Parlamentskorrespondenz Nr. 1074 vom 13.11.2019

FPÖ plädiert für Ausweitung des Kopftuchverbots sowie vereinfachte Aberkennung der Staatsbürgerschaft von IS-RückkehrerInnen

Erste Lesungen der Anträge im Nationalrat

Wien (PK) – Die FPÖ untermauerte bei der heutigen Plenarsitzung des Nationalrats ihre Forderung nach der Ausweitung des Kopftuchverbots an Schulen. Ebenfalls im Rahmen einer Ersten Lesung stand ein FPÖ-Vorstoß zur Diskussion, um IS-RückkehrerInnen obgleich möglicher Staatenlosigkeit die österreichische Staatsbürgerschaft entziehen zu können. Die Grundintention beider Anträge teilte die ÖVP, wenn auch nicht in der jeweils vorgeschlagenen Variante. SPÖ, Grüne und NEOS äußerten sich gegenüber beiden Initiativen kritisch.

Skepsis gegenüber Vorstoß zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft für IS-RückkehrerInnen aufgrund möglicher Staatenlosigkeit

Mit einer Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes will die FPÖ erwirken, dass ÖsterreicherInnen, die sich dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen haben oder für andere organisierte Gruppen an bewaffneten Konflikten im Ausland teilnehmen, auch dann die Staatsbürgerschaft entzogen werden kann, wenn sie dadurch staatenlos werden. Österreich ist allerdings an EU- sowie UN-Abkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit gebunden. Deren Kündigung verlangte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Personen, die aus Österreich in Kriegsregionen gereist sind, um sich an derartigen bestialischen Verbrechen zu beteiligen, sollte man das Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft auf jeden Fall verwirken können, zeigte sich der Antragssteller überzeugt. Gelten sollte dies auch für jene Menschen, die dem IS die kriminelle Infrastruktur ermöglichen. Hannes Amesbauer (FPÖ) betonte die Dramatik der Lage. Gegenüber der ÖVP signalisierte er Gesprächsbereitschaft zur Ausschöpfung anderer rechtlicher Möglichkeiten, um das freiheitliche Anliegen zur Umsetzung bringen zu können.

Die Intention des Antrags bezeichnete ÖVP-Abgeordneter Karl Mahrer als durchaus nachvollziehbar. Bei der Staatsbürgerschaft handle es sich allerdings um eine sensible Materie und die Rechtslage ermögliche auch jetzt schon die Entziehung der Staatsbürgerschaft in gravierenden Fällen – die Einschränkung zur Vermeidung der Staatenlosigkeit gebe es aber aus gutem Grund, meinte Mahrer. Bei staatenlosen Personen sei etwa keine Abschiebung mehr möglich. Die Vor- und Nachteile des Vorstoßes gelte es abzuwiegen und darüber näher zu beraten.

Auch SPÖ, Grüne und NEOS vertraten die Position, dass Staatenlosigkeit mehr Probleme schaffe, anstatt sie zu lösen. Ohne den Ernst des Themas verkennen zu wollen, wäre es nach Ansicht von Reinhold Einwallner (SPÖ) der falsche Weg, sich aus internationalen Abkommen zurückzuziehen. Außerdem warf er der FPÖ unseriöses Handeln vor, ein derart komplexes Thema mit einem einfachen Antrag lösen zu wollen. Michel Reimon (Grüne) vertrat ebenso die Auffassung, dass der zur Diskussion stehende Antrag nichts zur Problematik des eigentlich wichtigen Themas der Radikalisierungsprävention beitrage. Staatenlosigkeit gelte es zu vermeiden, denn vom Fehlen einer rechtsstaatlichen Basis profitiere niemand, lautete die Argumentation von Stephanie Krisper (NEOS). Darüber, wie mit jenen 320 behördlich bekannten IS-AnhängerInnen umzugehen ist, die freiwillig in Kriegsgebiete gereist sind oder es vorhatten, gelte es allerdings sehr wohl vertiefend zu diskutieren, meinte die Mandatarin. Der Antrag wurde zur weiteren Beratung dem Budgetausschuss zugewiesen.

SPÖ, Grüne und NEOS gegen symbolpolitisches Kopftuchverbot

Erneut zur Debatte gestellt hat die FPÖ außerdem ihre Forderung nach einer Ausweitung des Kopftuchverbots an Schulen. Konkret soll das Verbot, den Kopf an der Schule aus religiösen Gründen zu verhüllen, nicht nur an Volksschulen, sondern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr der Schülerinnen gelten sowie Lehrkräfte umfassen. Vor dem Hintergrund ähnlicher beschlossener Entschließungsanträge in jüngerer Vergangenheit versteht FPÖ-Abgeordneter Hermann Brückl den Vorstoß seiner Fraktion als eine logische politische Konsequenz. Notwendig sei die Ausweitung des Kopftuchverbots aus seiner Sicht daher, weil das Kopftuch als Zeichen der Unterdrückung der demokratischen Grundordnung der österreichischen Gesellschaft widerspreche. Der politische Islam dürfe niemals Teil der Rechtsordnung sein, sagte er.

Einen der Antragsintention ähnlichen politischen Willen verfolge auch die ÖVP, wie Nico Marchetti betonte, immerhin habe man erst im September 2019 einen gemeinsamen Antrag zu dem Thema eingebracht – allerdings mit dem gravierenden Unterschied, das Kopftuchverbot der LehrerInnen im Dienstrecht und nicht im Schulunterrichtsgesetz verankern zu wollen. Außerdem sei es bezugnehmend auf das geschlechtsreife Alter der Mädchen nötig, die Verhältnismäßigkeit eines derartigen Verbots verfassungsrechtlich abzuklären. Daher bezeichnete Marchetti den vorgelegten FPÖ-Antrag als sachlich und technisch unzureichend. Er schlug vor, sich dem Thema erneut gemeinsam anzunehmen.

Sonja Hammerschmid (SPÖ) lud dazu ein, die Frage der geschlechtlichen Gleichberechtigung viel breiter anzugehen - nicht anhand des Kopftuchverbots. Der FPÖ warf sie vor, das Thema für ihre politischen Anliegen zu missbrauchen und das Kopftuch fälschlicherweise mit dem politischen Islam gleichzusetzen. Dabei zeigte sie sich dennoch zutiefst davon überzeugt, dass kein Mädchen zum Tragen eines solchen Kleidungsstücks gezwungen werden sollte. Sibylle Hamann (Grüne) führte in die Diskussion, dass es die freie Selbstbestimmung von Mädchen zu fördern gilt – etwa durch Zuwendung, Wertschätzung oder feministische Arbeit in Schulen. Das angedachte Verbot sei dafür laut der Mandatarin nicht der richtige Weg – ganz im Gegenteil – das symbolische Kopftuch sollte man nicht mit noch mehr Bedeutung aufladen. Politische Entscheidungen sollten evidenzbasiert getroffen werden, meinte Martina Künsberg Sarre (NEOS). Über das Tragen des Kopftuchs von Schülerinnen gebe es allerdings kaum aussagekräftige Zahlen, meinte sie. Vielmehr werde es als Symbol verwendet. Es bedarf eines ganzheitlichen Blicks und eines umfassenden Maßnahmenkatalogs für Jugendliche aus bildungsfernen Schichten, so die NEOS-Abgeordnete. Auch dieser Antrag wurde dem Budgetausschuss zugewiesen. (Fortsetzung Nationalrat) fan

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