Parlamentskorrespondenz Nr. 278 vom 20.03.2020

Blümel bezeichnet Budget als Momentaufnahme in Zeiten der Krise

Teilweise Kritik der Opposition an einzelnen Hilfsmaßnahmen

Wien (PK) – Entscheidend sei nicht, welche Zahl am Ende des Jahres im Rechnungsabschluss steht, sondern die Antwort auf die Fragen, wie viele Menschenleben gerettet, wie viele Arbeitsplätze gesichert und wie viele Unternehmen vor der Insolvenz bewahrt werden konnten, betonte Bundesminister Gernot Blümel heute im Nationalrat. Anlässlich seiner Erklärung zum Thema "Tun, was notwendig ist" wies der Finanzminister darauf hin, dass es erstmals seit dem Jahr 1953 keine klassische Budgetrede gebe. Bei dem von ihm präsentierten Voranschlag handle es sich um ein "Budget der Krise", das die bittere Wahrheit in Zahlen widergebe und sicherstellen soll, dass Österreich gut durch die Corona-Krise komme.

Blümel bedankte sich – ebenso wie alle anderen RednerInnen im Laufe der Debatte - ausdrücklich bei allen Einsatzkräften, den ÄrztInnen und dem Gesundheitspersonal, den MitarbeiterInnen in den Behörden und vor allem bei den "stillen HeldInnen des Alltags". Dazu gehören nicht nur die KassiererInnen in den Supermärkten, die Reinigungskräfte, die LandwirtInnen, sondern auch die Lkw-FahrerInnen, die die tägliche Versorgung der Bevölkerung aufrecht erhalten.

Von Seiten der Opposition kam die grundsätzliche Bereitschaft zu einem nationalen Schulterschluss in der aktuellen Ausnahmesituation. Kritik gab es jedoch an der konkreten Ausgestaltung der Hilfsmaßnahmen, wie etwa der Abwicklung des Härtefallfonds durch die Wirtschaftskammer oder der zu geringen Unterstützung der Kleinstbetriebe.

Blümel: "Koste es, was es wolle", um gut durch die Krise zu kommen

Außergewöhnliche Zeiten verlangen auch außergewöhnliche Maßnahmen, stellte Finanzminister Gernot Blümel in seiner Erklärung vor dem Nationalrat fest. Die Tatsache, dass es heuer zum ersten Mal seit 1953 keine klassische Budgetrede gebe, sei dabei noch der banalste Umstand. Während sich vor einigen Tagen die ökonomische Situation noch völlig anders dargestellt habe, sei die Welt heute eine andere. Das Coronavirus habe sich von einer mutmaßlichen chinesischen Herausforderung zu einer weltweiten Pandemie entwickelt.

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen habe sein Ressort vor einer Woche die Budgetansätze noch einmal adaptiert, erklärte Blümel. Statt eines soliden Überschusses musste man eine Korrektur in Richtung eines Minus von 600 Mio. € im administrativen Budget vornehmen. Am Mittwoch habe sich aber gezeigt, dass auch diese Zahlen nicht halten werden. Das nun vorliegende "Budget der Krise" soll sicherstellen, dass die Menschen in diesen schwierigen Zeiten ihre Fixkosten decken können und möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben. Es sei daher nicht entscheidend, welche Zahl am Ende des Jahres im Rechnungsabschluss stehen wird, zeigte sich der Finanzminister überzeugt.

Die nun von der Regierung ergriffenen Maßnahmen umfassen einerseits einen 4 Mrd. €-Soforthilfefonds, der bereits im Budget abgebildet wurde, andererseits ein weiteres Paket in der Höhe von 38 Mrd. €, das einen Schutzschirm für die österreichische Volkswirtschaft bilden soll. Darin enthalten sei u.a. die Möglichkeit für Unternehmen, Steuerstundungen vorzunehmen, erläuterte Blümel. Seit Montag seien über 21.000 Anträge dazu eingebracht worden, wobei 90% davon schon wieder erledigt wurden. Weitere 9 Mrd. € seien für Garantien und Haftungen vorgesehen, um die Liquidität in den Betrieben zu gewährleisten. All dies werde sich natürlich auf das Budget auswirken, aber die Gesundheit der ÖsterreicherInnen und der Erhalt der Arbeitsplätze seien wichtiger. Die in den letzten Jahren erarbeiteten Spielräume ermöglichen es, nun rasch und unbürokratisch helfen zu können, hob der Finanzminister hervor. Keiner wisse jedoch, wie lange die Krise dauern werde und mit welchen Folgen man rechnen müsse. Sicher sei aber, dass alles getan werde, um gut durch die Krise zu kommen, "koste es, was es wolle", unterstrich Blümel.

