021 auf 0,8% zu erhöhen. Trotz der im Jahr 2017 beschlossenen befristeten Beitragssenkung weise der Fonds eine ausgeglichene Gebarung auf und habe hohe Rücklagen gebildet, begründen die Abgeordneten der Koalitionsparteien ihre Initiative. Kritik kommt allerdings von der SPÖ. Sie wies im Ausschuss darauf hin, dass auf Ebene der Sozialpartner im Gegenzug zur Beitragssenkung die Einrichtung einer Arbeitsstiftung für arbeitslose frühere LeiharbeiterInnen vereinbart wurde, die bis dato aber auf sich warten lasse.

Karfreitag: Konkrete Gesetzesregelung wird für das Plenum erwartet

Nachdem der Europäische Gerichtshofs (EuGH) anlässlich der Klage eines nicht-evangelischen Arbeitnehmers im Jänner entschieden hat, dass es eine Diskriminierung darstellt, wenn der Karfreitag nur für Angehörige bestimmter Religionsgemeinschaften wie Protestanten und Altkatholiken ein arbeitsfreier Tag ist, braucht es neue gesetzliche Regelungen. Gemäß einem zwischen den Koalitionsparteien erzielten Kompromiss sollen künftig alle Beschäftigten ab 14 Uhr frei haben. Konkrete gesetzliche Bestimmungen liegen allerdings noch nicht vor. Zum vorsorglich von ÖVP und FPÖ vorgelegten Antrag auf Änderung des Arbeitsruhegesetzes, des Feiertagsruhegesetzes und weiterer Gesetze ist daher ein Abänderungsantrag im Plenum zu erwarten.

Im Ausschuss hagelte es aber bereits Kritik an den Plänen. So gab die SPÖ zu bedenken, dass der Arbeitstag für viele Beschäftigte am Freitag schon zu Mittag endet. Auch Teilzeitbeschäftigte hätten von der 14-Uhr-Regelung nichts. Mitgliedern der evangelischen Glaubensgemeinschaft und einem Arbeitsschluss am Freitag um 12.30 Uhr würde überhaupt ein ganzer Feiertag gestrichen.

Der Antrag der SPÖ, den Karfreitag generell zum gesetzlichen Feiertag zu machen, wurde allerdings nur vom Parlamentsklub JETZT mitunterstützt und fand damit keine Mehrheit. Ebenso wenig Aussicht auf Erfolg hat die Parlamentsfraktion JETZT mit ihrem Vorstoß, eine Gesetzesvorlage zur Entschädigung diskriminierter ArbeitnehmerInnen zu erarbeiten, um eine "Prozessflut" zu vermeiden. Da Lohnansprüche erst nach drei Jahren verjähren, gehen die AntragstellerInnen davon aus, dass sich viele ArbeitnehmerInnen, die in den vergangenen Jahren am Karfreitag arbeiten mussten, an die Arbeitsgerichte wenden und Entschädigung einklagen würden.

Nach Meinung der ÖVP kann es allerdings bestenfalls einige wenige Streitfälle geben. Unverständlich ist für ÖVP und FPÖ auch die Kritik an der 14-Uhr-Regelung: Sie sehen 96% aller ArbeitnehmerInnen gegenüber dem Status quo bessergestellt. Vor allem auch Frauen im Handel würden profitieren.

Besserstellung für Krisenpflegeeltern

Krisenpflegeeltern sollen nun doch Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld haben. Die Koalitionsparteien reagieren damit auf die Rechtsprechung des OGH, wonach Krisenpflegepersonen keine Eltern im Sinne des § 184 ABGB sind. Sie hätten damit den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld (KBG) verloren.

Demnach haben Krisenpflegeeltern Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, wenn das Kind mindestens 91 Tage durchgehend in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft betreut wird. Durch eine entsprechende Anpassung im Familienlastenausgleichsgesetz wird auch der Anspruch auf Familienbeihilfe sichergestellt.

Im Familienausschuss stimmten für die Initiative auch die NEOS. Die gesamte Opposition kritisiert aber die gesetzlich vorgesehenen drei Betreuungsmonate, die für den Bezug der Leistung mindestens erforderlich sind und urgierten zumindest für Krisenpflegeeltern eine diesbezügliche Ausnahmeregelung. Dem hielten aber die Regierungsfraktionen entgegen, dass damit erneut eine gesetzliche Ungleichbehandlung einzelner Gruppen gegeben sei, die vom Höchstgericht gekippt würde.

