Parlamentskorrespondenz Nr. 281 vom 19.03.2019

Gesundheitsausschuss diskutiert Mangel an KassenärztInnen und Öffnungszeiten von Apotheken

Gentechnikfreiheit der österreichischen Landwirtschaft unbestrittenes Prinzip

Wien (PK) – Im letzten Teil des heutigen Gesundheitsausschusses befassten sich die Abgeordneten mit drei Entschließungsanträgen der NEOS sowie einer gemeinsamen Gentechnik-Initiative der SPÖ und der Liste JETZT. Die Anträge wurden zum Großteil mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ vertagt, lediglich die Vorschläge der NEOS zur Verhinderung der restriktiven Stellenplanpolitik der Kassen wurden von den beiden Regierungsparteien und der SPÖ abgelehnt. Auf einhellige Kenntnisnahme stieß der Gentechnikbericht.

Mangel an KassenärztInnen: Kontroverse Debatte zu NEOS-Vorschlägen

Wenig abgewinnen konnten ÖVP, FPÖ und SPÖ den Vorschlägen von NEOS-Abgeordnetem Gerald Loacker (646/A(E) ), um dem kontinuierlichen Rückgang an Vertragsarztstellen zu begegnen. Sie lehnten mit Mehrheit die Initiative ab.

Dem Rückgang an KassenärztInnen stehe ein starker Anstieg des Wahlarztsektors gegenüber, stellte Loacker fest. Die Ärztekammern seien an steigender privatmedizinischer Versorgung interessiert, vermutet er. Auch die Krankenkassen verfolgen seiner Meinung nach eine Politik der restriktiven Stellenplanung, um Kosteneinsparungen zu erwirken. Solange in einem angemessenen Zeitraum keine kassenärztliche Behandlung im Wohnbezirk gewährleisten werden kann, sollte es daher möglich sein, die Wahlarztkosten zur Gänze mit den Kassen abzurechnen, lautet sein konkreter Vorschlag. Das würde einen Anreiz für die Kassen bringen, eine Kostenexplosion zu vermeiden und dafür ausreichend Stellen für KassenärztInnen zur Verfügung zu stellen. Er wurde darin von JETZT-Abgeordneter Daniele Holzinger-Vogtenhuber unterstützt.

Maurice Androsch (SPÖ) glaubt nicht an einen derartigen Lenkungseffekt. Vielmehr befürchtet er unkalkulierbare Kosten für die Kassen und keine Motivation, als KassenärztIn zu arbeiten. "Wir haben keinen Einfluss darauf, was ein Wahlarzt bzw. eine Wahlärztin als Honorar verlangt", sagte er und warnte davor, dass man einer Dynamik des "Systems Wahlarzt" Tür und Tor öffnen würde. Diesen Bedenken schlossen sich auch Angela Fichtinger (ÖVP), Gabriela Schwarz (ÖVP), Ricarda Berger (FPÖ), Gerhard Kaniak (FPÖ) und Ausschussvorsitzende Brigitte Povysil (FPÖ) an. Die Vertragssituation müsse verbessert werden, sagte Povysil und Schwarz wies darauf hin, dass man derzeit intensiv daran arbeite, die Kassenarztstellen attraktiver zu gestalten. Es gehe um eine wohnortnahe Versorgung und um faire Konditionen, ergänzte Schwarz.

Diese Auffassung teilte auch Bundesministerin Beate Hartinger-Klein. Ihr sei es wichtig, dass die Versorgung mit niedergelassenen ÄrztInnen vor allem auch im ländlichen Bereich gegeben ist, betonte die Ressortchefin. Als Ziel nannte sie zudem einen einheitlichen medizinischen Leistungskatalog. Die Honorarkataloge müsse die neue Selbstverwaltung erstellen, die alten Verträge würden zu wenig Anreize schaffen, KassenärztIn zu werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt sei die Steuerung von PatientInnen und Versicherten. Hartinger-Klein zeigte sich jedenfalls zuversichtlich, dass die beschlossene Kassenreform zu mehr KassenärztInnen führen werde.

