Parlamentskorrespondenz Nr. 456 vom 29.04.2019

Familienausschuss: Von der Armutsbekämpfung bis hin zu neuen Kinderbetreuungsgeldmodellen

Zahlreiche oppositionelle Anträge wurden vertagt

Wien (PK) – Mit zahlreichen Oppositionsanträgen, die allesamt vertagt wurden, setzte der Familienausschuss heute seine Beratungen fort. Die Absicherung der Großbritannien-Aufenthalte im Rahmen von Erasmus+ und des Europäischen Solidaritätskorps nach dem Brexit, die rasche rechtliche Lösung für Probleme im Zusammenhang mit Rückforderungen beim Kinderbetreuungsgeld sowie die Wiedereinführung der fem:Help-App standen im Mittelpunkt der SPÖ-Initiativen. Von Seiten der NEOS wiederum wurden die Einführung einer längeren Variante beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld sowie ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag urgiert. Die Abgeordneten der Liste JETZT setzten sich für eine Direktauszahlung der Familienbeihilfe an volljährige junge Erwachsene, die Erhöhung der Zuverdienstgrenze bei Bezug der Familienbeihilfe sowie eine bessere Unterstützung von AlleinerzieherInnen ein.

SPÖ für Weiterführung von Erasmus+ und Solidaritätskorps mit Großbritannien nach dem Brexit

Laut einer Statistik des österreichischen Austauschdienstes gehört Großbritannien zu den beliebtesten Ländern für Aufenthalte im Rahmen des Erasmus-Programms, zeigt SPÖ-Abgeordnete Eva Maria Holzleitner in einem – mehrheitlich vertagten - Entschließungsantrag ihrer Fraktion auf (579/A(E )). Der bevorstehende Brexit habe nun aber zu einer großen Verunsicherung bei den Betroffenen geführt, zumal nur mehr jene Aufenthalte abgesichert sind, die bis Ende März abgeschlossen wurden. Die SPÖ-Fraktion ersucht daher die Familienministerin, sich in Absprache mit dem Bildungsminister für den Fortbestand von Austauschprogrammen wie Erasmus+ oder dem Europäischen Solidaritätskorps nach dem Brexit – ob mit oder ohne Austrittsabkommen – einzusetzen. Es müsse weiterhin eine unkomplizierte Möglichkeit des Austausches mit Großbritannien bestehen bleiben. Derzeit seien alle Aufenthalte gesichert, bekräftigte Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß, nun müsse man die weiteren Entwicklungen abwarten.

SPÖ ortet Schikanen in Bezug auf Rückforderungen von Kinderbetreuungsgeld

Grundsätzlich haben Selbständige zwei Jahre Zeit, um der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) ihre Einkünfte während des Kinderbetreuungsgeldbezugs nachzuweisen, erläutert SPÖ-Abgeordnete Birgit Sandler in einem Entschließungsantrag ihrer Fraktion (699/A(E )). Laut Medienberichten habe das Familienministerium vor einiger Zeit offenbar die SVA angewiesen, Selbständige nicht mehr über fehlende Unterlagen etc. zu informieren. Diese Vorgangsweise führte zu einem Ansteigen jener Fälle, bei denen die Betroffenen zwar während der Karenzmonate die Zuverdienstgrenze eingehalten hatten, es aber verabsäumten, eine monatsweise Aufschlüsselung an die Versicherung zu schicken.

Da aufgrund der Fristüberschreitung auch ein nachträglicher Nachweis der Einkünfte nicht möglich war, seien zahlreiche Betroffene nun mit schwerwiegenden finanziellen Belastungen konfrontiert. Neben einer Beratungs- und Informationsoffensive brauche es daher rasch eine rechtliche Lösung, die gewährleistet, dass BezieherInnen von Kinderbetreuungsgeld, die vor Ablauf der zweijährigen Frist keine Aufforderung erhalten haben, die Möglichkeit bekommen, fehlende Unterlagen nachreichen zu können, lautete die Forderung an die Familienministerin.

