Parlamentskorrespondenz Nr. 464 vom 02.05.2019

Neu im Innenausschuss

Staatliche Agentur soll Betreuung und Rechtsberatung von AsylwerberInnen übernehmen

Wien (PK) – Derzeit erfolgt die Erstbetreuung von Flüchtlingen, die in Österreich einen Asylantrag stellen, in von privaten Unternehmen geführten Einrichtungen des Bundes. Auch die Rechts- und Rückkehrberatung für AsylwerberInnen ist an externe Leistungserbringer, vorrangig gemeinnützige Organisationen, ausgelagert. Beides soll sich nun ändern. Die Regierung plant die Einrichtung einer Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) und hat dem Nationalrat dazu ein entsprechendes Gesetzespaket vorgelegt (594 d.B.). Zudem sind Einschränkungen beim Rechtsanspruch auf Rechtsberatung in Aussicht genommen. Inkrafttreten sollen die neuen Bestimmungen schrittweise, der Vollbetrieb der Agentur ist für 2021 in Aussicht genommen.

Ziel der Novelle sind insbesondere mehr Kosteneffizienz, eine Reduzierung der Abhängigkeit von externen Leistungserbringern sowie Qualitätssicherung. So ist die Regierung zuversichtlich, dass die Gesamtkosten für einen in Bundesbetreuung befindlichen Asylwerber von derzeit durchschnittlich 183 € pro Tag durch niedrigere Administrationskosten und weniger Personal im "Overheadbereich" reduziert werden können, ohne die hohe Betreuungsqualität zu senken. Zudem soll eine "faire, realistische und objektive" Rechtsberatung dazu beitragen, den Anteil der freiwilligen Ausreisen von Fremden an den Außerlandesbringungen von aktuell 45% zu erhöhen. Insgesamt geht der Entwurf nach vorübergehenden Mehraufwendungen in den Jahren 2019 (+4,1 Mio. €) und 2020 (+6 Mio. €) von deutlichen Minderausgaben in den Jahren 2021 (-12,5 Mio. €), 2022 (-15,2 Mio. €) und 2023 (-15,4 Mio. €) aus.

Bundesagentur soll Betrieb 2020 aufnehmen

Im Konkreten soll die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen als Gesellschaft mit beschränkter Haftung im hundertprozentigen Eigentum des Bundes eingerichtet werden. Sie ist ausdrücklich nicht auf Gewinn ausgerichtet und hat ausschließlich mildtätige und gemeinnützige Zwecke zu verfolgen. Als Aufsichtsrat sind zwölf Mitglieder – sechs VertreterInnen des Innenministeriums, je ein Vertreter bzw. eine Vertreterin des Finanz- und des Justizministeriums und vier PersonalvertreterInnen – vorgesehen.

Aufnehmen soll die Agentur ihren Betrieb grundsätzlich mit Juli 2020, wobei sie in einem ersten Schritt für die Grundversorgung der in Bundesbetreuung befindlichen Flüchtlinge zuständig sein wird. Ab 2021 soll sie dann auch die Rechtsberatung für AsylwerberInnen und andere Fremde, die Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe, die Bereitstellung von DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen und die Bereitstellung von MenschenrechtsbeobachterInnen zur Überwachung von Abschiebungen übernehmen. Innenminister Herbert Kickl kann den Start per Verordnung allerdings jeweils um bis zu 12 Monate verschieben, wenn sich die vorbereitenden Maßnahmen verzögern. Sollte es aufgrund einer neuen Flüchtlingswelle zu Engpässen bei der Versorgung kommen, darf die Betreuungsagentur ausnahmsweise auf Drittanbieter zurückgreifen.

