Parlamentskorrespondenz Nr. 933 vom 25.09.2019

Nationalrat: Aktuelle Stunde der SPÖ zum Thema leistbares Wohnen

Debatte über unterschiedliche Konzepte und Vorschläge im Vorfeld der anstehenden Wahlen

Wien (PK) – Einen Offenbarungseid in Sachen leistbares Wohnen forderte heute SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner von den anderen Parteien im Rahmen der Aktuellen Stunde im Nationalrat ein. Während die SozialdemokratInnen in dieser Frage schon immer ein verlässlicher Partner waren, hätten etwa ÖVP, FPÖ und NEOS erst letzte Woche gegen den Antrag auf Abschaffung der Maklerprovisionen für MieterInnen gestimmt, kritisierte sie. Dringend erforderlich sei zudem ein zeitgemäßes, modernes Mietrecht mit transparenten Zu- und Abschlägen für alle Wohnungen.

Die Politik müsse Anreize schaffen, damit mehr Wohnungen gebaut werden, erklärte Johann Singer (ÖVP), die Konzepte der SPÖ gingen aber in die falsche Richtung. Bei der Neuregelung der Maklergebühren sei man für die Einführung des Bestellerprinzips, bekräftigte er, dies soll in der nächsten Gesetzgebungsperiode auch umgesetzt werden. Während die Freiheitlichen für die Umsetzung des Österreicher-Bonus im Gemeindebau eintraten und die hohen Betriebskosten in Wien beklagten, sprachen sich die NEOS für ein Einkommensmonitoring im sozialen Wohnbau aus.

Rendi-Wagner: SPÖ verlässlicher Partner in Sachen Wohnen

Bei ihrer Wahlkampftour durch ganz Österreich sei sie immer wieder mit dem Thema leistbares Wohnen konfrontiert worden, erklärte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Vor allem junge Familien, StudentInnen und AlleinerzieherInnen hätten ihr berichtet, dass sie oft ihr halbes Einkommen für ein sicheres Dach über dem Kopf ausgeben müssen. Leistbares Wohnen sei eine Frage von Lebenschancen und dürfe im Jahr 2019 kein Luxus sein, unterstrich sie. Als Kind einer Alleinerzieherin aus Favoriten habe sie es selbst erlebt, wie wichtig es ist, ein sicheres und warmes Nest zum Aufwachsen zu haben.

Als wenig glaubwürdig beurteilte sie den Meinungsschwenk der ÖVP in Sachen Maklerprovisionen, zumal die Volkspartei immer auf der Seite der VermieterInnen und HauseigentümerInnen gestanden sei. Ähnliches gelte für die FPÖ, die nur ihren eigenen Ex-Parteichef mit einem Wohnzuschuss von 2.500 Euro "entlastet", die übrigen MieterInnen aber vergessen hat. Beide Parteien hätten gemeinsam mit den NEOS auch kürzlich wieder gegen den SPÖ-Antrag auf Abschaffung der Maklergebühren für MieterInnen gestimmt, rief Rendi-Wagner in Erinnerung. Weiters setzte sich die SPÖ-Chefin für die Einführung eines Wohnbonus für EigentümerInnen in der Höhe von 500 € im Jahr, für eine Bestrafung von Mietwuchern sowie für die Abschaffung der Mietensteuer ein, die eine schnelle und wirksame Entlastung bringen würde. Dringend erforderlich seien zudem die Ausarbeitung eines zeitgemäßen Mietrechts mit transparenten Zu- und Abschlägen für alle Wohnungen, die stärkere Förderung des öffentlichen Wohnbaus sowie die verfassungsrechtliche Absicherung einer Flächenwidmungskategorie für den sozialen Wohnbau.

Jabloner: Gesellschaftlich bedeutsame Frage, die nicht nur den Marktmechanismen überlassen werden darf

Seit einem guten Jahrzehnt sei ein starkes Ansteigen der Wohnungsmietzinse nahezu in ganz Österreich zu beobachten, konstatierte Justizminister Clemens Jabloner, wobei die Zunahmen deutlich über jenen der Lebenshaltungskosten und der einschlägigen Indizes liegen. Als Gründe dafür werden die seit der Finanzkrise zum Teil exorbitant gestiegenen Grundstückspreise, der hinter der Nachfrage zurückbleibende Neubau sowie der starke Zuzug insbesondere in die Städte angeführt. Eine der Ursachen liege aber auch im österreichischen Mietrecht, das Mietzinsbeschränkungen nur für einen gewissen Teil des Wohnungsmarktes vorsieht, urteilte der Vizekanzler. Da diese Situation dazu führte, dass junge Menschen oft große Probleme haben, ein eigenständiges Leben aufzubauen, sei diese Frage von "einer äußerst wichtigen gesellschaftlichen Relevanz".

