Parlamentskorrespondenz Nr. 434 vom 25.04.2019

Hitzige Debatte im Nationalrat über Rechtsextremismus

SPÖ fordert in Dringlicher Anfrage klares Bekenntnis der Regierung zu liberaler Demokratie und Rechtsstaat

Wien (PK) – Für eine äußerst lebhafte Debatte sorgte heute im Nationalrat eine Dringliche Anfrage der SPÖ, in der Jörg Leichtfried den Bundeskanzler – er wurde in der Debatte durch Vizekanzler Heinz-Christian Strache vertreten - zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen aufrief und ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union, zur liberalen Demokratie und zum Rechtsstaat einmahnte. Im Hintergrund stand dabei der von der SPÖ an die FPÖ gerichtete Vorwurf der Verstrickung mit rechtsextremen Kreisen im In- und Ausland, wobei die Affäre rund um das "Rattengedicht" eines mittlerweile zurückgetretenen freiheitlichen Kommunalpolitikers zusätzliche Brisanz erzeugte.

Ein Misstrauensantrag der SPÖ gegen Vizekanzler Strache blieb bei der Abstimmung in der Minderheit. Keine Mehrheit fand auch ein JETZT-Entschließungsantrag mit der Forderung nach einer Distanzierung von der rechtsextremen Verschwörungstheorie des "Großen Austausches". Beschlossen wurde hingegen eine Initiative der Regierungsparteien, betreffend die Evaluierung von Lehrmaterialien unter dem Aspekt der Aufklärung über totalitäre Schriften und damit in Verbindung stehende Verschwörungstheorien.

Rendi-Wagner mahnt rote Linien ein

Pamela Rendi-Wagner warf der FPÖ vor, mit kleinen Schritten, die dann regelmäßig als Missverständnisse und "Ausrutscher" abgetan werden, fast schon im Tagesrhythmus die Grenzen des Anstandes und der politischen Moral zu überschreiten. Symptomatisch dafür sei die zuletzt geübte Kritik an der Berichterstattung des ORF und an Armin Wolf, hinter der die SPÖ-Klubchefin eine gezielte Strategie der FPÖ gegen freie Medien vermutet. Die FPÖ säge damit an den Grundpfeilern der Demokratie, warnte Rendi-Wagner und rief dazu auf, rote Linien zu ziehen. Wenn Anstand und Respekt verletzt werden, werden wir als SPÖ niemals tatenlos zusehen, kündigte sie an.

Nehammer wirft SPÖ Doppelmoral und fehlende Glaubwürdigkeit vor

Bundeskanzler Kurz habe immer klar festgestellt, wo es eine rote Linie in der Demokratie gibt und diese Abgrenzung auch vom Koalitionspartner eingefordert, unterstrich Karl Nehammer. Der ÖVP-Generalsekretär attestierte Vizekanzler Strache, gerade die von der SPÖ angesprochenen Vorfälle, sei es das "Rattengedicht" oder der Umgang mit den Identitären, entschieden verurteilt zu haben. Nehammer zeigte kein Verständnis für die Entrüstung der SPÖ und sprach von Doppelmoral und mangelnder Glaubwürdigkeit. Die SPÖ empöre sich über die Zusammenarbeit von FPÖ und ÖVP auf Bundesebene, während sie sich selbst im Burgenland und in Linz in einer Koalition mit den Freiheitlichen befindet. Auch würden Entgleisungen der SPÖ regelmäßig ohne Folgen bleiben, stellte Nehammer fest und erinnerte in diesem Zusammenhang an immer wiederkehrende Vergleiche zwischen der Volkspartei und der Dollfuß-Ära oder etwa an die Beschäftigung des für die Silberstein-Affäre verantwortlichen Mitarbeiters, der antisemitische und rassistische Inhalte auf Facebook gepostet hatte.