ÖVP: Rot-weiß-roter Schutzschirm garantiert rasche und unbürokratische Hilfe

Innerhalb nur weniger Tage habe sich das Leben in Österreich und ganz Europa völlig verändert, konstatierte ÖVP-Klubobmann August Wöginger. In der aktuellen Situation sei es für ihn vorrangig, alles zu tun, um die Gesundheit der Menschen zu schützen. Er sei daher sehr froh, dass die große Mehrheit der Menschen die Regelungen akzeptiere. Da in den letzten Jahren gut gewirtschaftet wurde, könne nun geholfen werden. Ebenso wie sein Fraktionskollege Gabriel Obernosterer dankte er der Bundesregierung, die rasch reagiert und mit dem 38 Mrd. €-Paket einen "rot-weiß-roten Schutzschirm" auf die Beine gestellt habe. Dies sei die Grundlage dafür, dass möglichst viele Arbeitsplätze gesichert und die Liquidität in den Betrieben sichergestellt werden können. Im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland oder Italien, die nur 1% des BIP für die Bewältigung der Krise bereitstellen, werden in Österreich 10% des BIP in die Hand genommen, hob Obernosterer hervor.

SPÖ für mehr Klarheit, Transparenz und Fairness bei den Hilfsmaßnahmen

SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer stimmte darin überein, dass man am Ende der Krise den Erfolg nicht daran messen werde, wie hoch das Defizit und die Verschuldung ausfallen, sondern daran, wie wenig Menschen gestorben sind, wie wenig ihren Job verloren haben und wie wenig Betriebe zusperren mussten. Bei den nun von der Regierung geplanten Maßnahmen müssen jedoch Klarheit und Sicherheit im Vordergrund stehen, war Krainer überzeugt, und dies sei etwa beim Kurzarbeitsmodell nicht ideal gelungen. Vieles, was heute im zweiten Corona-Paket beschlossen werden soll, sei richtig, räumte der Budgetsprecher der SPÖ ein, einiges sei aber zu hinterfragen. So sei etwa der mit einer Milliarde Euro gedeckelte Härtefallfonds für die kleinen Unternehmen, die 20% der Beschäftigten aufweisen, viel zu gering dotiert. Kritik übte Krainer auch daran, dass der Fonds nicht von den Finanzämtern, die hocheffizient arbeiten, sondern von der Wirtschaftskammer abgewickelt werde. Außerdem sollte gesetzlich klargestellt werden, dass jene Betriebe, die nun zusperren müssen, keine Mieten zahlen müssen und dass alle Hilfen steuerfrei sind. Im Sinne der Gerechtigkeit sollten zudem für alle Betriebe die gleichen Regeln gelten. Christoph Matznetter (SPÖ) drückte sein Bedauern darüber aus, dass nicht einmal in so schwierigen Zeiten in wichtigen Fragen ein Einvernehmen mit der Opposition gesucht und vernünftige Vorschläge einfach niedergestimmt werden.

FPÖ: Unbürokratische und rasche Unterstützung vor allem von Kleinstunternehmen sei notwendig

In schwierigen Zeiten brauche es einen nationalen Schulterschluss, betonte FPÖ-Mandatar Hubert Fuchs, dieser dürfe aber nicht einseitig sein. Erst auf Druck der Oppositionsparteien sei es gelungen, dass beim zweiten Hilfspaket nun endlich auch Einpersonen- und Kleinstunternehmen berücksichtigt wurden. Ebenso wie Krainer war er jedoch der Auffassung, dass die Mittel in der Höhe von 1 Mrd. € nicht ausreichen werden. Unerklärlich sei für ihn auch, warum der Härtefallfonds bei der Wirtschaftskammer und nicht bei den Finanzämtern angesiedelt wurde. Er habe kein gutes Gefühl dabei, wenn sensible Steuer- und Sozialversicherungsdaten an die Wirtschaftskammer weitergegeben werden. Eine massive Ungerechtigkeit sei auch die Tatsache, dass Beherbergungs- und Seilbahnbetriebe in  Tirol besser behandelt werden als z.B. jene in Salzburg. "Entweder entschädigen wir alle nach dem Epidemiegesetz oder keinen", forderte Fuchs. Pragmatische Lösungen bräuchte es auch in der Frage der Mieten, aber leider habe die Justizministerin gestern eine Lösung dieses Problems verhindert. Nach Auffassung von FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch sollte man auch die Banken, denen in der Finanzkrise massiv geholfen wurde, in die Pflicht zu nehmen.

