Parlamentskorrespondenz Nr. 392 vom 28.04.2020

Nationalrat: SPÖ pocht auf Ausweitung des Diskriminierungsschutzes

Plenarsitzung endet mit Erster Lesung

Wien (PK) – Die Forderung nach einer Ausweitung des Diskriminierungsschutzes außerhalb der Arbeitswelt steht schon seit langem auf der politischen Agenda. Auch auf EU-Ebene wird seit Jahren über eine entsprechende Richtlinie diskutiert, bisher ohne Ergebnis. Nun unternimmt die SPÖ einen neuen Vorstoß. Ein Antrag zur Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes und verwandter Gesetzesmaterien (382/A) wurde am Ende der heutigen Nationalratssitzung einer Ersten Lesung unterzogen.

Konkret geht es Gabriele Heinisch-Hosek und ihren FraktionskollegInnen darum, dass Menschen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen nicht diskriminiert werden dürfen, und zwar nicht nur wie derzeit unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sondern auch unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und ihrem Alter. Das soll insbesondere auch den Zugang zu Wohnungen betreffen. Damit einher werden u.a. Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung und Schadenersatzregelungen sowie die Ausweitung der Kompetenzen der Gleichbehandlungskommission vorgeschlagen. Der SPÖ-Antrag sieht aber auch Ausnahmetatbestände vor: So soll es etwa weiterhin möglich sein, eine Altersuntergrenze für den Zugang zu Sport- und Kulturveranstaltungen festzulegen oder günstigere Eintrittskarten für SchülerInnen, StudentInnen und PensionistInnen anzubieten.

Dem Vorstoß der SPÖ nicht viel abgewinnen konnte ÖVP-Abgeordnete Romana Deckenbacher. Damit sei eine Verschärfung des bereits bestehenden Diskriminierungsverbots beabsichtigt, sagte sie. Das Anliegen betreffe auch unternehmerisches Handeln. Vonseiten der ÖVP seien alle Richtlinien und Vorgaben auf EU-Ebene in Sachen Diskriminierungsschutz umgesetzt worden. Für eine ernsthafte Diskussion brauche es Informationen aus anderen EU-Ländern. Die  entsprechende EU-Richtlinie liege wahrscheinlich nicht ohne Grund seit Jahren auf Eis. Stichhaltige Anlassfälle für eine Änderung seien ihr nicht bekannt. Grundsätzlich lehne die ÖVP jegliche Form von Diskriminierung ab.

SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz entgegnete, dass es nicht um eine Verschärfung des Diskriminierungsverbotes gehe, sondern um die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes. Im Bereich der Arbeitswelt gebe es bereits jetzt umfassenden Schutz vor Diskriminierung. In allen anderen Lebensbereichen bestehe allerdings großer Handlungsbedarf, sagte Schatz. Stichhaltige Anlassfälle gebe es genug.

Wenn es um das Alter und Geschlecht geht, stand vonseiten der FPÖ Abgeordnete Rosa Ecker (FPÖ) für Diskriminierungsfreiheit im gesellschaftlichen Leben ein. Dies liege aber vor allem an der gesellschaftlichen Gesamtverantwortung und am individuellen Handeln. Die von der SPÖ gewünschte Umsetzung werfe einige Fragen auf, etwa, ob es für gewisse Zielgruppen noch Preisvergünstigungen geben wird.

Die grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic dankte der SPÖ für die Initiative, wies gleichzeitig aber auch darauf hin, dass entsprechende Grün-Anliegen in jener Zeit, als die SozialdemokratInnen die Kanzlerpartei stellte, nicht umgesetzt worden seien. Der Einsatz der Grünen für Diskriminierungsschutz sei unbestritten, mit dem Koalitionspartner habe man sich darauf geeinigt, dass es eine Ausweitung der Schutzmöglichkeiten vor Diskriminierung geben werde.