Einer solchen Entwicklung könne die Politik nicht gleichgültig gegenüberstehen, unterstrich Jabloner. Seiner Überzeugung nach wäre es zu wenig, nur auf die Wirksamkeit von Marktmechanismen zu setzen. Wohin eine prinzipiell unbeschränkte, allein den Marktkräften überlassene Mietzinsbildung in urbanen Ballungsräumen führt, zeige ein Blick ins Ausland. In den großen europäischen Metropolen könnten sich junge Menschen ein Leben oft schlechthin nicht mehr leisten. Kritisch beurteilte er zudem den Umstand, dass immer mehr Mietverhältnisse bloß auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen werden. Man sollte sich auch davor hüten, die derzeit bestehenden Eintrittsrechte zu beschränken oder zu beschweren. Es brauche jedenfalls ein Bündel an Maßnahmen, das – so Jabloner – neben zivilrechtlichen Mietzinsbegrenzungen vor allem ein einheitliches Mietrecht bringt. Auch wenn die Gestaltung des Mietrechts eine fundamental politische Frage darstelle, dürfen die essentiellen Bedürfnisse und berechtigten Anliegen von Wohnungssuchenden und MieterInnen nicht aus dem Blick verloren werden, appellierte der Vizekanzler.

ÖVP für Wohnbauoffensive und mehr Treffsicherheit im sozialen Wohnbau

ÖVP-Bautensprecher Johann Singer räumte ein, dass aufgrund der stärkeren Nachfrage die Mietkosten in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Die Politik sei gefordert, Anreize zu schaffen, damit genügend neue Wohnungen errichtet werden. Die Konzepte der SPÖ in diesem Bereich gehen seiner Meinung nach aber in die falsche Richtung. So könne etwa eine Abschaffung der Mietensteuer nur in Abstimmung mit der EU umgesetzt werden, klärte Singer auf. Auch das von der SPÖ bereits im Jahr 2014 präsentierte Universalmietrecht sei schon x-mal im Plenum diskutiert und immer wieder abgelehnt worden. In jedem Land, in dem Mietzinsobergrenzen eingeführt wurden, seien die Bauleistungen zurückgegangen, gab der ÖVP-Mandatar zu bedenken. Die Volkspartei werde sich daher dafür einsetzen, dass in Österreich dieser Fehler nicht begangen wird. Dies habe man gemeinsam mit der FPÖ auch in der Vergangenheit unter Beweis gestellt, beispielsweise durch den Beschluss der Novelle zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das u.a. wichtige Verbesserungen beim Mietkauf gebracht hat. In der Frage der Maklergebühren wolle man das Bestellerprinzip einführen, kündigte sein Fraktionskollege Andreas Ottenschläger an, der den dazu vorliegenden SPÖ-Antrag als Schnellschuss einstufte. Ansetzen müsse man seiner Meinung nach bei der sozialen Treffsicherheit, wo gerade die Stadt Wien, also der größte Wohnungsbesitzer in Europa, Handlungsbedarf habe.

SPÖ will modernes und zeitgemäßes Wohnrecht einführen

SPÖ-Abgeordnete Ruth Becher sah dringenden Handlungsbedarf beim Wohnrecht, da es weder für die MieterInnen verständlich sei, noch vor Spekulation schütze. Die Preisanstiege im privaten Sektor seien in den letzten Jahren enorm gewesen, für eine 70-Quadratmeter-Wohnung würden bereits über 1.000 € verlangt, zeigte die SPÖ-Bautensprecherin auf. Laut den ExpertInnen der Nationalbank sind darin ca. 20% Spekulationsaufschlag enthalten. Wenn man sich die Liste der GroßspenderInnen von ÖVP und FPÖ ansieht, verstehe man, warum in diesem Bereich nichts weitergeht. Die Vorhaben und Beschlüsse in den letzten Monaten würden belegen, dass die VertreterInnen der Immobilienwirtschaft die Gewinner dieser Situation sind. Dies illustrierte Abgeordneter Johannes Jarolim an der Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes. Dabei sei nämlich beschlossen worden, dass auch nach Auslaufen der Kapitalrückstellung die Betriebskosten nicht reduziert werden.

Erst vor zwei Wochen sei überdies in den Medien gestanden, dass der frühere Verkehrsminister Hofer geplant habe, die ÖBB-Wohnungen zu verkaufen, zeigte Becher auf. Wien versucht seit vielen Jahren so gut wie möglich entgegenzusteuern, allein bis zum Jahr 2020 werden 14.000 Neuwohnungen gefördert und 4.000 Gemeindewohnungen zusätzlich errichtet. Nicht umsonst sei die Bundeshauptstadt erneut zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt worden. Die SPÖ wolle keine Verhältnisse wie in anderen europäischen Großstädten, wo sich Familien mit durchschnittlichen Einkommen das Leben im Stadtinneren nicht mehr leisten können. 