Rosenkranz: SPÖ duldet keine Mehrheiten, die nicht links sind

Walter Rosenkranz qualifizierte die Dringliche als mitleiderregenden Auftritt. Die SPÖ habe keine Regierungsverantwortung mehr und sei auch keine fähige Oppositionspartei, da bleibe nur noch anzupatzen, zu verdrehen und unterstellen. Rosenkranz verurteilte mit Nachdruck Nationalsozialismus und jede Art von Extremismus, warf der SPÖ aber vor, ständig rechts mit extremistisch zu vermengen und keine demokratischen Mehrheiten zu dulden, die nicht links seien. Den Sozialdemokraten gehe es bloß darum, den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit in dieser Bundesregierung zu hintertreiben. Dies werde aber nicht aufgehen, zumal die Bevölkerung mit der Arbeit der Bundesregierung im Interesse des Landes zufrieden sei.

Scherak: Anziehungskraft auf Rechtsextreme und Rassisten ist wesensimmanent in der "DNA der FPÖ"

Er habe es satt, immer wieder im Parlament über rote Linien debattieren zu müssen, meinte Nikolaus Scherak. Für den NEOS-Klubobmann stellt sich vor dem Hintergrund sich häufender Entgleisungen die Frage, warum gerade die FPÖ Menschen mit rassistischem und rechtsextremem Gedankengut so stark anzieht. Diese Anziehungskraft sei offensichtlich wesensimmanent in der "DNA der FPÖ" enthalten, sagte Scherak.

Pilz sieht FPÖ als Geisel der Identitären

Peter Pilz warf der FPÖ vor, nach wie vor Inserate in rechtsextremen Publikationen zu schalten, und sprach von Verstrickungen der Freiheitlichen mit den Identitären nach dem Motto "getrennt marschieren, gemeinsam gewinnen". Die FPÖ sei Geisel der Identitären, sie brauche diese Gruppe als Ideenbringer und mache deren Politik. "Wo FPÖ draufsteht, sind Identitäre drin", steht für Pilz fest. Es liege nun am Bundeskanzler, für klare Verhältnisse zu sorgen und den Schaden von Österreich abzuwenden, den die FPÖ tagtäglich verursacht. Pilz rief Kurz dazu auf, zu trennen, was nicht zusammengehört, und die Koalition zwischen der ÖVP und der FPÖ aufzukündigen.

SPÖ und FPÖ mit gegenseitigen Vorwürfen

Die SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz und Andrea Kuntzl stellten die vermeintlichen Verstrickungen zwischen Identitären und der FPÖ zur Diskussion, sprachen dem Vizekanzler ihr Misstrauen aus und forderten auch seitens des Koalitionspartners Konsequenzen ein. Die FPÖ würde rote Linien verschieben und die ÖVP diese Trennlinien-Verschiebung legitimieren, kritisierte Kuntzl. Alleine die Notwendigkeit der Distanzierung der FPÖ von den Identitären, von denen jeder Fünfte in Österreich in Besitz einer Waffe sei, würde vor Augen führen, wo die Partei ideologisch stehe, meinte Schatz. Wie auch seine Fraktionskolleginnen betonte Peter Wittmann (SPÖ) die Gefahren, die von der personellen Verschränkung zwischen FPÖ und Identitären ausgehen würden. Er meinte, an der derzeitigen Regierung Merkmale für rechtsextreme Regime erkennen zu können. Leider hätten sich die Grenzen verschoben, und vieles, was früher nicht tolerierbar gewesen wäre, sei es heute geworden, so Wittmann. In der Plenardebatte kam Muna Duzdar (SPÖ) die Frage des Umgangs mit der politischen Verantwortung jener, die das Thema Rechtsextremismus salonfähig gemacht hätten, zu kurz. Dass die FPÖ der SPÖ Verharmlosung von Linksextremismus vorwerfe, bezeichnete sie als Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Inhalt der Dringlichen Anfrage.

