Parlamentskorrespondenz Nr. 338 vom 22.04.2020

Coronavirus: Regierungsspitze sieht Richtigkeit der Maßnahmen bestätigt

Kurz und Kogler kündigen im Nationalrat schrittweise Lockerungen an, Opposition verstärkt ihre Kritik am Krisenmanagement

Wien (PK) – Die Maßnahmen der Regierung seien richtig gewesen und haben dazu geführt, dass Österreich besser als andere Länder durch die Corona-Krise gekommen sei, betonten heute übereinstimmend Sebastian Kurz und Werner Kogler. In Erklärungen vor dem Nationalrat zur aktuellen Situation bestätigten Bundeskanzler und Vizekanzler die Pläne, das öffentliche Leben wieder schrittweise hochzufahren, mahnten aber zur Vorsicht. Man werde die Zahlen im Auge behalten und gegebenenfalls reagieren, um den Ausbruch einer zweiten Welle zu verhindern.

Kritik am Krisenmanagement kam von der Opposition, die vor allem einen detaillierten Fahrplan für die Öffnung der Schulen verlangte. Die SPÖ drängte überdies auf eine Erhöhung des Arbeitslosengelds und mahnte einen Solidarbeitrag der Millionäre und der großen Online-Konzerne ein. Die FPÖ wiederum warf Kurz Panikmache vor und meinte unter Hinweis auf das Beispiel Schwedens, die Maßnahmen seien nicht alternativlos. Die NEOS schließlich bezichtigten die Regierung des "flapsigen" Umgangs mit der Verfassung und beklagten zudem "Chaos" bei den Unterstützungsmaßnahmen für die Unternehmen.

An der Spitze der Tagesordnung standen zunächst eine Reihe von Anträgen der Opposition aus dem Gesundheitsbereich. So forderte die FPÖ in einer Initiative eine umfassende Information der Bevölkerung in Sachen Coronavirus. Einen Antrag haben die Freiheitlichen auch zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung eingebracht. Zudem sollen, geht es nach einem Vorstoß der FPÖ, PatientInnen die Kosten für ihre medizinische Behandlung in Zukunft selbst tragen, wenn sie gegenüber ÄrztInnen und Gesundheitspersonal gewalttätig werden. Die NEOS unternahmen in einem Entschließungsantrag einen neuerlichen Anlauf zur Abschaffung der Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung und verlangten in einer weiteren Initiative die Offenlegung der Rechnungsabschlüsse aller 15 Krankenfürsorgeanstalten.

Kurz für behutsames Hochfahren von Wirtschaft und Gesellschaft

Sebastian Kurz zeigte sich erleichtert über die aktuelle Entwicklung der Zahlen und meinte, die gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg beschlossenen Maßnahmen seien richtig gewesen. Die Reduktion der Kontakte und das Tragen von Masken hätten dazu geführt, dass in Österreich weniger Menschen an der Krankheit gestorben sind als in anderen Staaten. Der stark rückläufige Trend bei den Neuinfektionen mache es nun möglich, das Land wirtschaftlich und gesellschaftlich wieder schrittweise hochzufahren. So könne man ab 1. Mai den Handel und den Großteil der Dienstleistungen und ab 15. Mai die Gastronomie, den Parteienverkehr im öffentlichen Bereich, die Gotteshäuser und etappenweise auch die Schulen wieder öffnen. Kurz trat dabei für ein Maximum an Freiheit ein, meinte aber gleichzeitig, es werde weiterhin Einschränkungen geben müssen. Es gelte jedenfalls, behutsam vorzugehen, um zu verhindern, dass es zu einem unkontrollierten Anstieg der Neuerkrankungen und damit zu einer zweiten Welle kommt. Klar ist für Kurz, dass Österreich bei der Eindämmung der Krankheit eine Vorreiterrolle einnimmt, wobei er bekräftigte, dies biete nun die Möglichkeit, solidarisch mit jenen Ländern zu sein, die Hilfe am meisten brauchen.