NEOS-Initiative zu Ungerechtigkeiten im Wohlfahrtsfonds und Öffnungszeiten von Apotheken

In einem weiteren Entschließungsantrag weist NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker auf massive Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit den Wohlfahrtsfonds der Landes-Ärztekammern hin, die u.a. der Alters- und Hinterbliebenenversorgung dienen (644/A(E) ). Sollten sich ÄrztInnen beispielsweise dazu entschließen, für ihre medizinische Tätigkeit das Bundesland zu wechseln oder generell einen anderen Beruf zu ergreifen, verlieren sie bis zu 50% ihrer geleisteten Beiträge. Allfällige Wertsteigerungen aus der Veranlagung werden überhaupt nicht berücksichtigt. Nach Auffassung von Loacker ist es daher hoch an der Zeit, diese in §155 des Ärztegesetzes geregelten Bestimmungen den Grundsätzen anzugleichen, die in anderen Bereichen der kapitalgedeckten Altersvorsorge in Österreich Gültigkeit haben. Im konkreten sollten die Regelungen des Betriebspensionsgesetzes (BPG) für die Berechnung des Unverfallbarkeitsbetrags angewandt werden, lautet die Forderung der NEOS, die schlussendlich mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ vertagt wurde.  

Gabriela Schwarz (ÖVP) und Brigitte Povysil (FPÖ) begründeten die Vertagung mit dem Hinweis, dass seitens der Ärztekammer ein ausformulierter Vorschlag zu einer diesbezüglichen Änderung des Ärztegesetzes dem Ministerium vorliege.

Ebenso mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt wurde die Forderung Loackers, die Betriebszeiten-Regelung für Apotheken nach dem Vorbild des Öffnungszeitengesetzes zu erweitern (70/A(E) ). Sogar die Präsidentin der Apothekerkammer wünsche sich längere Öffnungszeiten, untermauerte Loacker seine Initiative.

Derzeit werden die Betriebszeiten für den Kundenverkehr für alle Apotheken eines Ortes einheitlich durch die Bezirksverwaltungsbehörde festgelegt. Diese Einschränkung widerspreche marktwirtschaftlichen Prinzipien und schade damit nicht nur den PatientInnen, sondern auch engagierten ApothekerInnen, die gerne ein besseres Kundenservice anbieten würden. Apotheken sollte es daher frei stehen, eigene Öffnungszeiten festzulegen, meinen die NEOS.

Dass die derzeitigen Öffnungszeiten einen Anachronismus darstellen, ist auch für Gerhard Kaniak (FPÖ) keine Frage, hier müssen bedarfsorientierte Regelungen her. Kritisch merkte er unisono mit Verena Nussbaum (SPÖ) an, dass im Antrag Mindestöffnungszeiten fehlen.

Gentechnik: Österreich schützt Landwirtschaft, fördert Forschung

Die Information der Öffentlichkeit über die Entwicklungen im Gentechniksektor schreibt das heimische Gentechnikgesetz vor. Dementsprechend übermittelt das Gesundheitsministerium gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium dem Parlament jedes dritte Jahr einen entsprechenden Bericht der zuständigen Kontrollstelle, der heimischen Gentechnikkommission.

Wichtige Vorkehrungen zum gesetzlichen Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft Österreichs sind laut Bericht in den letzten Jahren getroffen worden, nachdem 2015 eine EU-Richtlinie dies ermöglicht hatte. Unabhängig davon komme der heimischen Biotechnologie-Forschung eine große Bedeutung zu. Hingewiesen wird allerdings auf die Notwendigkeit umfassender Förderkonzepte, um Österreich auch weiterhin als wirtschaftlichen Standort biotechnologischer Aktivitäten zu erhalten.

In ihrem nunmehr siebenten Bericht über den Zeitraum 2014 bis 2016 (III-237 d.B. ) beleuchtet die Gentechnikkommission auch die Entwicklungen auf EU-Ebene und ihren Einfluss auf die nationale Gentechnikpolitik. Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen und im Ausschuss enderledigt, nachdem Markus Vogl an der späten Vorlage Kritik geübt hatte. Der nächste sollte zeitnaher diskutiert werden, forderte er.