FPÖ steht für soziale Wohnpolitik im Sinne der ÖsterreicherInnen

Es war die SPÖ, die für die größten Erhöhungen im Mietrecht seit dem Jahr 2008 verantwortlich zeichnete, hielt FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl den sozialdemokratischen RednerInnen entgegen. Auch ihr jetziger Vorschlag auf Abschaffung der sogenannten Mietensteuer würde nicht zu günstigeren Preisen führen. Dies wäre nur ein Steuergeschenk an die Großvermieter, Finanzspekulanten und Versicherungen, argumentierte er. Dies habe sich auch in der Causa WBV-GFW gezeigt, wo tausende Sozialwohnungen an einen privaten Investor verscherbelt worden seien. Die FPÖ hingegen habe gemeinsam mit der ÖVP Maßnahmen beschlossen, die echte Verbesserungen bringen. Als Beispiel führte Schrangl den Österreicher-Bonus an, der in einem nächsten Schritt auch in den Gemeindewohnungen umgesetzt werden sollte. FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch beklagte, dass gerade im Bereich der Stadt Wien, die 220.000 Wohneinheiten zu verwalten hat, eklatante Mieterhöhungen zu verzeichnen gewesen seien. Die größten Preistreiber seien dabei die Betriebskosten, für die die Gemeindepolitik verantwortlich zeiche. Gleichzeitig würden 5.000 Gemeindewohnungen für AsylwerberInnen zur Verfügung gestellt, kritisierte Belakowitsch mit Nachdruck.

NEOS für Einkommensmonitoring im sozialen Wohnbau und für flexiblere Möglichkeiten beim Mietkauf

Bei der Debatte über leistbares Wohnen dürfe man den Umstand nicht vergessen, dass die "Europäische Zentralbank die Zinsen abgeschafft hat", konstatierte Gerald Loacker von den NEOS. Während jeder Politiker und jede Politikerin für eine solche Maßnahme "durch Sonne und Mond geschossen worden wäre", bekämen Draghi oder Lagarde für die Vernichtung von Ersparnissen sogar noch Applaus. Solange diese Entwicklung weitergeht, werden auch die Immobilienpreise sowie die ungleiche Vermögensverteilung weiter steigen, prognostizierte er. Wenig Positives konnte Loacker den Vorschlägen der SPÖ abgewinnen, die nichts mehr seien als "kleine Pflästerchen" für große klaffende Wunden. Die verlangte Abschaffung der Umsatzsteuer auf Mieten würde sogar die Preise erhöhen. Auch das Universalmietrecht, das fixe Mieten von 5,50 € pro Quadratmeter umfasst, sei keine Lösung, sondern würde die Wunde noch mehr aufreissen. Interessant sei zudem die Tatsache, dass die Durchschnittseinkommen von MieterInnen im geförderten Wohnbau höher seien als jene im privaten Sektor. Von Treffsicherheit könne daher keine Rede sein, urteilte Loacker, der für ein Einkommensmonitoring eintrat. Abgeordneter Josef Schellhorn kam noch auf die Wohnbaupolitik in Salzburg zu sprechen, wo unter der Regierungsbeteiligung der NEOS MieterInnen von knapp 10.000 gemeinnützigen Wohnungen durch die Weitergabe der Nullzinspolitik sofort deutlich entlastet worden seien.

Liste JETZT kritisiert Politik im Sinne der Immobilienwirtschaft

Abgeordneter Wolfgang Zinggl (JETZT) wies darauf hin, dass die ÖsterreicherInnen mittlerweile oft bis zu 40% bis 50% ihres Haushaltseinkommens für das Wohnen aufwenden müssen. Dennoch lehnten ÖVP, FPÖ und NEOS weiterhin Mietzinsobergrenzen ab, da sie auf die Selbstregulierung durch den Markt setzten. Angesichts der Tatsache, dass die Hälfte der ÖsterreicherInnen weniger als 1.500 € netto verdient, mute es daher äußerst zynisch an, wenn Altkanzler Kurz den Kauf von Eigentumswohnungen als Schutz vor Altersarmut anpreist. Leider sei aber auch von Seiten der SPÖ, die jahrelang in der Regierung war, nicht allzu viel zu erwarten, befürchtete der Redner. Abgeordnete Stephanie Cox (JETZT) ging es vor allem um das Prinzip der Gerechtigkeit. Unter diesem Aspekt müsse nicht nur die Verteilung von Wohnraum, sondern auch die Bildungschancen, die Arbeitsbedingungen im digitalen Zeitalter sowie der Klimaschutz betrachtet werden. All diese Themen erfordern Mut und Lösungen, die über die Parteigrenzen hinweg erörtert werden sollten, weil sie massive Auswirkungen auf das Leben der zukünftigen Generationen haben werden. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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