Kogler: Entscheidungen nach genauem Beobachten, Analysieren und Abwägen treffen

Werner Kogler sprach ebenfalls von einem Erfolg, der es nun erlaube, das Land wieder schrittweise hochzufahren. Verantwortungsvolles Handeln sei in dieser Situation gefragt nach dem Motto "Beobachten, informieren, analysieren, abwägen und dann die Entscheidungen treffen". Sollten sich die Zahlen doch noch anders entwickeln, werde man reagieren müssen, steht auch für den Vizekanzler fest. Möglicherweise werde man dann manche Schritte nicht so schnell setzen können, gab Kogler unter Hinweis auf Südkorea zu bedenken, wo man etwa den Schulstart mehrere Male verschoben hatte. Wenn man einmal die Gesundheitskrise im Griff habe, werden wieder Themen wie der soziale Zusammenhalt in den Vordergrund rücken, zeigte er sich überzeugt. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang für Kogler, dass auch jene Berufsgruppen, die jetzt in der Krise das System aufrechthalten, eine bessere Entlohnung erhalten. So gehe es nicht an, dass etwa PflegerInnen und Erntehelfer an der untersten Stufe der Skala stehen, betonte der Vizekanzler.

ÖVP: Maßnahmen waren richtig

"Die Maßnahmen zeigen Wirkung und machen eine schrittweise Öffnung möglich", lautete auch die Einschätzung von August Wöginger (ÖVP). Gebot der Stunde sei es jetzt, die Zahlen zu beobachten. Der Klubobmann der Volkspartei sprach sich zudem für eine rasche Unterstützung der von der Krise Betroffenen aus und appellierte im Zusammenhang mit den Forderungen nach Kontrolle der Corona-Mittel an die Opposition, ihre VertreterInnen in den entsprechenden Beirat zu entsenden. Wöginger zeigte sich aber gleichzeitig gesprächsbereit hinsichtlich der Einrichtung eines eigenen parlamentarischen Ausschusses. Die Arbeiterkammern wiederum rief er auf, ihre Rücklagen für in Not geratene ArbeitnehmerInnen aufzulösen. Für die Bewältigung der Corona-Krise gebe es kein Handbuch, meinte seine Fraktionskollegin Tanja Graf, die vor allem die Mittel für die Kurzarbeit hervorhob. Für Bettina Zopf (ÖVP) wiederum bietet die Krise die Chance, den Standort Österreich zu stärken und beim Einkauf auf mehr Regionalität zu achten.

SPÖ: Regierung darf nicht allein über die nächste Phase entscheiden

Die Corona-Krise habe zu einem Ausnahmezustand geführt, von einer neuen Normalität könne keine Rede sein, stellte Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) fest. Es gehe nicht an, dass die Bundesregierung nun alleine darüber entscheidet, wie wir uns in der nächsten Zeit zu verhalten haben. Vielmehr müsse sich die Gesellschaft die neuen Regeln in einem offenen Diskurs selbst geben. Freiheit könne nicht über Monate und Jahre durch Erlässe und Verordnungen reguliert werden, mahnte die SPÖ-Klubobfrau. Für Rendi-Wagner gilt es aber auch zu entscheiden, wer am Ende die Kosten der Krise zu tragen hat. Die SPÖ werde jedenfalls nicht zulassen, dass die heutigen Helden und Heldinnen der Krise auch die ZahlerInnen der Krise sein werden. Es brauche eine soziale Abfederung, bestätigte auch Philip Kucher (SPÖ), der sich für eine Solidaritätsabgabe für Millionäre und Online-Konzerne stark machte. Sonja Hamerschmid (SPÖ) verlangte gemeinsam mit FPÖ und NEOS einen konkreten Fahrplan für die Öffnung der Schulen, während Rainer Wimmer (SPÖ) für eine Erhöhung des Arbeitslosengelds und für eine Staatsbeteiligung bei der AUA plädierte.