Grüne erfreut über breiten Schulterschluss in Zeiten der Krise und über Signale für die Zukunft

Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne) bekannte sich ausdrücklich zu den von der Bundesregierung geschnürten Hilfspaketen, die in einem unglaublichen gemeinsamen Kraftakt rasch auf den Weg gebracht worden seien. Besonders erfreut zeigte sie sich darüber, dass ein breiter Schulterschluss über alle Fraktionen hinweg möglich gewesen sei. Nach dem ersten Paket soll heute das zweite Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht werden, das u.a. einen Härtefallfonds für die besonders betroffenen EPU, KünstlerInnen etc. enthält. Zum Glück weise Österreich gut abgesicherte Institutionen und vor allem ein hervorragendes Gesundheitssystem auf, das für alle Menschen zugänglich ist. Es sei die Verantwortung der PolitikerInnen dafür zu sorgen, dass alle so gut wie möglich durch die Krise kommen, unterstrich Jakob Schwarz (Grüne). Das Budget enthalte aber auch wichtige Signale für die Zeit nach Corona, wie etwa die Aufstockung der Mittel für die Justiz und den Klimaschutz. Äußerst positiv bewertete er zudem die deutliche Erhöhung des Frauenbudgets, die dringend erforderlich gewesen sei.

NEOS für schnelle und bürokratische Finanzierungshilfen sowie Perspektiven für den "Tag danach"

Es gehe den UnternehmerInnen in Österreich derzeit nicht gut, konstatierte Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS), dennoch müsse man nach vorne schauen. Auch er selbst sei betroffen und überlege sich ununterbrochen, wie er die MitarbeiterInnen möglichst lange im Betrieb halten könne. Die NEOS seien bei der Bekämpfung der Corona-Krise bereit für einen Schulterschluss, unterstrich er, über die Ausgestaltung der Hilfsmaßnahmen müsse aber ein konstruktiver Diskurs möglich sein. Für ihn sei es dabei vorrangig, dass die Unterstützungsangebote klar verständlich, unbürokratisch und planbar gestaltet sind. Schließlich stelle sich auch die Frage, wer am Ende die Zeche zahle. Es brauche ein Team von ExpertInnen, das bereits "über den Tag danach" nachdenke. Kritisch beurteilte Schellhorn unter anderem das Kurzarbeitsmodell, da es viele offene Fragen – wie wird z.B. der Krankenstand behandelt - aufwerfe. Außerdem gebe es keine Perspektive dafür, wie es nach der Kurzarbeit weitergehen soll. Dass der Hilfsfonds von der Wirtschaftskammer abgewickelt werde, sei aus seiner Sicht "ein Witz".

Nachdem die Sitzung wegen eines Coronafalls in den Reihen der Abgeordneten unterbrochen werden musste, gab Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka nach einer Stehpräsidiale sowie der anschließenden Wiederaufnahme der Beratungen eine kurze Erklärung zur weiteren Vorgangsweise ab. Er informierte darüber, dass ein – nicht anwesender - Mandatar mit dem Coronavirus infiziert sei. Es wurden all jene Personen identifiziert, die mit dem Abgeordneten in den letzten Tagen bzw. in der Sitzung vergangenen Sonntag Kontakt hatten; diese Personen werden nun auch getestet. Sobotka versicherte gegenüber der Bevölkerung, dass das Parlament seine verfassungsmäßigen Aufgaben zu jeder Zeit wahrnehmen könne. Die Einhaltung des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit sei gerade in Zeiten der Krise von besonderer Bedeutung. Man werde mit der Sitzung in gewohnter Weise fortfahren. (Fortsetzung Nationalrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.