Parlamentskorrespondenz Nr. 810 vom 11.07.2019

Bundesrat ebnet Weg für jährliche Valorisierung des Pflegegelds

Auch weitere Nationalratsbeschlüsse aus dem Sozialbereich haben Länderkammer unbeeinsprucht passiert

Wien (PK) – Die jährliche Valorisierung des Pflegegelds und weitere Gesetzesvorlagen aus dem Sozialbereich sind endgültig auf Schiene. Der Bundesrat beschloss heute teils einstimmig, teils mehrheitlich keinen Einspruch gegen die entsprechenden Beschlüsse des Nationalrats zu erheben. Damit stehen auch der beschlossenen Mindestpension von 1.200 € netto bei zumindest 40 Arbeitsjahren, der vollen Anrechnung von Zeiten der Elternkarenz für Gehaltsvorrückungen, dem Rechtsanspruch auf den sogenannten "Papamonat" und der Erhöhung der Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld nichts mehr im Weg. Unternehmen, die freiwillige HelferInnen im Katastrophenfall von der Arbeit freistellen, erhalten Anspruch auf eine Entschädigung von 200 € pro Tag aus dem Katastrophenfonds.

Weitere Neuerungen betreffen die Einrichtung eines Unterstützungsfonds für selbständig Beschäftigte, die Kinderbetreuungsgeld zurückzahlen müssen, sowie die Zusammensetzung der Alterssicherungskommission, in der die Regierung künftig mehr Einfluss haben wird. RechtsanwältInnen, die einer berufsständigen Versorgungseinrichtung angehören und dort krankenversichert sind, werden ausdrücklich von der ASVG-Versicherungspflicht ausgenommen.

In der Minderheit blieb hingegen ein Entschließungsantrag zur Arbeitszeitumverteilung, den die SPÖ im Zuge der Debatte über die Anrechnung von Elternkarenzzeiten einbrachte. Die SozialdemokratInnen fordern darin unter anderem die Rücknahme des 12-Stunden-Tages bzw. der 60-Stunden-Woche.

Parteiübergreifende Zustimmung zur Valorisierung des Pflegegelds

Der Gesetzesbeschluss zur Valorisierung des Pflegegelds geht auf einen Antrag der Liste JETZT zurück, der im Bundesrat, wie im Nationalrat, parteiübergreifende Zustimmung erhielt. Die Erhöhung des Pflegegelds sei ein wichtiges Signal der Wertschätzung, sowohl gegenüber den zu pflegenden Menschen als auch gegenüber den pflegenden Angehörigen, hielt etwa der steirische ÖVP-Bundesrat Ernest Schwindsackl fest. Der Wiener Rudolf Kaske (SPÖ) sprach von einem Gebot der Stunde.

Kaskes niederösterreichische Fraktionskollegin Andrea Kahofer gab zu bedenken, dass das Pflegegeld seit seiner Einführung deutlich an Wert eingebüßt hat. Dazu komme, dass die Preise für Güter des täglichen und wöchentlichen Bedarfs deutlich stärker steigen als die allgemeine Inflationsrate. In diesem Sinn ist für sie die Valorisierung des Pflegegelds kein "Wahlzuckerl", sondern eine Notwendigkeit. Das bekräftigte auch die FPÖ-Bundesrätin Rosa Ecker aus Oberösterreich.

Einig waren sich die BundesrätInnen auch darin, dass es mit der Valorisierung des Pflegegelds nicht getan ist. Dieser Schritt entbinde die Politik nicht davon, weiter an einem umfassenden Pflegekonzept zu arbeiten und das Pflegesystem weiterzuentwickeln, betonte Schwindsackl. Dazu gehört für ihn auch, das Angebot und das Bewusstsein für präventive Maßnahmen zu schärfen und pflegende Angehörige besser abzusichern. Schließlich würde ein Großteil der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt. Vor allem von Frauen, wie neben Ecker auch die oberösterreichische ÖVP-Mandatarin Doris Schul z ausdrücklich unterstrich.

Weiters für notwendig halten die BundesrätInnen u.a. mehr Kurzzeitbetten, den Ausbau von Tageszentren und altersgerechten Wohnformen, eine Differenzierung zwischen Pflege, Betreuung und Assistenz, eine Qualitätssicherung bei der 24-Stunden-Betreuung und eine Lösung der Finanzierungsfrage, wobei Kaske beim letztgenannten Punkt auf eine Umwandlung des Pflegefonds in einen Pflegegarantiefonds pochte. Zudem sind der SPÖ bessere Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal, angefangen von einer fairen Entlohnung bis hin zu "lebbaren Arbeitszeitmodellen" ein besonderes Anliegen. Es brauche in Sachen Pflege jedenfalls einen Schulterschluss zwischen den Parteien und keine Alleingänge, mahnte Kaske. Immer wieder wurde in der Debatte auch auf die große Herausforderung Demenz verwiesen.