Österreich war 2015 eines der ersten Länder in der Europäischen Union, die die EU-Richtlinie zur Selbstbestimmung der Mitgliedstaaten beim Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in nationales Recht umgesetzt haben, erinnert die Gentechnikkommission. Bereits 2001 wurde mittels der heimischen Saatgut-Gentechnik-Verordnung dafür gesorgt, dass ausschließlich gentechnikfreies Saatgut in Österreich angeboten wird. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) überwacht die Einhaltung dieser Bestimmung und sammelt Informationen zu den Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten, mit denen das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in Kulturpflanzen vermieden werden soll ("Koexistenz-Maßnahmen").

International viel Diskussion gibt es der Gentechnikkommission zufolge über neue Züchtungstechniken ("Grüne Gentechnik"). Der Europäische Gerichtshof entschied 2018, dass durch gerichtete Mutagenese erzielte Genomveränderungen an Pflanzen, etwa zur Hebung der Pestizidresistenz, als GVO gelten und somit von der Opt-out-Regelung erfasst sind, heißt es auf der Website des Sozialministeriums. Zufällige Genomänderungen bzw. herkömmliche Züchtungstechniken seien davon ausgenommen, fallen also nicht unter den Geltungsbereich des österreichischen Gentechnikgesetzes (GTG).

Die Gewährleistung der sicheren Anwendung von Gentechnik trägt dem Vorsorgeprinzip im heimischen Gentechnikgesetz Rechnung. Die Gentechnikkommission sieht hier allerdings einen engen Zusammenhang mit dem ebenfalls im GTG festgeschriebenen Zukunftsprinzip, da nur eine effektive Forschung mögliche Risiken und Gefahren zutage fördern und langfristige Konsequenzen für Mensch und Umwelt erkennbar mache. Der biotechnologischen Forschung und ihrer wirtschaftlichen beziehungsweise medizinischen Anwendung wird daher große Bedeutung beigemessen. In Österreich existieren derzeit 336 Biotech-Unternehmen mit rund 26.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Umsatzerlösen von 11,65 Mrd. € pro Jahr, zeigt die Gentechnikkommission auf. Nicht nur als Wirtschaftsfaktor nehmen hierzulande die "Life Sciences" einen hohen Stellenwert mit viel Wachstumspotenzial gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen ein. Besonders für die medizinische Forschung sei dieser Wissenschaftsbereich unter Einhaltung ethischer Aspekte nicht mehr wegzudenken, unterstreicht die Kommission, sodass für nicht oder schwer therapierbare Krankheiten neue Medikamente und Therapien entwickelt werden.

Gemeinsame Gentechnik-Initiative von SPÖ und Liste JETZT

Vertagt wurde schließlich der Antrag der SPÖ und der Liste JETZT in dem die AntragstellerInnen darauf aufmerksam machen, dass der Europäische Gerichtshof gerade prüft, ob die zahlreichen neuen Züchtungstechniken in der Gentechnik unter geltendes EU-Gentechnikrecht fallen (247/A(E) ). Sollte dies nicht der Fall sein, dann könnten die einzelnen Mitgliedstaaten relativ rasch manipulierte Pflanzen freisetzen, obwohl deren Umwelt- und Gesundheitsrisiken noch nicht geklärt sind. Außerdem würde damit einer Vermischung von Genen mit nicht manipulierten Pflanzen Tür und Tor geöffnet und Systeme, die diese Techniken ablehnen (Biolandbau, gentechnikfreie Produktion), massiv gefährdet.

Die Bundesregierung wird daher ersucht, sich auf europäischer Ebene für ein neues Regelungsregime einzusetzen, welches zumindest eine Kennzeichnungspflicht sowie eine umfassende Risikobewertungspflicht beinhaltet. Österreich müsse auch weiterhin die Möglichkeit haben, derartig gezüchtete Organismen auf seinem Staatsgebiet nicht zuzulassen, fordern die AntragstellerInnen. Markus Vogl (SPÖ) brachte dazu noch einen Abänderungsantrag ein, in dem zusätzlich eine internationale Datenbank gefordert wird. (Schluss Gesundheitsausschuss) sue/jan