Parlamentskorrespondenz Nr. 758 vom 02.07.2019

Nationalrat: Breite Mehrheit für 1.200 € Mindestpension bei zumindest 40 Arbeitsjahren

ÖVP-FPÖ-Abänderungsantrag mit Präzisierungen mitbeschlossen, SPÖ und NEOS setzen sich mit Anträgen nicht durch

Wien (PK) – Wer 40 Jahre oder länger erwerbstätig war, wird ab 2020 eine Pension von zumindest 1.200 € netto (1.315 € brutto) erhalten. Ehepaaren wird ein Betrag von 1.500 € netto (1.782 € brutto) gebühren. Der Nationalrat hat heute mit breiter Mehrheit – gegen die Stimmen der NEOS – eine entsprechende Novelle zum ASVG und weiteren Sozialversicherungsgesetzen beschlossen. A ngerechnet werden bis zu zwölf Monate Präsenz- bzw. Zivildienst sowie bis zu fünf Jahre Kindererziehungszeiten.

Der Pensionsbonus sei eine wichtige Maßnahme zur Senkung von Altersarmut, machten ÖVP und FPÖ geltend. Kritik kommt hingegen von den NEOS. Ein von Gerald Loacker (NEOS) eingebrachter Abänderungsantrag, anstelle eines Pensionsbonus eine Erhöhung der Ausgleichszulage vorzusehen, blieb aber in der Minderheit. Zwei SPÖ-Abänderungsanträge zum Erhalt von Betriebskrankenkassen und gegen hohe Pensionsabschläge für schwerarbeitende Menschen wurden ebenso abgelehnt. Seine Fraktion stimme dem Pensionsbonus zwar zu, erklärte etwa Dietmar Keck seitens der SPÖ. Die Rahmenbedingungen – etwa, dass nur Beitrags- statt Versicherungsjahre angerechnet würden – wollen die SozialdemokratInnen aber nachverhandeln. Ein Rückverweisungsantrag der SPÖ zur weiteren Behandlung der Materie im Ausschuss wurde im Plenum abgelehnt.

Mit einem ÖVP-FPÖ-Abänderungsantrag, der mitbeschlossen wurde, werden Michael Hammer (ÖVP) zufolge hauptsächlich technische Präzisierungen vorgenommen. Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass es zu "keinerlei Verschlechterungen für irgendwen" kommt. Der Antragsbegründung zufolge soll außerdem sichergestellt werden, dass der Pensionsbonus nicht in jedes Land der Welt exportiert werden muss. Er gebühre Personen, die ihren rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Außerdem sollen demnach die Boni nur zu den Eigenpensionen gebühren und nicht zu Hinterbliebenenpensionen. Kinderzuschläge werden der Abänderung zufolge nicht auf den Bonus angerechnet, weiters soll er nicht unter die EStG-Befreiungsbestimmungen für Ausgleichszulagen fallen.

Verabschiedet hat der Nationalrat auch zwei weitere Gesetzesinitiativen der ehemaligen Koalitionspartner. Zum einen geht es um die Zusammensetzung der Alterssicherungskommission, zum anderen um die Krankenversicherung von RechtsanwältInnen.

Höhere Mindestpension bei mehr als 40 Arbeitsjahren

Von der neuen Pensionsregelung werden nicht nur AusgleichszulagenbezieherInnen mit langen Versicherungszeiten profitieren, sondern auch Personen, die derzeit eine Pension unter den genannten Schwellenwerten beziehen. Sie werden künftig zusätzlich brutto zu ihrer Pension bzw. zur Ausgleichszulage (derzeit 933,06 €) einen Bonus erhalten, der für 2020 im Falle von 40 Beitragsjahren mit maximal 381,94 € für Einzelpersonen und 383,03 € für Ehepaare festgesetzt ist. Bei 30 Beitragsjahren ist ein Bonus von bis zu 146,94 € vorgesehen, was in Summe ungefähr dem schon derzeit geltenden erhöhten Ausgleichszulagenrichtsatz (derzeit 1.049 €) entspricht. Bei der Berechnung eines etwaigen Anspruchs werden – wie bei der Ausgleichszulage – zusätzliche Einkommen berücksichtigt.

Auf diverse Begünstigungen für BezieherInnen einer Mindestpension wie den Entfall der Rezeptgebühr hat der Bonus keinen Einfluss. Das heißt, sie bleiben erhalten. Ebenso ist eine regelmäßige Valorisierung – ab 2021 – in Aussicht genommen.