Auch Yannick Shetty (NEOS) wertete die eingebrachte Initiative der SPÖ positiv, er freue sich auf die Diskussion im Hohen Haus. Kritik äußerte er in Richtung Grüne, LGBT-Personen hätten für die Regierungspartei keine Priorität.

Im Anschluss an die Erste Lesung wurde der Antrag dem Sozialausschuss zugewiesen.

Ibiza-Untersuchungsausschuss wird um drei Monate verlängert

Schon davor hatte der Nationalrat in Zweiter Lesung einhellig für eine dreimonatige Verlängerung des Ibiza-Untersuchungsausschusses gestimmt. Konkret wird mit einer von SPÖ und NEOS initiierten Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes normiert, dass die Monate März, April und Mai nicht in die für Untersuchungsausschüsse grundsätzlich geltende 14-Monatsfrist eingerechnet werden (siehe dazu Parlamentskorrespondenz Nr. 376/2020). Grund dafür ist die Beeinträchtigung der Ausschussarbeit durch die COVID-19-Pandemie. Endgültig fixiert wird die Fristerstreckung allerdings erst im Mai, zwischen Zweiter und Dritter Lesung im Nationalrat müssen mindestens 24 Stunden liegen.

Im Zuge der Plenarsitzung wurde der bereits im Geschäftsordnungsausschuss adaptiere NEOS-SPÖ-Antrag (409/A) nochmals abgeändert. Dadurch wird sichergestellt, dass die dreimonatige Fristhemmung auch im Falle einer etwaigen Verlängerung des Untersuchungsausschusses über die 14-Monatsfrist hinaus nicht verlorengeht.

In der Debatte wurde die Fristhemmung uneingeschränkt begrüßt. "Wir brauchen jede mögliche Zeit für Aufklärung" sagte etwa NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper und brachte gemeinsam mit Kai Jan Krainer (SPÖ) etwa den dringenden Verdacht zur Sprache, dass die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zum Thema Glücksspiel an Finanzminister Hartwig Löger von einem Anwalt des Glücksspielkonzerns Novomatic formuliert wurde. Sie wertete das als "unfassbaren Missstand", auch Krainer zeigte sich "maßlos entsetzt". Noch dazu sei die Antwort faktenwidrig gewesen, so Krisper. Es dürfe keineswegs der Eindruck entstehen, dass Politik käuflich sei und es manche sich richten könnten, warnte in diesem Zusammenhang auch SPÖ-Abgeordneter Rudolf Silvan.

Seitens der Grünen zeigte sich David Stögmüller darüber erfreut, dass es "endlich losgeht". Einer "der größten Politikskandale der Zweiten Republik" sei aufzuklären, sagte er. Die Grünen haben ihm zufolge auch schon "Akten gewälzt" und seien dabei auf "so manches Spannende" gestoßen. Seine Fraktion werde jedenfalls ganz genau hinschauen, betonte Stögmüller. Auch die FPÖ will "nach Kräften ihren Beitrag zur Aufklärung leisten", wie Christian Hafenecker versicherte.

Wolfgang Gerstl (ÖVP) wies darauf hin, dass der U-Ausschuss gemäß der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung voraussichtlich bis zum Sommer 2021 laufen wird. 42 Befragungstage werde es geben, skizzierte er. Vorrangig nutzte Gerstl die Debatte aber dazu, um vor allem der SPÖ "ins Gewissen zu reden": Sollte der Bundesrat die COVID-19-Gesetze tatsächlich erst kommende Woche in Verhandlung nehmen, würde das der Wirtschaft ihm zufolge "hunderte Millionen Euro" kosten.

Abgelehnt wurde am Schluss der Sitzung ein Antrag der SPÖ, dem Verfassungsausschuss für die Beratungen über die Abschaffung des Amtsgeheimnisses eine Frist bis zum 30. April zu setzen. (Schluss Nationalrat) gs/keg

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