RechtsberaterInnen werden weisungsfrei gestellt

Die von der Bundesagentur beschäftigten RechtsberaterInnen werden gemäß Gesetzentwurf – ebenso wie die MenschrechtsbeobachterInnen, die DolmetscherInnen und die ÜbersetzerInnen – bei der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit unabhängig sein und weisungsfrei gestellt. Sie müssen sich aber an bestimmte Verhaltensvorgaben wie Verschwiegenheitspflichten halten und "Gewähr für ihre Verlässlichkeit bieten", wie es in der Novelle wörtlich heißt. Die Qualität der Rechtsberatung soll zudem durch Qualifikationsvorgaben – Absolvierung eines Jus-Studium oder mehrjährige Tätigkeit im Bereich des Fremdenwesens – sowie durch regelmäßige Fortbildungsangebote sichergestellt werden. Vorgesehen ist weiters eine strikte personelle Trennung von Rechtsberatung und Rückkehrberatung.

Rechtsanspruch auf Rechtsberatung wird eingeschränkt

Verbunden mit der Übernahme der Rechtsberatung durch die Bundesbetreuungsagentur ist eine Einschränkung des Rechtsanspruchs. Demnach sollen AsylwerberInnen, die sich im Zulassungsverfahren befinden – ausgenommen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge –, künftig nur noch dann Anspruch auf kostenlose Rechtsberatung haben, wenn ihnen eine negative Entscheidung in Aussicht gestellt wurde und sie weniger als 72 Stunden Zeit haben, um sich auf ihre Einvernahme beim Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen (BFA) vorzubereiten. Auch Fremden, die zum Zweck einer Abschiebung festgenommen werden, wird nur noch nach Maßgabe vorhandener Kapazitäten unentgeltliche Rechtsauskunft erteilt.

Begründet wird die Einschränkung damit, dass die Europäische Union bei behördlichen Verfahren keine verpflichtende Rechtsberatung vorschreibt. Zudem stehe den Betroffenen im Falle eines negativen BFA-Bescheids bzw. der faktischen Verhängung von Schubhaft ohnehin ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht offen, für das wie bisher kostenlose Rechtsberatung und Rechtshilfe gewährt wird. Allerdings kommt es auch hier zu kleineren Einschränkungen: So wird etwa bei Beschwerden gegen Reisepass-Beschaffungsbescheide und Ersatzreisedokument-Mitwirkungspflichten keine Rechtshilfe mehr gewährt und auf die allgemeine Verfahrenshilfe verwiesen.

Gemäß den finanziellen Erläuterungen könnten im Bereich der Rechtsberatung ab 2021 jährlich rund 3 Mio. € eingespart werden. Ausdrücklich nicht mehr zulässig ist laut Gesetzentwurf die Betrauung anderer juristischer Personen mit der Durchführung der Rechtsberatung.

Mehr als 500 MitarbeiterInnen nach Vollausbau der BBU

Die Einmalkosten für die Errichtung der BBU werden in den finanziellen Erläuterungen mit 10,9 Mio. € angegeben, wobei zunächst ein Einrichtungsteam mit einem Geschäftsführer/einer Geschäftsführerin und 19 MitarbeiterInnen tätig werden soll. Mit Übernahme der Grundversorgung im Juli 2020 soll der Personalstand dann auf rund 428 Beschäftigte (inklusive 43-köpfigem Supportteam und 312 von der ORS übernommenen MitarbeiterInnen) steigen, wobei 61 davon nach einem Jahr wieder abgebaut werden bzw. eine neue Aufgabe bekommen sollen. Für die Rechts- und Rückkehrberatung sind im Endausbau 184 MitarbeiterInnen und für Dolmetschleistungen 15 MitarbeiterInnen veranschlagt, wobei das Innenministerium davon ausgeht, dass ein Großteil der Rechts- und RückkehrberaterInnen aus dem Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) kommen wird und auch einige MitarbeiterInnen der ARGE Rechtsberatung übernommen werden.

Laut Erläuterungen zum Regierungsentwurf befanden sich 2018 durchschnittlich 1.166 AsylwerberInnen in Bundesbetreuung. Gleichzeitig waren rund 81.000 Rechtsberatungen im Zulassungsverfahren sowie in erster und zweiter Instanz erforderlich. 5.600 Personen reisten freiwillig aus. (Schluss) gs