Parlamentskorrespondenz Nr. 1164 vom 05.12.2019

Bundesrat befasst sich mit digitalem Wandel und Fachkräftemangel

Ministerin Rauskala informiert über Maßnahmen vom Kindergarten bis zur Hochschule

Wien (PK) – Die Auswirkungen des digitalen Wandels auf den Bildungsbereich und die damit verbundenen Herausforderungen standen heute im Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde im Bundesrat, die sich an Bundesministerin Iris Rauskala richtete. Das von der ÖVP gewählte Thema trug den Titel "Digitalisierung und MINT: Initiativen und Maßnahmen von der Elementarpädagogik bis zum Hochschulbereich".

Iris Rauskala, Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung, plädierte dafür, Digitalisierung möglichst breit zu denken, da alle Gesellschaftsbereiche davon betroffen seien. Um mathematische und technische Kenntnisse spielerisch und interdisziplinär vermitteln zu können, brauche es die besten PädagogInnen, noch bessere Rahmenbedingungen an den Schulen sowie geeignete fachdidaktische Konzepte. Vor allem müsse das Interesse für die Technik so früh wie möglich geweckt werden, damit sich mehr Mädchen für MINT-Fächer entscheiden. Die aktuellen PISA-Ergebnisse zeigen, dass die zahlreichen Maßnahmen, die in der Vergangenheit ergriffen wurden, schon ihre Wirkung zeigen, "aber der Weg sei noch lange nicht zu Ende". Die Investitionen in diesen Bereich werden darüber entscheiden, wie unsere Gesellschaft in einer digitalen Welt bestehen könne, betonte Rauskala.

ÖVP: Digitale Kenntnisse der Jugendlichen müssen weiter ausgebaut werden

Bundesrätin Doris Berger-Grabner (ÖVP/N) rechnet aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts mit gravierenden Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Die beruflichen Tätigkeiten werden sich massiv verändern, wobei ihrer Ansicht nach alle Sparten betroffen sein werden, von der Gastronomie bis hin zur Baubranche. Ohne ein gewisses IT-Grundwissen werde es in Zukunft nicht mehr gehen. Für diese Herausforderungen müssen entsprechende Antworten im Bildungsbereich gefunden werden, war Berger-Grabner überzeugt. Das vom früheren Bildungsminister Faßmann vorgelegte Pädagogikpaket oder der massive Ausbau an FH-Studienplätzen in MINT-Fächern waren schon wichtige Schritte in die richtige Richtung. Nunmehr müsse man diesen Weg konsequent fortsetzen und die digitalen Kenntnisse der Jugendlichen ausbauen. Basis dafür seien aber adäquate Lese- und Schreibkompetenzen der SchülerInnen, bei denen es laut den PISA-Ergebnissen noch Aufholbedarf gebe.

Defizite ortete sie zudem im Bereich der sozialen Kompetenzen und der Kommunikationsfähigkeiten. Um ein wertschätzendes und respektvolles Miteinander zu gewährleisten, brauche es klare Schulregeln und eine Hausordnung, die wirklich umgesetzt wird. Weiters setzte sich die Bundesrätin für zusätzliche Weiterbildungsmaßnahmen für PädagogInnen sowie eine Erhöhung der Studienplatzfinanzierung ein. Ihre Fraktionskollegin Marianne Hackl (ÖVP/B) legte Wert darauf, dass die digitalen Bildungsinhalte altersgerecht vermittelt werden. Interesse für naturwissenschaftliche Themen könne auf spielerische Weise bereits in Kindergärten geweckt werden. Wichtig sei auch die Gewährleistung eines flächendeckenden Zugangs zum Breitbandinternet, für den sich ihre Partei im Burgenland seit langem einsetze.