Ausdrücklich hervorgehoben wird in den Erläuterungen zum Gesetzesantrag, dass der Pensionsbonus keine Versicherungsleistung ist und damit – ebenso wie die Ausgleichszulage – nicht an PensionistInnen ausgezahlt wird, die länger als acht Wochen pro Jahr im Ausland verbringen. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, den Bonus entsprechend zu aliquotieren, wenn die erforderlichen 480 bzw. 360 Beitragsmonate nicht zur Gänze in Österreich erworben wurden.

ÖVP und FPÖ: Große sozialpolitische Maßnahme und Meilenstein

ÖVP und FPÖ rechnen damit, dass mehr als 45.000 Personen vom Pensionsbonus profitieren werden. August Wöginger sprach seitens der ÖVP von einer großen familien- und sozialpolitischen Maßnahme und geht davon aus, dass der Pensionsbonus ebenso wenig dem Leistungsexport unterliegt wie die Ausgleichszulage. Drei Faktoren - steuerfinanziert, von der Höhe der Beitragsleistung unabhängig und auf den Wohnsitz im Inland abzielend - seien dafür maßgeblich. Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) zufolge ist der Pensionsbonus bereits im Budget eingerechnet und bringe PensionistInnen im Jahr 2.800 €, Ehepaaren 3.300 € pro Jahr. Die Maßnahme werde vor allem auch Frauen aus der Altersarmut holen, so Bogner-Strauß. Es sei nur gerecht, wenn jene, die ein Leben lang gearbeitet haben, entlastet werden, unterstrich Michael Hammer (ÖVP).

Diese langjährige Forderung der FPÖ habe schon Eingang in das Regierungsprogramm gefunden und werde heute beschlossen, betonte Werner Neubauer (FPÖ). Das sei ein Meilenstein in der österreichischen Sozialpolitik und führe dazu, dass die Armut bei PensionistInnen weniger und ein Altern in Würde ermöglicht wird. Peter Wurm (FPÖ) unterstrich, die 1.200 € netto werden für viele Menschen eine Riesenverbesserung darstellen. Außerdem ist er überzeugt, dass Frauen massiv profitieren werden. Die FPÖ werde weiter dafür kämpfen, dass Luxuspensionen gekürzt werden und "normal Arbeitende" bessere Pensionen bekommen.

SPÖ steht zu Erhöhung der Mindestpension, will aber nachverhandeln

Josef Muchitsch bezog sich wie Alois Stöger (beide SPÖ) auf ihren eingebrachten Abänderungsantrag, bestimmte Betriebskrankenkassen in der jetzigen Form aufrechtzuerhalten. Diese stünden finanziell gut da und würden den SteuerzahlerInnen keinen Cent kosten. Darüber hinaus wollen die SozialdemokratInnen sicherstellen, dass eine Änderung der Rechtsform oder die Übertragung der Betriebskrankenkassen in die ÖGK immer nur im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreterlnnen der betroffenen Kasse erfolgen kann und dass die bisherige Bestimmung, wonach die Untätigkeit des Arbeitgebers automatisch zu einer Überführung der Betriebskrankenkasse in die ÖGK erfolgt, beseitigt wird. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit.

Was die Erhöhung der Mindestpension betrifft, stehe seine Fraktion zwar dazu, sagte Muchitsch. Er will jedoch weiter verhandeln, was die Unsicherheit hinsichtlich Export von Sozialleistungen in EU-Staaten betrifft. Außerdem geht es ihm um die Anrechnung der Versicherungsjahre, etwa bei Karenzzeiten und bei Jahren der Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Stöger unterstrich, gerade Personen die arbeitslos oder krank werden, müssen ein Recht auf Absicherung haben. Dietmar Keck (SPÖ) will für die Zukunft eine gute Pensionsanpassung. Er sprach sich außerdem mit einem Abänderungsantrag dafür aus, eine sofortige Lösung für schwer arbeitende Menschen in Österreich herbeizuführen, die die höchsten Pensionsabschläge haben. Das Sonderruhegeld werde auf Basis der Invaliditätspension berechnet und diese Abschläge würden massive Pensionskürzungen für ArbeitnehmerInnen nach sich ziehen, die Jahrzehnte Nacht- und Schwerarbeit geleistet haben, so die Erläuterungen. Der Antrag fand keine Mehrheit und wurde abgelehnt.

