Parlamentskorrespondenz Nr. 1193 vom 11.12.2019

Ibiza-Untersuchungsausschuss: Erste Debatte im Nationalrat

SPÖ rechnet mit Einsetzung Ende Jänner

Wien (PK) – Mit einer kurzen Debatte über den von SPÖ und NEOS gemeinsam beantragten Ibiza-Untersuchungsausschuss endete heute die sechste Plenarsitzung des Nationalrats. Bevor das Verlangen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka dem Geschäftsordnungsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde, gaben die fünf Fraktionen eine erste Stellungnahme im Plenum ab. Ob es wie beim ersten Anlauf zum BVT-Untersuchungsausschuss formale Einwände gegen den Untersuchungsgegenstand geben wird, erschloss sich aus den Wortmeldungen nicht, neben ÖVP und FPÖ äußerten sich aber auch die Grünen kritisch. Der Ausschuss ist jedenfalls verpflichtet, dem Plenum innerhalb von acht Wochen Bericht zu erstatten.

Begründet wurde das Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses von SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer. Er erinnerte an Aussagen von Strache im Ibiza-Video und meinte, alles was im Video Spiel bzw. Theorie gewesen sei, hätte sich nach Antritt der türkis-blauen Regierung als real entpuppt. Konkret sprach er etwa umstrittene Postenbesetzungen und Geldflüsse an parteinahe Vereine an.

Im Wesentlichen gehe es beim Untersuchungsausschuss um drei Fragen, meinte Krainer: Wie käuflich seien FPÖ und ÖVP? Was müsse man im Parteiengesetz ändern, um das System gegen Korruption zu immunisieren? Und wie könne man verhindern, dass sich in der Öffentlichkeit der Eindruck festsetzt, dass Politik käuflich sei? Seine Fraktionskollegin Katharina Kucharowits (SPÖ) will vor allem wissen, ob die Causa Casinos Austria System habe oder ein Einzelfall sei. Das Ibiza-Video mit dem Ausspruch "Novomatic zahlt alle" sei für die Glaubwürdigkeit der Politik jedenfalls fatal gewesen.

Krainer geht davon aus, dass der Untersuchungsausschuss bereits bei der Plenarsitzung am 22. Jänner eingesetzt wird. Er appellierte an die anderen Parteien, konstruktiv mitzuarbeiten.

Seitens der ÖVP bekräftigte Wolfgang Gerstl das Interesse der ÖVP an der Aufklärung von im Raum stehenden Vorwürfen. Er hält SPÖ und NEOS aber vor, mit dem vorliegenden Verlangen über das Ziel hinauszuschießen. Es würden Verdächtigungen ohne Beweise erhoben. "Sie wollen eine Abrechnung mit Türkis-Blau, das ist Ihr Zugang und nichts anderes", vermutet er unlautere Motive der AntragstellerInnen und verwies in diesem Zusammenhang etwa auf das Vorhaben, 60% der Regierungsvorlagen der letzten Gesetzgebungsperiode unter die Lupe zu nehmen. Die SPÖ wolle offenbar von ihren parteiinternen Problemen ablenken. Gerstl erachtet es im Übrigen für "ganz normal", dass der Eigentümer einen Vorstand auswählt, etwaige kriminelle Akte durch Versprechungen seien von der Justiz zu prüfen.

Wenig abgewinnen kann auch FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker dem Untersuchungsgegenstand. Es gebe viele Affären, die einer Aufklärung harrten, meinte er etwa in Anspielung auf die sogenannte Silberstein-Affäre, undichte Stellen in der Justiz und die Position von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein beim Glyphosat-Verbot. Von diesen sei im Verlangen aber nicht die Rede. Auch könnte man sich die Postenbesetzungen der letzten 15 Jahre in staatsnahen Betrieben anschauen.

Was die Casinos Austria betrifft, ortet Hafenecker infolge der Debatte der letzten Wochen einen enormen Schaden. Der nunmehr angekündigte Ausstieg von Novomatic könnte zur Folge haben, dass die CASAG nach Tschechien abwandert und der Unternehmenssitz dorthin verlagert wird, warnt er. Grundsätzlich meinte Hafenecker, die FPÖ stehe für jegliche Art von Aufklärung zur Verfügung, es gehe aber nicht an, dass die SPÖ "ihre Probleme zu unseren macht".