SPÖ für gerechten Zugang zu digitaler Bildung und Förderung des Interesses für MINT-Fächer

Es bestehe kein Zweifel daran, dass die neuen Medien längst Einzug in den Alltag und damit auch in den Bildungssektor gehalten haben, konstatierte Bundesrätin Doris Hahn (SPÖ/N). Sie unterrichte selbst Mathematik und Robotics an einer Neuen Mittelschule und wisse daher, dass etwa der Einsatz von Augmented Reality-Apps, Gruppenarbeit über das Internet oder die Anwendung von Methoden wie "Flipped Classroom" nichts Exotisches mehr darstellen. Lehrkräfte seien daher längst keine reinen Wissensvermittler mehr, sondern fungieren vielmehr als digitale Lernbegleiter, die u.a. dabei helfen, Informationen richtig einzuordnen und zu interpretieren (Stichwort Fake News).

Der vom ehemaligen Minister Faßmann entwickelte Masterplan Digitalisierung war nach Auffassung von Hahn kein großer Wurf, da er auf vielen aufbaue, was bereits unter seiner Vorgängerin Sonja Hammerschmid auf den Weg gebracht wurde. Überdies seien wichtige Maßnahmen des Konzepts "Schule 4." unter türkis-blau auf die lange Bank geschoben worden, wie etwa die flächendeckende Ausstattung mit WLAN, Tablets und Notebooks für alle SchülerInnen der 5. bis 9. Schulstufe, kritisierte die Bundesrätin.

Im Hinblick auf die finanziellen Ressourcen brauche es eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden, damit alle Jugendlichen den gleichen Zugang zu digitalen Angeboten erhalten und genügend Aus- und Weiterbildungsangebote für die LehrerInnen zur Verfügung stehen. Weiters brauche es geeignete Maßnahmen, um das Interesse für naturwissenschaftliche, mathematisch-technische Fächer zu fördern, die derzeit bei Jugendlichen oft nicht an erster Stelle stehen. In Zeiten des Klimawandels sei zudem eine Erhöhung der Forschungsmittel für die Bereiche Umwelt, Energie, Mobilität und Künstliche Intelligenz ein Gebot der Stunde. Auch Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W) war der Meinung, dass der Zugang zu naturwissenschaftlichen Lernräumen von klein auf ermöglicht werden müsse, damit keine Chancen vertan werden. Laut einer aktuellen Studie werden bis 2020 fünf Millionen neue Jobs in Europa im technischen Bereich entstehen.

FPÖ sieht Defizite im Bildungsbereich und warnt vor weiterer Zuwanderung

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ/W) warnte davor, die Digitalisierung als Non-plus-ultra und Allheilmittel für alles und jedes einzustufen. Vor allem im Bildungssektor hänge ihrer Meinung nach noch immer sehr viel von der Persönlichkeit des Lehrers und der Lehrerin ab, die eine zentrale Rolle etwa bei der Vermittlung der grundlegenden Kompetenzen einnehmen. Bedauerlicherweise weisen in Österreich noch immer 20% der Jugendlichen nach neun Schuljahren Defizite beim Lesen, Schreiben und Rechnen auf. Hier müssen noch weitere Anstrengungen unternommen werden. Aufgabe der Schule sei es auch, grundlegende Werte wie Fleiß, Pünktlichkeit, Leistung und Disziplin zu vermitteln, um die Kinder für die spätere Arbeitswelt vorzubereiten, unterstrich Mühlwerth. Was die Förderung der MINT-Fächer betrifft, so gab die Bundesrätin zu bedenken, dass es wichtig sei, seinen Neigungen zu folgen. Es bringe überhaupt nichts, Mädchen zu technisch-mathematischen Studien zu überreden, wenn "das nicht ihr Ding ist".

Reinhard Pisec (FPÖ/W) ortete ein "Versagen des Staates", da es in Österreich eine Reihe von Mangelberufen gibt und die Wirtschaft in manchen Branchen große Probleme hat, Fachkräfte vor allem für technische Jobs zu finden. Neben Defiziten im Bildungssektor machte er die hohen Lohnnebenkosten dafür verantwortlich. Die Lösung könne aber nicht, wie teilweise von der Industrie gefordert, in einer qualifizierten Zuwanderung liegen, warnte Pisec.