In Bezug auf das "Rattengedicht" stellte ÖVP-Abgeordneter Karl Mahrer klar, dass die Welle der Empörung darüber zurecht hervorgerufen wurde. Mit einer deutlichen Antwort hätten Kanzler und Vizekanzler Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Den Misstrauenstrag verstand der ÖVP-Abgeordnete als Versuch der SPÖ, einen Keil zwischen die Regierungsparteien zu treiben, um Macht zu erlangen. Gelingen werde dieses Vorhaben nicht, meinte er. Wie auch ÖVP-Fraktionskollegin Gabriela Schwarz kritisierte er die unklare Abgrenzung der SPÖ vom Linksextremismus. Beide ÖVP-Abgeordneten betonten die klare Ablehnung gegenüber jeglicher Art des Extremismus. In Bezug auf Rechtsextremismus sei es wichtig, Wissen über den Holocaust an die nächsten Generationen weiterzugeben, sagte Mandatarin Schwarz, daher forderte sie die Evaluierung von Lehrmaterialien im Hinblick darauf, ob darin ausreichend über totalitäre Schriften aufgeklärt wird.

Die FPÖ-Abgeordneten Christian Hafenecker und Harald Stefan kritisierten, dass die SPÖ Vergleiche zwischen der FPÖ und dem Nationalsozialismus zieht, einem dunklen Kapitel der österreichischen Geschichte. Auch Johann Gudenus (FPÖ) verurteilte das, weil die "Nazikeule" auch eine Verharmlosung der NS-Zeit darstelle. Außerdem warfen die drei FPÖ-Mandatare der SPÖ-Fraktion vor, beim Thema Extremismus mit zweierlei Maß zu messen und über den Linksextremismus zu schweigen. Die FPÖ würde hingegen jede Form von Extremismus ablehnen, betonte Abgeordneter Gudenus.

Das Gedankengut, das die Identitären vertreten, sei auch Teil der DNA und Gründungsgeschichte der FPÖ, meinte Irmgard Griss (NEOS). Um sich davon zu trennen, müsste man die Partei neu gründen, sagte sie in Richtung Vizekanzler. Das Schüren von Angst und das wiederholte Befeuern von Abneigungen gegenüber einzelnen Gruppen in Form einer Erzählung sei eine typisches Vehikel der FPÖ und würde eine Stimmung erzeugen, die im Laufe der Zeit einen Schaden für die Gesellschaft darstellt. Es sei sehr zu bedauern dass man sich immer wieder mit diesen Themen beschäftigen müsse, so Griss.

Seit die FPÖ im Regierungsamt ist, seien in ihren Reihen regelmäßig rechtsextreme, antisemitische und ausländerfeindliche Fälle aufgetreten, die als "Einzelfälle" abgetan werden, sagte Alma Zadić (JETZT). Die Definition eines einmaligen Ereignisses treffe auf schiere Anzahl dieser Fälle allerdings nicht zu, meinte die Abgeordnete. Die negativ auffallenden Äußerungen der FPÖ-FunktionärInnen und MitarbeiterInnen würden sich durch alle politischen Ebenen ziehen und trotz der Distanzierung des Vizekanzlers sei es nicht gelungen, die Verstrickungen mit den rechtsextremen Identitären zu kappen. Weil die Staatsanwaltschaft mittlerweile wegen Terrorverdacht gegen die Bewegung ermittle, forderte sie die Information der Bevölkerung über den Begriff "großer Austausch", bei dem es sich um eine Verschwörungstheorie handle.

Der fraktionslose Abgeordnete Efgani Dönmez meinte, dass man nicht als rechtsextrem abgestempelt werden sollte, weil man etwa für seine Heimat eintrete oder Probleme des Zusammenlebens benenne. Gleichzeitig sollten Personen aber auch nicht aufgrund ethnischer Abstammung diffamiert werden. Ihm wäre es wichtig, für gemeinsame Werte einzutreten. (Fortsetzung Nationalrat) hof/fan