Parlamentskorrespondenz Nr. 1139 vom 29.11.2019

Neu für den Verfassungsausschuss bzw. den Geschäftsordnungsausschuss

SPÖ nimmt neuen Anlauf zur Neuregelung der Immunität von Abgeordneten

Wien (PK) – Bereits vor Jahren wurde im Parlament intensiv über die Neuregelung der Immunität von Abgeordneten diskutiert. Anlass dafür waren nicht zuletzt umstrittene staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, die auch einen Abgeordneten bzw. das parlamentarische Umfeld betrafen. Ein gemeinsamer Gesetzesantrag von vier der damals fünf Parlamentsparteien (ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne), der im Sommer 2011 eingebracht wurde, versandete jedoch nach Durchführung eines Begutachtungsverfahrens und einer ersten Debatte im Verfassungsausschuss des Nationalrats. Nun hat die SPÖ, wohl auch unter dem Eindruck der Diskussion um die versuchte Beschlagnahme eines Handys von NEOS-Abgeordneter Stephanie Krisper, die damalige Initiative wieder aufgegriffen und ergänzend zur Änderung der Bundesverfassung (97/A) eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats (98/A) beantragt.

Kernpunkt der Verfassungsnovelle ist ein neues System der außerberuflichen Immunität von Abgeordneten, das sich eng an der Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben orientiert und nicht mehr an der Person anknüpft. Außerdem soll die so genannte "sachliche Immunität" ausgeweitet und – analog zum Redaktionsgeheiminis – eine Art "Parlamentsgeheimnis" geschaffen werden. Damit wollen die AntragstellerInnen nicht nur den Abgeordneten eine ungestörte Ausübung ihrer parlamentarischen Arbeit ermöglichen, sondern gleichzeitig auch "InformantInnen", die sich an Abgeordnete wenden, schützen. Die berufliche Immunität, die insbesondere Äußerungen bei Parlamentsdebatten und das Abstimmungverhalten betrifft, sowie der grundsätzliche Schutz von Abgeordneten vor Verhaftung blieben unverändert erhalten.

Konkret soll es der Staatsanwaltschaft dem Gesetzentwurf zufolge künftig untersagt sein, Sachverhalte zu ermitteln, die unmittelbar die "Vorbereitung und Erfüllung parlamentarischer Aufgaben" durch Abgeordnete betreffen. Mutmaßliche strafbare Handlungen von MandatarInnen wie etwa Bestechung sollen von diesem Ermittlungsverbot allerdings nicht betroffen sein. Alle Ermittlungsmaßnahmen gegen Mitglieder des Nationalrats wären jedenfalls dem jeweils zuständigen Rechtsschutzbeauftragten zu melden, dieser hätte bei Zweifel an deren Rechtmäßigkeit den betreffenden Abgeordneten zu informieren und könnte überdies bei klarer Sachlage einen Ermittlungsstopp anordnen. In nicht so eindeutigen Fällen soll die Letztentscheidung dem Nationalrat obliegen.

Um BürgerInnen zu schützen, die sich mit vertraulichen Informationen an einen Abgeordneten bzw. eine Abgeordnete wenden, sieht der Gesetzesantrag ein Recht von Abgeordneten, ParlamentsmitarbeiterInnen und KlubmitarbeiterInnen vor, Zeugenaussagen zu verweigern. Die Ermittlungsbehörden sollen auch nicht versuchen dürfen, die Identität des Informanten bzw. der Informantin oder die Übermittlungswege von Unterlagen durch das Abhören von Telefongesprächen oder durch andere Überwachungsmaßnahmen zu eruieren.

Die Ausweitung der "sachlichen Immunität" soll schließlich sicherstellen, dass Abgeordnete Vorwürfe, die sie im Zuge von Parlamentsdebatten oder schriftlichen Anfragen erhoben haben, in Presseaussendungen oder Blogs wiederholen können, ohne sich vor Anzeigen fürchten zu müssen. Laut einem OGH-Urteil sind derzeit nur dritte Personen, aber nicht die Abgeordneten selbst, geschützt, wenn sie wahrheitsgemäß über Parlamentsdebatten und parlamentarische Materialien berichten, wird in den Erläuterungen zur Verfassungsnovelle festgehalten.

Im Zuge der seinerzeit durchgeführten Ausschussbegutachtung wurden insgesamt 24 Stellungnahmen zum Gesetzentwurf abgegeben, die auch auf der Parlaments-Website veröffentlicht wurden.

Dem Schutz von Informationsquellen von Abgeordneten dient auch ein gemeinsamer Antrag von SPÖ, FPÖ und NEOS auf Änderung der Strafprozessordnung, der auf Wunsch der AntragstellerInnen im Justizausschuss vorberaten werden soll. (Schluss) gs