Parlamentskorrespondenz Nr. 295 vom 27.03.2020

EU-Vorhaben zu fairen Arbeitsbedingungen, Gender Equality und Jugenddialog

Jahresvorschau 2020 für die Bereiche Arbeit, Jugend und Familie

Wien (PK) - Die EU-Kommission zielt in ihrem Programm 2020 beim Thema Arbeit mit dem europäischen Green Deal als neue Wachstumsstrategie auf mehr Arbeitsplätze und ein wettbewerbsfähigeres Europa ab. Unter dem Titel "Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen" sollen Initiativen zum Arbeitnehmerschutz, eine Gleichstellungsstrategie für einen gerechten Zugang zum Arbeitsmarkt und mehr Lohntransparenz auf den Weg gebracht werden. Außerdem soll es einen Bericht zum demografischen Wandel sowie ein Grünbuch zum Thema Altern geben. Dies geht aus der EU-Jahresvorschau 2020 von Bundesministerin Christine Aschbacher (III-118 d.B. und III-713-BR/2020 d.B.) hervor. Der Bericht wurde noch vor der Corona-Krise vorgelegt.

EU-Ratsvorsitz fokussiert auf Chancengleichheit im Arbeitsleben

Die Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich sowie die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 (MFR) sind Fixpunkte des Achtzehnmonatsprogramms des Europäischen Rates. Kroatien übernahm in der ersten Jahreshälfte 2020 dessen Vorsitz und fokussiert auf Chancengleichheit, insbesondere auf die Gleichstellung der Geschlechter und auf die Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie Langzeitpflege von Familienmitgliedern. Geplant sind auch Schlussfolgerungen zu Flexibilität in der Arbeit und zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben. 

Koordinierung der Sozialschutzsysteme der Mitgliedstaaten

In den Bereichen der Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Pflege, Sozialleistungsanspruch für wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger und Familienleistungen sind Änderungen angedacht. Eine Einigung im ersten Halbjahr 2020 gilt als unsicher. Österreich lehnt den derzeitigen Stand der Verhandlungen aufgrund der vorgeschlagenen Änderungen bei den Arbeitslosenleistungen für Grenzgänger ab. Außerdem fand die österreichische Forderung der europaweit einheitlichen Indexierung der Familienleistungen bis dato keine Berücksichtigung.

In Arbeit ist außerdem eine Änderung der Dachverordnung der Kohäsionspolitik für acht europäische Fonds mit dem Ziel, Regeln für die Planung und Umsetzung verschiedener Programme festzulegen und dabei den Verwaltungsaufwand durch gemeinsame und vereinfachte Vorschriften zu reduzieren. Außerdem soll nun auch der Just Transition Funds miteinbezogen werden. Der kroatische Ratsvorsitz plant die Verhandlungen fortzusetzen, wobei diese erst abgeschlossen werden können, wenn der MFR fixiert ist. Österreich orientiert sich an der grundsätzlichen Position zum MFR, begrüßt aber die Fortsetzung der Kohäsionspolitik, sowie eine Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau.

Maßnahmen für den Arbeitsmarkt und gegen Diskriminierung 

Die Verhandlungen zum Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) sollen im heurigen Jahr ebenfalls erst nach positivem Verhandlungsende zum MFR finalisiert werden. Der Fonds kofinanziert Maßnahmenpakete im Falle von großen Arbeitsplatzverlusten in einer Branche oder eines Unternehmens. Außerdem soll dieser künftig auch bei Massenkündigungen, die aufgrund des Klimawandels erfolgen, unterstützend eingreifen. Da der Vorschlag wesentliche Forderungen von Mitgliedsstaaten, wie etwa niedrigere Schwellen für die Förderungen sowie schnellere Verfahren und einen verminderten Verwaltungsaufwand berücksichtigt, ist eine Zustimmung Österreichs wahrscheinlich.

