Parlamentskorrespondenz Nr. 1160 vom 04.12.2019

EU-Ausschuss diskutiert Finanzgebarung der Union

Europäischer Rechnungshof: Förderverfahren der EU vereinfachen

Wien (PK) – Das Finanzmanagement der EU war heute breit diskutiertes Thema im EU-Ausschuss des Bundesrats. Vor allem die Ausschöpfung von EU-Fördermitteln beziehungsweise die vom Europäischen Rechnungshof (EuRH) geschätzte Fehlerquote bei diesen EU-Ausgaben beschäftigten die MandatarInnen: Laut EuRH-Jahresbericht 2018 lag letzterer Wert mit 2,6% etwas über der Wesentlichkeitsschwelle von 2%. Als Ursache dafür sieht das Kontrollorgan komplexe Verfahren im Zusammenhang mit Förderungen in Bereichen wie Ländliche Entwicklung und Kohäsion. Ungeachtet dessen wird der EU-Rechnungsführung ein gutes Zeugnis ausgestellt. Sowohl bei Einnahmen als auch bei Ausgaben beurteilt der EuRH die Zahlungsflüsse als generell ordnungsgemäß und rechtmäßig.

Oskar Herics, Österreichs Vertreter im Europäischen Rechnungshof in Luxemburg, unterstrich heute gegenüber den Ausschussmitgliedern, bei der heimischen Landwirtschaft als Förderempfängerin gebe es kaum Beanstandungen. Einzig die weiterhin bestehenden Schwächen bei der Identifizierung von Almflächen nannte er "kein Ruhmesblatt für Österreich". Leidtragende seien vor allem die Bäuerinnen und Bauern, die um ihr Recht gebracht würden, einwandfreie Zahlungsansprüche geltend zu machen. Insgesamt beliefen sich die Ausgaben der Europäischen Union im Jahr 2018 auf 156,7 Mrd. €. Das entspricht laut Herics 2,2% der gesamten Staatsausgaben der EU-Mitgliedstaaten und 1% des Bruttonationaleinkommens (BNE) der Union. Hinsichtlich Mittelausschöpfung liege die Republik mit derzeit 43% weit über dem EU-Durchschnitt von 27%.

Neben dem letztjährigen Jahresbericht zum EU-Haushalt hat der EU-Rechnungshof vergangenen Oktober auch einen eigenen Jahresbericht zur Gebarung der Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) veröffentlicht. Die Mittel daraus werden für die Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern in Sub-Sahara Afrika, der Karibik- und Pazifik-Region verwendet, wobei die Europäische Kommission die Beiträge nach Bedarf von den EU-Mitgliedern abruft.

EuRH pocht auf korrekten Einsatz von Fördergeldern

Für die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds ("ESI-Fonds"), zu denen die Ausgabenbereiche Wettbewerbsfähigkeit, Kohäsion und Natürliche Ressourcen zählen, stellten die Mitgliedsstaaten 2018 erheblich mehr Zahlungsanträge als in den Jahren davor, hält der EU-Rechnungshof im Jahresbericht fest, vor allem gegen Ende der fünfjährigen Periode. Dadurch sei es bei der Abwicklung der Anträge zu Verzögerungen von erheblichem Wert gekommen, so der EuRH, der vor einer entsprechenden Belastung des kommenden Mehrjährigen Finanzrahmens warnt. Rund 43% des gesamten EU-Budgets der Periode 2014 – 2020 entfielen auf die ESI-Fonds, aus deren Mitteln bereits 159,9 Mrd. € an Verpflichtungen und 142,7 Mrd. € an Zahlungen finanziert wurden.

Der künftigen EU-Kommission empfiehlt der EuRH, mittels Leistungsindikatoren der Mittelwirkung noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken, erläuterte Herics. Sollte ein Mitgliedstaat sich dauerhaft weigern, fehlerhafte Kontrollsysteme zu adaptieren, hebe die EU-Kommission schon jetzt Strafzahlungen ein. Österreich habe beispielsweise letztes Jahr 1 Mio. € an sogenannten Finanzkorrekturen an Brüssel zu leisten gehabt. Gerade bei der Almförderung sieht der EuRH-Vertreter noch großen Nachholbedarf, stieß damit aber nicht bei allen BundesrätInnen auf völlige Zustimmung. So wiesen die niederösterreichischen ÖVP-Mandatare Martin Preineder und Eduard Köck sowie der salzburger Sozialdemokrat Günther Novak auf komplizierte Regelungen hin, die häufig Probleme bei der Abrechnung verursachten. Gerade bei Almen sei "nutzbares Grünland schwer zu berechnen", konstatierte Köck, woraufhin Herics einräumte, Vereinfachungen wären hier durchaus sinnvoll. Allerdings bedürfe die Ausschüttung öffentlicher Gelder einer "ordentlichen Prüfung". Das Fördersystem auf generelle Zuschüsse umzustellen, wie von Preineder angedacht, stelle die rechtmäßige Mittelnutzung nur bedingt sicher.