NEOS fordern Erhöhung der Ausgleichszulage anstelle des Pensionsbonus

Alle hätten ungeteiltes Interesse, dass Menschen, die lange gearbeitet haben, eine Pension bekommen, von der sie auch gut leben können, betonte Gerald Loacker (NEOS). Er befürchtet aber, dass der Pensionsbonus zu Ungerechtigkeiten führen könne. Außerdem seien sich alle ExpertInnen einig, dass durch Export der größte Teil davon im Ausland landen werde. Loacker brachte den Abänderungsantrag ein, anstelle eines Pensionsbonus eine Erhöhung der Ausgleichszulage vorzusehen. Davon würden im Gegensatz zum Pensionsbonus überwiegend Frauen profitieren, außerdem wäre die Ausgleichszulage nicht exportierbar. Darüber hinaus gebe es bei der Ausgleichszulage eine Prüfung des sozialen Bedarfs. Auch dieser Antrag blieb jedoch in der Minderheit und wurde abgelehnt.

Keine ASVG-Versicherungspflicht für RechtsanwältInnen

Verabschiedet hat der Nationalrat auch zwei weitere gemeinsame Gesetzesinitiativen von ÖVP und FPÖ, die gemeinsam mit den neuen gesetzlichen Pensionsbestimmungen diskutiert wurden. Zum einen stellt eine weitere ASVG-Novelle klar, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die einer berufsständischen Versorgungseinrichtung angehören und dort krankenversichert sind, nicht der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG unterliegen. Zum anderen soll die Bundesregierung mehr Mitspracherechte in der Alterssicherungskommission bekommen.

Die neue Bestimmung zur Krankenversicherung von RechtsanwältInnen soll auch rückwirkend zum Tragen kommen. In den Erläuterungen zum Antrag heben Klaus Fürlinger (ÖVP) und Harald Stefan (FPÖ) hervor, dass betroffene RechtsanwältInnen ihre Erwerbstätigkeit selbständig ausüben, zudem verweisen sie auf steuerrechtliche Konsequenzen. Sowohl Fürlinger als auch Stefan unterstrichen, es handle sich hier um Klarstellungen, zumal selbstständige Anwälte in ihrer Tätigkeit nie Dienstnehmer sein können. Die Abgeordneten beschlossen die Initiative einstimmig.

Neue Zusammensetzung der Alterssicherungskommission

Hintergrund für die Novelle zum Alterssicherungskommissions-Gesetz ist der Umstand, dass sich die Anfang 2017 beim Sozialministerium eingerichtete neue Kommission zur langfristigen Finanzierung der Alterssicherungssysteme immer noch nicht konstituiert hat. Diese Kommission löste die alte Pensionssicherungskommission ab und hat unter anderem die Aufgabe, jedes Jahr ein Gutachten über die voraussichtliche Gebarung der gesetzlichen Pensionsversicherung und über die Kostenentwicklung der Beamtenpensionen für die nächsten fünf Jahre zu erstellen. Zudem ist sie angehalten, alle drei Jahre einen Bericht über die langfristige Entwicklung und Finanzierbarkeit des Pensionssystems vorzulegen.

Der heute mit Mehrheit beschlossene ÖVP-FPÖ-Antrag sieht nun vor, die Zusammensetzung der Alterssicherungskommission zu adaptieren. So sollen künftig – neben ExpertInnen der Sozialpartner, der Industriellenvereinigung, des Seniorenrats und der Bundesjugendvertretung – auch vier von den zuständigen Ministerien nominierte ExpertInnen ein volles Stimmrecht haben, und zwar je eine Vertreterin bzw. ein Vertreter des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport, des Finanzministeriums, des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und des Sozialministeriums. Bisher kam den vier RegierungsexpertInnen lediglich ein Teilstimmrecht bzw. beratende Funktion zu. Darüber hinaus trägt die Gesetzesnovelle den geänderten Zuständigkeiten gemäß Bundesministeriengesetz Rechnung.

Norbert Sieber (ÖVP) unterstrich, diese stark verkleinerte Expertenkommission werde nach der Konstituierung ihre Aufgaben zu bester Zufriedenheit erfüllen. Irmgard Griss (NEOS) bedauerte allerdings, dass diese wichtige Kommission im Sinne einer Expertise für ein zukunftssicheres Pensionssystem bisher noch nicht konstituiert wurde. (Fortsetzung Nationalrat) mbu/gs