Parlamentskorrespondenz Nr. 293 vom 25.03.2020

Besteuerung der digitalen Wirtschaft stellt EU vor Herausforderungen

Jahresvorschau 2020 gibt Überblick über breites Spektrum europäischer Finanzagenden

Wien (PK) – Das Arbeitsprogramm des ECOFIN-Rates umfasst dieses Jahr weiterhin die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, die Vollendung der Bankenunion, die Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion sowie die Verbesserung der Steuerkoordination. Das geht aus der EU-Jahresvorschau 2020 des Finanzministeriums hervor (III-117 d.B. und III-710-BR/2020 d.B.), in der zu den Leitlinien der Europäischen Kommission und der Ratspräsidentschaft Stellung bezogen wird. Der Bericht wurde noch vor der aktuellen Corona-Krise erstellt.

Der derzeitige kroatische Vorsitz im Rat der Europäischen Union konzentriere sich besonders auf die Unterstützung von Reformprozessen und wirtschaftlicher Konvergenz, um eine Einigung über das Reform- und Investitionshilfeprogramm zu erzielen, informiert der Finanzminister. Die Verhandlungen über die Errichtung eines Europäischen Einlagensicherungssystems sollen fortgesetzt, der Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion abgeschlossen werden. Weitere wichtige EU-Agenden im Finanzbereich sind laut Bericht die Steuersysteme mitsamt ihrer aus der Digitalisierung resultierenden Herausforderungen.

Über den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 konnte bislang keine Einigung erzielt werden. Österreich räumt der Reform der EU-Finanzen als Nettozahler hohe Priorität ein und fordert eine dauerhafte Entlastung bei den Beitragszahlungen, wie aus dem Bericht hervorgeht.

Wachstum und Beschäftigung

Gemäß ihrer Winterprognose geht die Kommission davon aus, dass die Wirtschaft der Eurozone heuer und im nächsten Jahr mit jeweils 1,2% weiterhin moderat wachsen wird, nach ebenfalls 1,2% im letzten Jahr. Die wesentlichen wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen werden vor dem Hintergrund des Green Deals in den Bereichen Klima und Umwelt, Produktivität, Stabilität und Fairness verortet. Der größere Fokus auf Klima und Umwelt soll das Europäische Semester als umfassendes Instrument für die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik stärken, heißt es in der Wachstumsstrategie. Um beim Produktivitätswachstum gegenüber anderen globalen Akteuren aufzuholen, bedarf es aus Sicht der Kommission außerdem einer zukunftsorientierten Forschungs- und Innovationsstrategie.

Die Schwerpunktsetzungen werden von den EU-FinanzministerInnen weitgehend unterstützt, so auch von Österreich. Die Weiterentwicklung des Europäischen Semesters wird aufgrund der Verbesserung der Voraussetzungen für eine kohärente Wirtschafts- und Budgetpolitik befürwortet. Eine Ausweitung des Europäischen Semesters auf neue Themenfelder sieht das Finanzressort allerdings kritisch, weil dies zu einer Verwässerung der wirtschaftspolitischen Steuerung führen könnte, so die Einschätzung. Eher sollte die Aufmerksamkeit auf die konsequente Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen gelegt werden, heißt es.

Makroökonomie

Der Finanzminister tritt auch dafür ein, dass die EU-Fiskalregeln von allen Mitgliedsaaten konsequent angewendet und die günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vor allem von Mitgliedstaaten mit hohen Verschuldungsquoten zur weiteren Budgetkonsolidierung genutzt werden. Die finanzielle Situation von Spanien, Portugal, Irland und Zypern habe sich aufgrund der umgesetzten Strukturreformen mittlerweile nachhaltig verbessert. Auch Griechenland erziele deutliche Fortschritte bei der Durchführung bei Strukturreformen, geht aus dem Bericht hervor. Bei acht EU-Mitgliedstaten bestehe aufgrund der für 2020 übermittelten Budgetpläne das Risiko, dass die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht erfüllt werden. Das betreffe Belgien, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal, Slowenien, Slowakei und Finnland.

In Hinblick auf die makroökonomische Stabilität soll das nominelle Budgetdefizit 2020 in der Eurozone bei 0,9% des BIP liegen und damit gegenüber 2019 geringfügig steigen. Die Europäische Kommission rechnet mit einer weiteren Verringerung der öffentlichen Gesamtverschuldung auf knapp über 85% in diesem Jahr.