Das BMAFJ befürwortet die Aktualisierung und Erweiterung einer Richtlinie zu Arbeitsplatzgrenzwerten von krebserregenden Stoffen sowie die Verlängerung der Zusammenarbeit öffentlicher Arbeitsverwaltungen im sogenannten PES-Netzwerk bis 2027.

Aus österreichischer Sicht problematisch hingegen wird der schleppende Fortschritt der Anti-Diskriminierungsrichtlinie gesehen. Sie soll Schutz vor Diskriminierung über den Bereich der Arbeit hinaus erweitern und Gründe wie Religion oder der Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuellen Orientierung einschließen. Die Vermeidung von Diskriminierung sei Österreich zwar ein wichtiges Anliegen, aber der Entwurf lässt noch zu viele Fragen offen, insbesondere was die Gründe anbelangt, so das BMAFJ in der Jahresvorschau.

Gänzlich blockiert ist eine Richtlinie mit dem Ziel, den Frauenanteil in den Verwaltungs- und Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen weiter zu erhöhen. Der Vorschlag wurde seit 2015 nicht mehr verhandelt. Österreich steht dem Vorhaben allerdings positiv gegenüber.

Vorhaben gegen Jugendarbeitslosigkeit

Die Kommission hat im Bereich Jugendarbeitslosigkeit eine Fortführung der sogenannten Jugendgarantie in Aussicht gestellt. Ein konkreter Vorschlag liegt aber bis dato noch nicht vor. Österreich befürwortet diese Maßnahmen. Eine aktualisierte Empfehlung der Kommission wird im Laufe des Jahres erwartet.

Wirtschaftspolitik: Nationales Reformprogramm 2020

Der kroatische Ratsvorsitz plant die wirtschaftspolitische Koordinierung im Rahmen des Europäischen Semesters weiterzuführen. Im Konkreten sollen ein Jahreswachstumsbericht, ein Warnmechanismusbericht, Empfehlungen für die Eurozone und der Gemeinsame Beschäftigungsbericht debattiert werden. Im Zuge dessen sollen auch die Länderberichte 2020 und die Umsetzung der Empfehlungen für 2019-2020 behandelt werden. Das BMAFJ plant die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen als "Nationales Reformprogramm 2020" im April 2020 zu übermitteln. Da die österreichische Position sich weitgehend mit der EU-Wirtschaftspolitik decke, wird in der Jahresvorschau eine voraussichtliche Zustimmung des Arbeitsministeriums angekündigt.

Österreich fordert, Autonomie im Bereich Kollektivvertrag zu behalten

Die Kommission erarbeitet in mehreren Initiativen Maßnahmen, um die Europäische Säule sozialer Rechte auszubauen, die aufgrund des grünen, digitalen und demografischen Wandels als notwendig gesehen werden. Das Bundesministerium begrüßt die Initiativen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und bessere Qualifikation insbesondere im Bereich der Digitalisierung und dem Fokus auf Umwelt und Klima. Österreich pocht allerdings im Bereich des Mindestlohns auf die Autonomie der Sozialpartner, insbesondere da der Kollektivvertrag als bewährtes und sehr gutes System der Lohnfindung gesehen wird. Sehr begrüßt hingegen wird eine geplante Strategie für mehr Sicherheit und Gesundheitsschutz und die präventiven Maßnahmen zur Krebsbekämpfung am Arbeitsplatz. Das Arbeitsministerium beteiligt sich hier aktiv an den Vorarbeiten, so die Jahresvorschau.

Ebenso positiv sieht das BMAFJ die Absicht, geschlechtsspezifische Lohnscheren auf EU-Ebene durch ein koordiniertes Vorgehen zu schließen. Die EU-Kommission stellte am 4. März eine Strategie vor, die auf eine gemeinsame Erklärung im Rahmen des österreichischen Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr 2018 zurückgeht.