Ministerin Juliane Bogner-Strauß sprach von einer Falschmeldung in den Medien, die nicht auf Tatsachen beruhe. Generell gab sie zu bedenken, dass es in allen Bereichen Fristen gebe, die man einhalten müsse. Allerdings bestehe seit 2017 die Möglichkeit, sich bei der Beantragung des Kinderbetreuungsgeldes für eine Erinnerungsfunktion nach 15 bzw. 18 Monaten zu entscheiden. Man werde sich die Fälle jedoch noch einmal genauer anschauen, versprach sie. – Der Antrag wurde mit Stimmenmehrheit vertagt.

NEOS wollen längere Variante beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld

Für die Einführung einer weiteren, längeren Variante des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes tritt der Familiensprecher der NEOS Michael Bernhard ein (650/A(E )). Im konkreten schlägt er ein Modell mit einer Ersatzrate von 48% und einer maximalen Dauer von 24 Monaten vor. Als Argument für seine Forderung führt Bernhard ins Treffen, dass es nach wie vor keine Harmonisierung zwischen möglicher Karenzdauer und Länge des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld gibt. So könne es vorkommen, dass Eltern, die das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld beziehen, sich aber die Karenz zu gleichen Teilen aufteilen wollen, zehn Monate lang kein Kinderbetreuungsgeld beziehen können. Diese Situation trage natürlich nicht dazu bei, die Väterbeteiligung zu erhöhen.

SPÖ-Abgeordnete Melanie Erasim konnte dem Vorschlag der NEOS wenig abgewinnen, da er ihrer Meinung nach den Weg in Richtung einer Zwei-Klassengesellschaft beim Kinderbetreuungsgeld bereiten würde. Grundsätzlich stehe sie aber einer Weiterentwicklung der Modelle positiv gegenüber. Auch Ministerin Juliane Bogner-Strauß bezweifelte, dass die Initiative der NEOS, die eine Deckelung der Beträge beinhaltet, zu einer Erhöhung der Väterbeteiligung beitragen würde. - Der Antrag wurde ebenfalls mit Mehrheit vertagt.

NEOS für Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr und weiteren Ausbau des Angebots

Der weitere Ausbau von qualitätsvollen Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen, vor allem im Hinblick auf längere Öffnungszeiten und weniger Schließtage, steht im Fokus eines weiteren Entschließungsantrags der NEOS (311/A(E )), der mehrheitlich vertagt wurde. Im Besonderen ging es Abgeordnetem Michael Bernhard um einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für jedes Kind ab Vollendung des ersten Lebensjahres.

Wenngleich die Erwerbstätigenquote von Frauen in Österreich stetig steige und im Jahr 2017 68,2% betrug, arbeite nach wie vor fast jede zweite Frau in Österreich Teilzeit, zeigten die NEOS auf. Als Hauptgründe dafür werde die Betreuung von Kindern oder von pflegebedürftigen Angehörigen angegeben. Vor allem bei unter 3-jährigen Kindern gebe es einen Nachholbedarf; das für 2010 angepeilte Barcelona-Ziel sei noch immer nicht erreicht worden.

Die Versorgungssituation sei in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich, gab Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner (ÖVP) zu bedenken, die – ebenso wie die Ministerin – den Fachkräftemangel in diesem Sektor ansprach. Eine Ausbildungsoffensive für KindergartenpädagogInnen sei daher von vorrangiger Bedeutung.

Liste JETZT fordert Direktauszahlung der Familienbeihilfe für Volljährige und Erhöhung der Zuverdienstgrenze

Im Sinne der Stärkung der finanziellen Autonomie und der Eigenverantwortung sollte volljährigen jungen Erwachsenen die Direktauszahlung der Familienbeihilfe ohne vorherige Zustimmung bzw. Widerrufsrecht der Eltern ermöglicht werden, fordert Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) in einem Entschließungsantrag (654/A(E )), der auch von der SPÖ unterstützt wurde.