Wirtschafts- und Währungsunion

Die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion und Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist regelmäßiger Gegenstand von Beratungen auf EU-Ebene, was vom Finanzministerium grundsätzlich positiv wahrgenommen wird. Der Fokus sollte laut österreichischer Position dabei aber vor allem auf der Umsetzung des bereits bestehenden Regelwerks liegen und weniger auf der Schaffung neuer Instrumente. Errichtet wurde ein "Budgetary Instrument for Convergence and Competitiveness" (BICC) womit Mitgliedstaaten der Eurozone bei der Umsetzung von Reform- und Investitionspaketen unterstützt werden. Von mehreren Ländern wird verlangt, das dafür zusätzliche Mittel im Wege eines intergouvernementalen Abkommens – Stichwort "Eurozonenbudget" – zur Verfügung gestellt werden. Hierfür wird hierzulande keine Notwendigkeit gesehen.

Banken- und Kapitalmarktunion

Zur Stärkung der Stabilität der Finanz- und Kapitalmärkte hat die EU bereits umfassende Reformen bei der Regulierung und Aufsicht im Bankensektor durchgeführt, etwa das Single Rule Book, den Europäischen Aufsichtsmechanismus oder einheitliche Regelungen zur Bankensanierung und –abwicklung. Als Ziel gilt die Errichtung einer Europäischen Einlagensicherung (EDIS). Dies sei ein wichtiges Element, um das Vertrauen in den europäischen Bankensektor zu stärken, meint der Finanzminister. Die wichtigste Rolle von EDIS sei die Bereitstellung von Liquidität, damit die Auszahlung gesicherter Einlagen fristgerecht erfolgen kann. Die angedachte schrittweise Vorgehensweise wird unterstützt. Einige entsprechende Dossiers wurden bereits ganz oder weitgehend abgeschlossen, manche Mitgliedstaaten sehen die Voraussetzungen für politische Verhandlungen über EDIS allerdings noch nicht erfüllt. Neben der Einrichtung von hochrangigen Arbeitsgruppen wurde die Eurogruppe beauftragt, weiter an allen Elementen zur Stärkung der Bankenunion zu arbeiten, informiert der Bericht.

Zur Vertiefung der Kapitalmarktunion ist die österreichische Position durchaus positiv, besonders in Hinblick auf die Verbesserung der Unternehmensfinanzierung, die Erleichterung des Zugangs zur Liquidität und die Stärkung der Proportionalität im Rechtsrahmen. Der ECOFIN-Rat hat diesbezüglich im Dezember 2019 weitere Kernziele definiert, dazu zählen unter anderem die Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten für KMU, die Verringerung von Barrieren im grenzüberschreitenden Kapitalverkehr, die Beschleunigung des Übergangs auf ein nachhaltiges Finanzsystem sowie die Förderung der Digitalisierung und des technologischen Fortschritts.

Digitale Wirtschaft und Steuerfragen

Für die wirksame Besteuerung von Unternehmen im Bereich der digitalen Wirtschaft seien traditionelle Konzepte nicht mehr ausreichend, wird im Bericht festgehalten. Das sei eine große Herausforderung für die Steuerpolitik. Auf EU-Ebene ist es trotz intensiver Verhandlungen bislang zu keiner Einigung bezüglich der Einführung einer temporären Steuer auf digitale Umsätze (Digital Services Tax) gekommen, stattdessen hat fast die Hälfte aller Mitgliedstaaten eigenständige Lösungen eingeführt oder geplant. Nun werde eine gemeinsame Lösung auf Ebene der OECD/G20 vorangetrieben, informiert das zuständige Ressort. Die meisten Länder, so auch Österreich, würden eine globale Lösung im Rahmen einer Zwei-Säulen-Strategie unterstützen, die über das Digitalthema hinausgeht. Die erste Säule befasst sich mit Möglichkeiten zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten. Die zweite zielt nicht speziell auf die Besteuerung der digitalen Wirtschaft ab, sondern generell auf eine Eindämmung von unfairem Steuerwettbewerb durch eine weltweite Mindestbesteuerung. Eine Einigung soll bis Ende 2020 erfolgen.

Weitere vonseiten Österreichs befürwortete EU-Vorhaben im Steuerbereich betreffen die Einführung einer gemeinsamen Körperschaftssteuer und die Reform des Mehrwertsteuersystems mit dem Ziel einfacherer und weniger betrugsanfälliger Regeln. Das vorgeschlagene Modell der französischen Finanztransaktionssteuer (FTT), d.h. eine Aktienbesteuerung nach dem Emissionsprinzip, wird allerdings abgelehnt, weil eine breite Bemessungsgrundlage mit niedrigen Steuersätzen nicht gegeben sei. Die von der Kommission vorgeschlagene Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip im Steuerbereich zur Entscheidungserleichterung könne sich Österreich allenfalls sehr beschränkt in bestimmten Teilbereichen vorstellen. (Schluss) fan