Für Sigrid Maurer (Grüne) ist es nicht nachvollziehbar, dass SPÖ und NEOS die Untersuchungen im Glücksspielbereich auf die letzten zwei Jahre beschränken wollen. Schließlich stamme der Satz "Novomatic zahlt alle" von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aus dem Jahr 2017 und habe sich wohl auf die damalige Gegenwart bzw. Vergangenheit bezogen. Zudem bedauerte sie, dass die AntragstellerInnen beim Erarbeiten des Verlangens kein Interesse an einer Kooperation mit den Grünen gezeigt haben. Ihre Partei hätte sehr gerne bei der Formulierung des Untersuchungsgegenstandes mitgestaltet. Schließlich gehe es um schwerwiegende Vorwürfe wie Gesetzeskauf und Bestechung.

Maurer hofft nun, dass der Text im Geschäftsordnungsausschuss noch verbessert werden kann und es gelingen wird, rechtliche Bedenken auszuräumen. SPÖ und NEOS versuchten, "mit einem viel zu weitmaschigen Netz in trüben Gewässern zu fischen", meinte sie. Das sei einer gezielten und effizienten Untersuchung hinderlich. Wichtig ist ihr auch, dass man mit dem Untersuchungsausschuss nicht behördliche Ermittlungen behindert.

Verteidigt wurde der Untersuchungszeitraum von Stephanie Krisper (NEOS). Es sei am dringlichsten, die Zeit der türkis-blauen Regierung aufzuarbeiten, schließlich sei es möglich, dass handelnde Personen wieder in der nächsten Regierung sitzen. Krisper betonte außerdem, dass in der Causa Casinos Austria nicht nur "klassischer Postenschacher" im Raum stehe, sondern Geld bzw. Gesetze gegen Posten.

SPÖ und NEOS wollen mögliche "Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung" untersuchen

Konkret untersuchen wollen SPÖ und NEOS "mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unterstellte leitende Bedienstete an natürliche oder juristische Personen, die Parteien direkt oder indirekt begünstigen", wie es im Verlangen wörtlich heißt. Es geht also nicht nur um die Casinos Austria AG, sondern generell um mögliche "Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung".

Unter die Lupe genommen werden sollen in diesem Sinn neben der Vollziehung des Glücksspielgesetzes und Managemententscheidungen bei der Casinos Austria AG auch weitere Postenbesetzungen und politische Entscheidungen der Regierung in den letzten beiden Jahren. Ebenso sollen etwaige Einflussnahmen auf die von den zuständigen Behörden eingeleiteten Ermittlungen in der Ibiza-Affäre geprüft werden. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom 18. Dezember  2017 bis zum 10. Dezember 2019.

Geschäftsordnungsausschuss muss Beratungen bis zum 8. Jänner aufnehmen

Eingesetzt werden könnte der Untersuchungsausschuss im Jänner oder Februar. Zunächst ist allerdings noch der Geschäftsordnungsausschuss am Zug. Er muss das Verlangen auf seine formale Korrektheit prüfen und die Zusammensetzung des U-Ausschusses festlegen. Auch gilt es, einen grundsätzlichen Beweisbeschluss zu fassen sowie den Verfahrensrichter und den Verfahrensanwalt zu wählen. Die Beratungen sind spätestens bis zum 8. Jänner aufzunehmen.

Blockieren kann der Geschäftsordnungsausschuss den beantragten U-Ausschuss grundsätzlich nicht, da SPÖ und NEOS zusammen über 55 Mandate verfügen und damit das notwendige Einsetzungsquorum von einem Viertel der Abgeordneten (46) problemlos erreichen. Sollte es zu Differenzen über die korrekte Formulierung des Untersuchungsgegenstandes kommen, entscheidet letztlich der Verfassungsgerichtshof. (Fortsetzung Nationalrat) gs