Grüne für flächendeckende Ausstattung der Schulen mit Internet und Ausbau der Angebote für Lehrlinge

"Wir sind die letzte Generation, die sowohl die analoge als auch die digitale Welt" kennt, zeigte Bundesrat Marco Schreuder (Grüne/W) auf. Gleichzeitig habe man die Aufgabe, die Jugendlichen, die schon als "Digital Natives" aufwachsen, für die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Eine Grundvoraussetzung dafür sei die flächendeckende Ausstattung der Schulen mit Internet, woran es derzeit aber noch mangle. Aus seiner Sicht reiche es jedoch nicht, nur die Rahmenbedingungen zu verbessern, es müsse auch vermittelt werden, wie die Technik dahinter funktioniere. Was die angesprochenen Initiativen und Maßnahmen von der Elementarpädagogik bis zum Hochschulbereich angeht, so gab Schreuder der Ministerin mit auf dem Weg, dass man keinesfalls auf die Lehrlinge vergessen dürfe.

Rauskala: Masterplan Digitalisierung müsse so rasch wie möglich umgesetzt werden

Der digitale Wandel werde sowohl die Zukunft des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes Österreich als auch das Wohl der Gesellschaft ganz maßgeblich beeinflussen, erklärte Bundesministerin Iris Rauskala. Was den aktuellen Fachkräftemangel betrifft, so werde die Nachfrage nach hochqualifizierten MitarbeiterInnen im MINT-Bereich immer größer; dies bestätigen alle Studien. So habe etwa die Industriellenvereinigung im Jahr 2018 einen jährlichen Bedarf von ca. 10.500 Fachkräften insbesondere im IT-Bereich festgestellt. Es sei richtig, dass es beim Anteil der Frauen in den MINT-Fächern einen Aufholbedarf gibt, das Interesse der Mädchen müsse so früh wie möglich geweckt werden. Trotz zahlreicher Fördermaßnahmen kam es in den letzten Jahren nur zu einer leichten Steigerung, was vor allem auf die noch immer vorherrschenden Rollenstereotypen zurückzuführen sei. Neben dem Elternhaus komme der Schule eine wichtige Rolle zu, die frühzeitig gegensteuern bzw. unterstützen müsse. Die PISA-Studie habe erfreulicherweise gezeigt, dass sich der Unterschied zwischen Burschen und Mädchen bei den Naturwissenschaften geschlossen hat; noch nicht so gut sehe es im Fach Mathematik aus.

Rauskala präsentierte den BundesrätInnen zudem einen kompakten Überblick über die von ihrem Ressort in die Wege geleiteten Initiativen und Maßnahmen zum Thema Fachkräftebedarf im MINT-Bereich, die von der Elementarpädagogik bis zum Hochschulsektor reichen. Dabei erwähnte sie nicht nur die Inhalte des umfassenden Masterplans Digitalisierung, "der fertig in der Schublade liege". Für besonders wichtig erachtet sie es, die Neugierde an der Technik frühzeitig zu wecken, wobei eine altersgerechte Didaktik von entscheidender Bedeutung sei. Damit die SchülerInnen in ihrer digitalen Lernwelt abgeholt werden, brauche es entsprechende ausgebildete PädagogInnen, war Rauskala überzeugt. Aus diesem Grund werde in der Ausbildung ein Schwerpunkt auf digitale Kompetenzen gelegt. Dieser Fokus finde seine Fortsetzung im Hochschul- und Forschungsbereich, wo z.B. zusätzliche Mittel für 103 neue Professuren in technischen Fächern bereitgestellt werden. Außerdem sollen 3.700 neue Fachhochstudienplätze im MINT-Bereich geschaffen werden. (Fortsetzung Bundesrat) sue

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