Fehlerquelle komplexe Förderverfahren

In allen Ausgabenbereichen habe sich die Fehleranfälligkeit durch komplexe Bedingungen zur Bemessung der Förderfähigkeit erhöht, erklärt das Finanzministerium das vom EuRH festgestellte Risiko bei der Ausschüttung der Fondsgelder. Hauptfehlerquellen bildeten beispielsweise bei der Ländlichen Entwicklung nicht förderfähige Begünstigte, Tätigkeiten oder Kosten, fehlerhafte Angaben zu den Flächen oder der Anzahl der Tiere. Bei den Direktzahlungen an LandwirtInnen entdeckten die EuRH-PrüferInnen dagegen keine maßgeblichen Fehler.

In seinen Schlussfolgerungen weist der EuRH folglich darauf hin, dass Ausgaben basierend auf komplexen Fördervorgaben eine weitaus höhere Fehlerwahrscheinlichkeit aufweisen als Ausgaben mit vereinfachten Vorgaben. Für generelle Erleichterungen beim Abrufen von EU-Fördergeldern plädierten dementsprechend in der Debatte Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/OÖ) und Bernd Saurer (FPÖ/W). Aus dem Finanzministerium heißt es dazu, einige der Fehler seien auch das Ergebnis komplexer nationaler Vorschriften, die über die EU-Vorgaben hinausgehen. Wichtig ist dem Ministerium in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Fehler und Betrug. Während Fehler auf der unzureichenden Beachtung von Vergabevorschriften beruhten, sei Betrug eine vorsätzliche Täuschungshandlung mit dem Ziel, sich Vorteile zu verschaffen.

Verdachtsfälle von Betrug zulasten des EU-Haushalts, auf die der EuRH in seinen Prüfungen stößt, meldet er dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), das bei eventuellen Ermittlungen mit nationalen Behörden zusammenarbeitet. 2018 stieß der EuRH auf neun Fälle mutmaßlichen Betrugs, bei zweien startete OLAF mit Untersuchungen. Zwischen 2010 und 2018 empfahl OLAF aufgrund von EuRH-Prüfungen die Rückforderung von insgesamt 312,8 Mio. €. Positiv vermerkt Herics in diesem Zusammenhang die Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft. Sie werde gerade zur Bekämpfung von grenzüberschreitenden schweren Betrugsfällen und Geldwäsche eine wichtige Rolle spielen.

Herics kritisiert Verkehrspolitik der EU

Äußerst kritisch äußerte sich Herics zum EU-Projekt Transeuropäisches Verkehrsnetz, das bis 2030 fertiggestellt sein soll. Wie Ausschussobmann Christian Buchmann betrachtet der EuRH-Vertreter den grenzüberschreitenden Ausbau der Schieneninfrastruktur als entscheidend für die Entwicklung der EU, wirtschaftlich und klimapolitisch. Vielfach stockten derartige Projekte jedoch am fehlenden Durchgriffsrecht der Europäischen Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten, Mängel bei der Planung von Verkehrsverbindungen frühzeitig zu beheben, meinte Herics. Der EuRH versuche vor diesem Hintergrund, mit eigenen Prüfungen die wirtschaftliche Nachhaltigkeit transnationaler Verkehrsprojekte in den Fokus zu rücken. Im geplanten Zeitraum würden die Verkehrskorridore über den Kontinent aber kaum zu realisieren sein.

Eine weitere Herausforderung bei der Finanzgebarung der EU sind aus Sicht des EuRH die Garantien aus dem EU-Haushalt. Diese sind dem EuRH-Bericht zufolge in den letzten Jahren angestiegen, nicht zuletzt durch die Schaffung der Fonds für strategische Investitionen (EFSI) und für nachhaltige Entwicklung (EFSD). Herics bezeichnete diese Fonds einerseits als "durchaus wirksames Instrument" zur Ankurbelung der Wirtschaft und wies andererseits auf bestehende Probleme wie eine unzureichende geografische Verteilung und die Überschätzung zusätzlicher Investitionen durch die Realwirtschaft hin. Die tatsächliche Garantieexposition und somit die Risikoexposition des EU-Haushalts habe sich zum Jahresende 2018 auf 92,8 Mrd. € erhöht. Zur Absicherung der erwarteten Verluste setzt die EU-Kommission laut Bericht auf einen gemeinsamen Dotierungsfonds – gespeist aus Garantiefonds - im neuen mehrjährigen Finanzrahmen.

Entwicklungszusammenarbeit soll Teil des EU-Haushalts werden

Die EU-Fonds für Entwicklungszusammenarbeit (EEF) finanzierten sich bislang außerhalb des Unionshaushalts durch ein eigenes Abkommen zwischen den EU-Mitgliedstaaten, sollen aber nach Vorschlag der EU-Kommission mit dem Finanzrahmen 2021 – 2027 in den EU-Haushalt integriert werden. Verteilt auf drei Tranchen zahlte Österreich letztes Jahr insgesamt 107,4 Mio. € für die EEF, informiert das Finanzministerium. Im Vergleich zur Finanzierungsperiode 1995 – 2000 habe sich 2014 - 2020 Österreichs Anteil am EEF durch die EU-Erweiterung von 2,64% auf 2,39% verringert. (Schluss) rei


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