Anspruch auf Väterkarenzurlaub direkt nach dem "Papamonat"

Kaum Aussicht auf Erfolg hat die Liste JETZT mit ihrem Antrag, der darauf abzielt, dass man in Hinkunft direkt im Anschluss an den "Papamonat" einen Väterkarenzurlaub in Anspruch nehmen kann. Dies sei derzeit nur möglich, wenn man etwa mit Urlaubstagen "trickse". Auch wenn es nur wenige Fälle betreffe, so sollte es doch eine rechtliche Klarstellung geben.

Beim "Papamonat" können Väter innerhalb der ersten 91 Tage nach Geburt eines Kindes zwischen 28 und 31 Tage am Stück zu Hause bleiben.

Petitionen und Bürgerinitiativen

Der Nationalrat befasst sich auch mit zahlreichen Petitionen und Bürgerinitiativen. Jene drei Petitionen, die auf Probleme durch die Zunahme der Wolfspopulation in Österreich beziehen - insbesondere im Waldviertel, in Tirol und in Salzburg – sollen dem Landwirtschaftsausschuss zur weiteren Behandlung zugewiesen werden. Gefordert wird unter anderem die Schaffunggesetzlicher Grundlagen, um Problemwölfe rasch entnehmen zu können. Außerdem sollten die bereits bestehenden europarechtlichen Ausnahmeregelungen zur Entnahme von Problemwölfen (Artikel 16 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) entsprechend genutzt und umgesetzt bzw. eine entsprechende Abänderung der Richtlinie angestrebt werden.

Weitere zur Debatte im Plenum stehende Anliegen der BürgerInnen betreffen unter anderem die Modernisierung des Berufsbilds der Justizwache, einen menschenrechtskonformen Maßnahmenvollzug, die Entkriminalisierung von assistiertem Suizid, Rechtssicherheit und Transparenz bei gerichtlichen psychiatrischen Gutachten, das Bleiberecht für in Familien aufgenommene Flüchtlinge, die Gleichstellung der "mobilen aufsuchenden Familienarbeit" in der Straßenverkehrsordnung und die Zurücknahme der Kürzungen bei ausgegliederten Einheiten bzw. Beteiligungen des Bundes.

Erste Lesungen

Am Ende der Sitzung befassen sich die Abgeordneten mit zwei Initiativanträgen der SPÖ, die Ersten Lesungen unterzogen werden. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen betreffen die Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf einen Papamonat sowie Pflegekarenz und Pflegeteilzeit für ArbeitnehmerInnen.

Rechtsanspruch auf Papamonat

Die SPÖ pocht auf einen Rechtsanspruch von Vätern auf eine einmonatige Arbeitsfreistellung nach der Geburt eines Kindes. Dadurch würde von Anfang an eine intensive Vater-Kind-Beziehung aufgebaut, das Zusammenleben als Familie gefördert und die Vereinbarkeit von Beruf und Väterbeteiligung an der Kindererziehung unterstützt werden, argumentieren die UnterzeichnerInnen. In Anspruch genommen werden können soll der "Papamonat" im Zeitraum des (fiktiven) Beschäftigungsverbots der Mutter, also in der Regel bis zum Ablauf der achten Woche nach der Geburt. Als Voraussetzung sieht der Antrag einen gemeinsamen Haushalt mit dem Kind vor. Rund um die Freistellung soll ein Kündigungsverbot gelten. Ausdrücklich festgeschrieben werden soll außerdem, dass die Freistellung keine Karenz nach dem Väterkarenzgesetz und damit auch nicht auf diese anzurechnen ist.

Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit

Mit einer von der SPÖ beantragten Änderung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes und des Landarbeitsgesetzes soll ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz bzw. auf Pflegeteilzeit für ArbeitnehmerInnen in Betrieben mit zumindest fünf Beschäftigten festgeschrieben werden. Man erwartet sich davon eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine einfachere Bewältigung von Pflegeaufgaben im Familienkreis. Für Betriebe mit weniger als fünf ArbeitnehmerInnen soll es die Möglichkeit eines Rechtsanspruches durch Betriebsvereinbarung geben. Gelten soll der Rechtsanspruch – wie jener auf den Papamonat – ab 1. Juli 2019. (Schluss) keg/jan