Die Kommission schlägt ferner einen sogenannten "Fonds für einen gerechteren Übergang" (Just Transition Fund) vor. Das Arbeitsministerium begrüßt den Vorschlag, der Kernenergie explizit ausschließt, setzt aber voraus, dass die Finanzierung aus dem EU-Haushalt im Rahmen der Obergrenze des Mehrjährigen Finanzrahmens von 1% des EU-27 Bruttonationaleinkommens erfolgt. Außerdem solle, so die österreichische Position, ein Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2050 eine Grundvoraussetzung sein, um Mittel aus dem Fonds zu beanspruchen.

Zum Thema Arbeitslosen-Rückversicherung wird ein Kommissionvorschlag für das 4. Quartal 2020 erwartet. Das BMAFJ schickt aber voraus, dass, sollte es sich hier um eine Arbeitslosenversicherung auf europäischer Ebene handeln, diese abzulehnen wäre, da - über die fehlende Rechtsgrundlagen hinaus - eine Vereinheitlichung der Versicherungssysteme von 27 Ländern mit einem enormen Aufwand verbunden wäre und die positiven Effekte als vergleichsweise gering gesehen werden.

Maßnahmen für mehr Jugendbeteiligung

Der kroatische Ratsvorsitz setzt im Jugendbereich auf das Thema "Chance für junge Menschen in ländlichen und abgelegenen Gebieten" und plant dazu Schlussfolgerungen zu verhandeln. Weiters sollen Empfehlungen zum Thema "Stärkung des EU-Jugenddialogs" beim für Mai anberaumten Ratstreffen der JugendministerInnen beschlossen werden.

Unter dem deutschen EU-Ratsvorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2020 soll das "Europäisches Solidaritätskorps" als Nachfolge der EU-Jugendprogramme behandelt werden, was vom BMAFJ befürwortet wird. Mit dem Programm sollen Menschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren die Möglichkeit erhalten, sich außerhalb ihres Herkunftslandes in Form von Praktika, Jobs und freiwilligen Tätigkeiten zu engagieren. Das bestehende Programm für humanitäre Hilfseinsätze soll dabei integriert werden.  

Für die Partizipation junger Menschen am demokratischen Leben in Europa ist eine Ratsschlussfolgerung geplant. Eine Empfehlung zur Mobilität junger Freiwilliger und eine Entschließung zur European Youth Work Agenda stehen ebenfalls auf der Agenda der zweiten Jahreshälfte.

Österreichische Jugendstrategie als Instrument der EU-Jugendstrategie

Die EU-Jugendstrategie 2019-2027 enthält einige Neuerungen. Im Wesentlichen sollen EU-Ausgaben für den Jugendbereich in den Programmen besser nachverfolgt werden können und Anliegen von Jugendlichen stärkere Berücksichtigung finden. So haben 50.000 Jugendliche "Europäische Jugendziele" erarbeitet, die in die Strategie eingeflossen sind. Außerdem soll in der EU-Kommission die Stelle einer Jugendkoordinatorin oder eines Jugendkoordinators geschaffen werden. Das BMAFJ plant eine Fortführung und Ergänzung der österreichischen Jugendstrategie gemäß Regierungsprogramm und hält darin am Bekenntnis zu den Europäischen Jugendzielen fest. Die Österreichische Jugendstrategie soll somit eine nationale Strategie und gleichzeitig ein wichtiges Element für die Umsetzung der EU-Jugendstrategie bleiben, informiert das Ministerium.

In die Zuständigkeit der Familien- und Jugendministerin Christine Aschbacher fallen auch Pläne zur Jugendgarantie, die Hilfe zur notwendigen Aus- und Weiterbildung leisten soll, sowie Initiativen zu non-formaler Bildung im außerschulischen Bereich. Auf der Agenda der Kommission ist laut Bericht für das 2. Quartal eine "EU-Strategie für einen effizienteren Kampf gegen Kindesmissbrauch", angekündigt. Die Gender Equality Strategy beschäftigt sich mit den Problemen gender-basierter Gewalt und ökonomische Unabhängigkeit sowie ungleichen Zugang zum Arbeitsmarkt und wird in der Jahresvorschau für das 1. Quartal 2020 angekündigt. (Schluss) gun