Gerade jene Kinder und junge Erwachsene, die sich in Unterhaltsstreitigkeiten mit ihren Eltern befinden, hätten in der Praxis oft Probleme, die für die Direktauszahlung notwendige Unterschrift der Eltern zu erhalten. Überdies werde durch die Widerrufsmöglichkeit den Eltern ein großes Druckmittel in die Hand gegeben, was die Selbstbestimmung der Jugendlichen erheblich einschränke. Eine entsprechende Änderung des Paragraphen 14 des Familienlastenausgleichsgesetzes sei daher dringend erforderlich. Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS) meldete aufgrund der steuerrechtlichen Auswirkungen einer solchen Maßnahme Bedenken an. – Der Entschließungsantrag wurde vertagt.

Ebenso vertagt wurde die Forderung der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) nach Erhöhung der Zuverdienstgrenze bei Bezug der Familienbeihilfe (655/A(E )). Derzeit dürfen Studierende ab dem Kalenderjahr, in dem sie 20 Jahre alt werden, höchstens 10.000 € brutto dazu verdienen. Diese Obergrenze sei das letzte Mal vor über acht Jahren angepasst worden, zeigte die Antragstellerin auf, seitdem hätten sich die Medianeinkommen aber deutlich erhöht.

Liste JETZT für bessere Unterstützung von AlleinerzieherInnen

Eine bessere soziale Absicherung der 180.000 AlleinerzieherInnen in Österreich stand im Mittelpunkt eines weiteren – mehrheitlich vertagten - Antrags der Liste JETZT (1/A(E )). Da 40% dieser Gruppe – zu 90% Frauen – von Armut bedroht sind, schlägt Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber ein Bündel an Maßnahmen vor.

In erster Linie sollten Alleinerziehende einen Ergänzungsbeitrag zur Familienbeihilfe erhalten, falls die Betroffenen keine bzw. zu geringe Unterhaltsleistungen erhalten. Die Beträge sollten sich an den von der Judikatur entwickelten Regelbedarfssätzen orientieren und bis zum Ende der Ausbildung ausbezahlt werden. Da diese Regelbedarfssätze auf einer Statistik aus dem Jahr 1964 basieren und in der Vergangenheit lediglich an den Verbraucherpreisindex angepasst wurden, sei eine Aktualisierung dringend notwendig, urteilt Holzinger-Vogtenhuber. Außerdem drängt sie auf eine Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes.

Der Vorschlag der Liste JETZT würde zu einer Besserstellung von jenen Kindern führen, deren Eltern getrennt sind, zeigte ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler auf. Außerdem führte sie kompetenzrechtliche Bedenken ins Treffen. SPÖ-Mandatarin Melanie Erasim hingegen bedauerte die Vertagung des Antrags, da es keine weiteren Evaluierungen mehr brauche. Ein praktikables Modell zur Unterhaltsgarantie liege bereits vor. NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard gab noch zu bedenken, dass es sich bei den Themen Unterhaltsleistung und Armutsbekämpfung um zwei verschiedene Themen handelt.

SPÖ drängt auf Wiedereinführung der fem:Help-App

SPÖ-Abgeordnete Birgit Sandler stellte mit Bedauern fest, dass die von der früheren Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek ins Leben gerufene Handy-App fem:Help seitens des zuständigen Ministeriums nicht mehr betreut wird (711/A(E )). Die Idee hinter diesem Service war, Frauen in Not- und Gewaltsituationen ein zusätzliches Hilfsinstrument anzubieten. Die Einstellung dieser App treffe vor allem Menschen mit Behinderung, da diese mit einer Gehörlosenfunktion ausgestattet war, zeigte Sandler auf.

Bundesministerin Juliane Bogner Strauß stellte ebenso wie Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP) klar, dass die angesprochene App nicht barrierefrei sei. Außerdem verursachte sie Kosten in der Höhe von 20.000 € jährlich, obwohl sie wenig genutzt wurde. Stattdessen könnten sich Betroffene an die Frauenhelpline wenden, informierte die Ressortchefin, diese sei zudem barrierefrei. – Der Antrag wurde mehrheitlich vertagt. (Schluss) sue