Entgeltfortzahlung für freiwillige HelferInnen im Katastrophenfall

Einhellig von den BundesrätInnen begrüßt wurden auch die neuen gesetzlichen Regelungen für freiwillige HelferInnen. An deren Anfang stand ein im vergangenen Jahr eingebrachter SPÖ-Antrag , der im Zuge der Beratungen im Nationalrat jedoch erheblich abgeändert wurde. Mitglieder freiwilliger Feuerwehren und ehrenamtliche Mitglieder von Rettungs- und Katastrophenhilfe-Organisationen brauchen demnach für Katastropheneinsätze während ihrer Arbeitszeit weiterhin die Zustimmung ihres Dienstgebers, im Fall des Falles wird ihnen aber ein Rechtsanspruch auf Entgeltfortzahlung eingeräumt. Gleichzeitig winkt Unternehmen, die ArbeitnehmerInnen für Hilfseinsätze abstellen, ein Bonus von 200 € pro Tag aus Mitteln des Katastrophenfonds.

Die RednerInnen aller Fraktionen hoben den Einsatz der freiwilligen HelferInnen als wertvollen und unverzichtbaren Beitrag hervor. Klara Neurauter (ÖVP/T), Sonja Zwazl (ÖVP/N) und Andrea Wagner (ÖVP/N) betonten, die nunmehrige Lösung sei sehr sinnvoll und ein Zeichen der Wertschätzung. Der ursprüngliche Antrag der SPÖ wäre aus Sicht der ÖVP-Bundesrätinnen kontraproduktiv gewesen. Mit der jetzigen Lösung werde Anerkennung und Rechtssicherheit geschaffen, war sich etwa Zwazl mit Christoph Steiner (FPÖ/T) einig. Steiner betrachtet die Maßnahme als besonders wichtig für die Feuerwehr. Freiwilliger Einsatz sollte insgesamt keine Selbstverständlichkeit sein, es sei daher höchst an der Zeit gewesen, das Engagement auf ein rechtlich adäquates Niveau zu heben.

Andrea Kahofer (SPÖ/N) und Jürgen Schabhüttl (SPÖ/B) bezeichneten die jetzige Umsetzung als gut und wichtig, verwiesen aber auch darauf, dass die ursprüngliche Initiative bereits im Jahr 2018 von der SPÖ ausgegangen sei. Die vorgesehene Entschädigung von 200 € ist aus Sicht von Kahofer fair. Positiv ist für Schabhüttl außerdem, das Freiwilligensystem so weiter aufrecht erhalten zu können.

Weitere Beschlüsse: Papamonat, Karenzzeitanrechnung, Pensionsbonus

Pate stand die SPÖ auch für den beschlossenen Rechtsanspruch von Vätern auf den sogenannten Papamonat sowie für die – einhellig angenommene - volle Anrechnung von Zeiten der Elternkarenz als Dienstzeiten. Damit müssen in Hinkunft bis zu 24 Monate Elternkarenz nicht nur bei Gehaltsvorrückungen, sondern etwa auch beim Anspruch von ArbeitnehmerInnen auf eine sechste Urlaubswoche, bei Kündigungsfristen und bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall berücksichtigt werden. Die neue Regelung gilt gemäß einem im Nationalrat angenommenen Abänderungsantrag für Karenzzeiten ab August 2019. Die Änderung des Väter-Karenzgesetzes betreffend den Papamonat tritt am 1. September in Kraft.

Auf einem Antrag der ehemaligen Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ beruht der - einstimmig gebilligte - Pensionsbonus für langzeitversicherte Personen . Wer zumindest 40 Arbeitsjahre hat, erhält ab 2020 eine Mindestpension von 1.315 € brutto, wobei bis zu 12 Monate Präsenz- bzw. Zivildienst sowie bis zu 5 Jahre Kindererziehungszeiten angerechnet werden. Ehepaaren werden 1.782 € gebühren. Auch die – einstimmig angenommene - Ausnahme für RechtsanwältInnen von der ASVG-Versicherungspflicht, die neue Zusammensetzung der Alterssicherungskommission sowie die Novelle zum Kinderbetreuungsgeldgesetz wurden von ÖVP und FPÖ initiiert. Letztere umfasst nicht nur eine Anhebung der Zuverdienstgrenze zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld auf jährlich 7.300 €, sondern auch eine Härtefallregelung für selbständig Beschäftigte, die Kinderbetreuungsgeld zurückzahlen müssen, und die damit einhergehende Einrichtung eines mit 1 Mio. € dotierten Jungfamilienfonds. (Fortsetzung Bundesrat) gs/mbu


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