FPÖ wirft Kurz Angstmache vor

Herbert Kickl (FPÖ) zeigte sich erfreut über die aktuellen Zahlen, meinte aber, auch Schweden, wo man keine Restriktionen verordnet habe, verzeichne eine ähnlich positive Entwicklung. Er warf dem Bundeskanzler vor, Horrorszenarien an die Wand zu malen und damit Panikmache zu betreiben. Kurz würde sich mit Unterstützung der Medien als Retter der Nation aufspielen, kritisierte der FPÖ-Klubchef. Kickl zweifelte insgesamt an der Alternativlosigkeit der Maßnahmen und bemerkte, wirklich messbar seien nur die Zahlen der Arbeitslosen und der Unternehmen, denen die Existenzgrundlage entzogen wurde. Susanne Fürst (FPÖ) lenkte den Blick auf die europäische Ebene und warnte vor Euro-Bonds, Überwachungs-Apps und der Abschaffung des Bargelds. Gerhard Kaniak (FPÖ) wiederum forderte eine Obduktion aller Todesfälle mit Verdacht auf Corona-Infektion. Weitere Anliegen der FPÖ waren die Auflösung der AK-Rücklagen für von Corona Betroffene sowie eine Präzisierung hinsichtlich der ArbeitnehmerInnen, die aus gesundheitlichen Gründen unter die Risikogruppe fallen.

Grüne: Corona-Krise dürfe nicht zu Lasten der Frauen und Kinder gehen

Trotz der positiven Entwicklung gelte es nun, achtsam zu bleiben, um eine zweite Welle zu verhindern, warnte Sigrid Maurer (Grüne). Das Hochfahren des Landes müsse jedenfalls auch das soziale Leben umfassen, die Krise dürfe nicht auf Kosten der Frauen und der Kinder gehen, steht für die Klubchefin der Grünen fest. Wichtig sei es auch, den Wert der Arbeit jener, die nun das System erhalten, neu zu überdenken. Gleiches gelte für die Bedeutung der regionalen Produkte. Ihre Fraktionskollegin Sibylle Hamann forderte gemeinsam mit der ÖVP einen Stufenplan für die Öffnung der Schulen, dies unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern, Eltern und Lehrpersonal sowie unter Bedachtnahme auf den Gesundheitsschutz. Markus Koza (Grüne) setzte sich kritisch mit der NEOS-Forderung auf Abschaffung der Mehrfachversicherungen auseinander, wobei er einwandte, dies widerspreche der Pflichtversicherung als Ausdruck des für die Krankenkassen so wichtigen Solidargedankens.

NEOS orten "flapsigen" Umgang mit der Verfassung

Josef Schellhorn (NEOS) vermisste Sorgfalt und Transparenz bei der Bundesregierung und beklagte insbesondere ein "Chaos" bei den Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen. Jetzt sei "Schluss mit lustig", jetzt müsse die Bundesregierung liefern, unterstrich er. Ansagen undurchdachter Pläne hätten bloß zu Verunsicherung geführt, stellte er fest und sprach kritisch von einer "Testballonparty" der ÖVP, die nun ein Ende haben müsse. Gerald Loacker (NEOS) sah Defizite bei der Beschaffung von Masken und der Durchführung von Tests, während Helmut Brandstätter (NEOS) der Regierung einen "flapsigen" Umgang mit der Verfassung vorwarf und sich überdies Sorgen um die Pressefreiheit machte. Beim e-Learning trat Brandstätter für eine verpflichtende wissenschaftliche Begleitung in Bezug auf Verbesserungspotenzial ein.

Die Abstimmungen über die Verhandlungsgegenstände erfolgten geblockt am Ende der Nationalratssitzung (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 352/2020). (Fortsetzung Nationalrat) hof

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